Tichys Einblick
Hart aber Fair: Wohnen immer teurer

400.000 neue Wohnungen: Das Versprechen ist nicht gebrochen, es ist nur „nicht eingelöst“

Vor Hart aber Fair lief die Reportage „GAU am Bau“. Auf diese Doku, die mehr nach einer missglückten BILD-Titelzeile klingt, nahm man in der Talk-Sendung wiederholt Bezug – eine Sendung zum Thema Wohnungsnot, in der die Befürworter einer Mietpreisbremse in der Überzahl waren.

Screenprint: ARD / Hart aber Fair

Drei Jahre ist es nun her, dass die Bundesregierung als ein zentrales Versprechen 400.000 Wohnungen in den Koalitionsvertrag aufgenommen hat, die sie jährlich aus dem Hut zaubern wollte. Dass die Regierung daran bislang kläglich scheitert, ist seither ein beliebtes Thema, das reihum alle paar Monate durch die Talkshows tingelt, wenn die gerade nichts anderes zu besprechen haben. Wohnungsnot ist eben immer aktuell – und wird es wohl noch lange bleiben.

Diese Woche ist es mal wieder soweit, der Mond steht günstig und der Sendeplan dieses Montags hat vor Hart aber Fair die ARD-Reportage „GAU am Bau“ angesetzt. Auf diese „GAU am Bau“-Doku, die eigentlich mehr nach einer missglückten BILD-Titelzeile klingt, nahm man in der Sendung wiederholt Bezug. Da ich keine Sekunde länger öffentlich-rechtlichen Rundfunk schaue, als ich muss, habe ich um Punkt 21 Uhr zum Start von Hart aber Fair eingeschaltet und fühlte mich über die Sendung hinweg wie ein Schulkind, das seine Hausaufgaben nicht gemacht hat. Zurückspulen ist im Livestream nur begrenzt möglich, im Fernsehen natürlich gar nicht.

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Man könnte jetzt ein Fass aufmachen darüber, dass man in einem Beitrag nicht einfach ohne Einordnung Bezug auf einen anderen Beitrag nehmen sollte und dass das im Journalismus auch grundsätzlich verpönt ist, aber wenn ich jetzt mit Stilkritik anfange, muss ich auch erwähnen, dass die ARD offenbar angefangen hat, die „Tagesthemen“ vermeintlich lässig als „tt“ abzukürzen, und dann kann ich nicht mehr garantieren, dass ich heute noch auf das eigentliche Thema zurückkomme.

Um es kurz zu machen: In ihrer Doku ist Brisant-Moderatorin Marwa Eldessouky auf der Mission, den knappen Mietmarkt zu erkunden, bezeichnet das Wohnen alle drei Minuten als Grundrecht, damit es auch der Letzte verstanden hat und macht mit einem Verwandten auf Wohnungssuche den Test, ob er vielleicht leichter eine Wohnung findet, wenn er sich mit einem deutschen Nachnamen bewirbt. Antiklimaktisch stellt sich dann heraus, dass er keinen Rassismus in der Wohnungsvergabe ausmachen konnte, die Sendung endet aber mit einem Happy End: Er findet eine Wohnung und Marwa ist zu Tränen gerührt.

Direkt übergeleitet wird zu Louis Klamroth und seiner Anschlussbesprechung zur Doku. Und er wiederum beginnt seine Sendung dann auch direkt mit einem Einspieler. Ein junges Pärchen mit zwei Kindern wird uns vorgestellt, die Familie wohnt zu viert in einer Zwei-Zimmer-Wohnung, alle schlafen im gleichen Zimmer. Besuch können sie keinen einladen und wenn die Kinder bei ihren Freunden sehen, dass die ihre eigenen Kinderzimmer haben, fragen sie ihre Eltern, warum sie das nicht auch haben können.

Die beiden Eltern sitzen an diesem Abend auch im Studio. Als vom Einspieler dahin wieder zurückgeschaltet wird, hat sich Klamroth zu den beiden ins Publikum positioniert. Es hat ein bisschen was von Thomas Gottschalk, wie er sich bei „Ein Herz für Kinder“ zu einem Kindergenie herunter kniet, wie Klamroth da zwischen den Zuschauern sitzt. Gleichzeitig erinnert die Art, wie er den beiden neben sich das Mikrofon unter die Nase hält und Fragen wie „Ist wahrscheinlich ganz schön wuselig da, oder?“, oder „Was macht das mit Ihnen?“ stellt, auch an einen Kinderreporter von KIKA.

Die beiden sollen als Beweis dafür dienen, dass es politischen Handlungsbedarf gibt. In der Sendung wird vermehrt der Ruf nach einer Mietpreisbremse laut werden, so wie auch in der Doku davor. Dabei hätte diese Debatte mit genau diesem Beispiel der kleinen Familie schon von Anfang unterbunden werden müssen. Der Familienvater, der von Klamroth als inaktives SPD-Mitglied geoutet wird, erklärt selbst: „Die Miete ist jetzt nicht das Problem, sondern das Wohnungsangebot ist das Problem.“

Die vierköpfige Familie wohnt nicht in solchen Zuständen, weil sie sich nicht mehr leisten könnte, sondern weil sie keine anderen findet. Günstigere oder gedeckelte Preise werden am mangelnden Angebot wohl kaum etwas ändern können. Ganz im Gegenteil: Wenn Geld kein Problem ist, könnten sie in der freien Marktwirtschaft einfach die anderen Mitbewerber überbieten und schon hätten die beiden dreijährigen Kinder eigene Zimmer und müssten nicht mehr in Hochbetten schlafen.

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Doch wenn die Antwort so einfach wäre, hätte die Sendung, die übrigens unter dem Titel „Verzweifelt in vier Wänden: Darum wird Wohnen immer teurer“ lief, keine Existenzberechtigung. Und dann hätte man es sich ja auch sparen können, SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert oder die Vorsitzende der Bundestagsgruppe der Linken Heidi Reichinnek in die Sendung einzuladen. 2019 sagte Kühnert, damals noch als Juso-Chef: „Jeder sollte maximal den Wohnraum besitzen, in dem er selbst wohnt.“

Noch viel lieber sei es ihm aber, so sagte er damals, wenn es gar keine privaten Vermietungen mehr gäbe. Er führte außerdem aus: „Ohne Kollektivierung ist eine Überwindung des Kapitalismus nicht denkbar.“ Auf dieses Interview angesprochen, erklärte der heutige Generalsekretär gegenüber Klamroth, er fände es albern, sich von eigenen Aussagen zu distanzieren.

Dieses Motto ist vielleicht gar nicht so dumm, vor allem für ihn. Nicht weil es da viel zurückzunehmen gäbe, sondern weil er so nicht zugeben muss, dass kein wirkliches Umdenken bei ihm stattgefunden hat. Man könnte ihm seine Zeit als Sozialist vielleicht als Jugendsünde verzeihen, wenn er da rausgewachsen wäre. Doch gerade auch bei seinen Äußerungen in dieser Sendung dürfte das schwer werden.

Besonders bezeichnend ist dabei eine Szene, in der die Stimme der Wirtschaft dieser Sendung, Immobilienunternehmer Jürgen Michael Schick, vor allem Herrn Kühnert auf einen eigentlich banalen Fakt hinweist: „Sie können ökonomische Gesetze nicht verbieten“. Gemeint ist damit, dass die Regierung zwar Gesetze schaffen, aber nicht die Wahrheit wegregulieren kann. Es wird immer Angebot und Nachfrage geben. Aktuell ist das Angebot zu klein für eine immer weiter wachsende Nachfrage.

Es mag nun wirklich sehr banal klingen, vielleicht sind Sie auch genervt, dass ich auf einem so einfachen Punkt herumreite. Doch für Kühnert war dieser Satz ganz und gar nicht leicht zu verstehen. „Natürlich wirken wir auf die Preisbildung am Markt ein!“, reagiert er schon empört. Dass er bestimmte Dinge eben doch nicht einfach durch Gesetze verbieten könne, schien er förmlich persönlich zu nehmen. Dabei rennt er Schick ins Messer, der erhält aber nicht die Möglichkeit, auf diese bezeichnende Antwort wiederum zu reagieren, obwohl er das wollte.

Die Linke neben Kühnert, von der ich für meinen Teil noch nie zuvor gehört oder sie gesehen habe (wie schön ruhig meine Welt da noch war), hat redlich Mühe, neben einem strammen Sozialisten wie Genosse Kühnert nicht unterzugehen. Mit einer Kette um den Hals, die mir verdächtig nach Tiffany aussieht, erzählt sie, dass sie sich mit ihrem Job in der Jugendhilfe, den sie bis vor etwas mehr als zwei Jahren noch ausgeübt hat, eine Wohnung kaum noch leisten könnte.

Ihr Lieblingsfeind? Natürlich die Vermieter, was sie aber auf Konfrontation hin abstreitet: „Niemand schimpft hier über Vermieter, ich schimpfe über Aktiengesellschaften, die auf Shoppingtour gehen.“ Was sie damit meint? Ihre Lieblingsformulierung: Natürlich steigen die Mieten nicht wegen der einfachen Gleichung aus Angebot und Nachfrage – nein, das Zauberwort lautet „Spekulationen“.

„Wir haben hier Immobilienkonzerne, die gehen auf Shoppingtour, die kaufen sich ganze Straßenzüge, die drehen die Miete immer weiter hoch.“ Der Wohnungsmarkt bricht nur zusammen, „damit irgendwelche Aktionär*innen da massig Geld rausschlagen können“. Sie findet: „Da muss der Staat doch eingreifen können.“ Irgendein Beispiel für so einen Konzern auf Shoppingtour oder eine aufgekaufte Straße konnte sie nicht nennen.

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Während Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur des Verbraucher-Ratgebers „Finanztip“ Tipps zur Auseinandersetzung mit dem Vermieter bei zu hohen Mieten gab, die der Immobilienunternehmer Schick als „das perfekte Arbeitsbeschaffungsprogramm für Rechtsanwälte und für Abmahnvereine“ bezeichnete, CDU-Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann erfolglos versuchte, zum Bauen neuer Wohnräume zu Wort zu kommen, genoss Tine Wittler es, mal wieder vor der Kamera zu stehen.

Auch ich brauchte erstmal eine Google-Suche, um herauszufinden, was die Daseinsberechtigung der ehemaligen Bravo-Redakteurin in dieser Sendung war. Es stellte sich heraus, dass sich die wohl aus ihrer Moderation der RTL-Sendung „Einsatz in 4 Wänden“ ableitete, die sie zehn Jahre lang als vermeintliche „Wohnexpertin“ gedreht hat. In der Sendung wurden Zimmer renoviert, wobei die Umbauten von Architekturbüros geleitet wurden und die Aufgabe der „Wohnexpertin“ darin bestand, das neue Zimmer dann mit einer Kombination fertig gekaufter Möbel zu verschönern. Es ist doch interessant, was man sich bei Hart aber Fair an Experten in die Runde holt.

Alles in allem war die Sendung einfach nur chaotisch und das nicht nur, weil sich alle Gäste ständig gegenseitig ins Wort gefallen sind. Es gab einen eindeutigen Überhang an Verfechtern der Mietpreisbremse. Wie die allerdings für mehr Wohnungen sorgen soll, konnte niemand beantworten. Das Thema an sich ist grundsätzlich chaotisch. Denn kein Anhänger der Marktwirtschaft kann wollen, dass die Regierung in den Wohnungsmarkt eingreift und selbst Wohnungen schafft.

Auf der anderen Seite ist es mal wieder typisch, dass die Ampel ihre Versprechen bricht. Soll einen das einfach kalt lassen, weil man das Versprechen ja eh schlecht fand? Das kann auch nicht die Lösung sein. Zumal man dann auch Kevin Kühnert keine Beachtung mehr schenken würde, der in Habeck-Manier allen Ernstes erklärt: Das Wohnungsversprechen ist „nicht gebrochen“, es ist nur noch „nicht eingelöst“.

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