Michael Kretschmer (CDU) ist bei Caren Miosga zum Nachsitzen vorgeladen worden. So wirkt jedenfalls die Sendung am gestrigen Abend. Um die Argumente von Miosga und ihrer Verstärkung aushalten zu können, rutscht der sächsische Ministerpräsident auf seinem Stuhl vor und zurück, seine Füße hibbeln unter dem Tisch hin und her und sein Kiefer spannt. So wie ein Schüler beim Nachsitzen eben: Um das Gerede des Lehrers aushalten zu können, müssen die Nerven sich irgendwie entladen.
Der Grund für das Nachsitzen bei Lehrerin Miosga: Sie würde sich von Kretschmer wünschen, dass er „nachdenklicher“ mit seiner Sprache umgeht. Respektvolles Reden helfe gegen Radikale, suggeriert Miosga. Aber Aussagen von Kretschmer wie „wir müssen die Grünen loswerden“ oder „die Ampel zerstört die Demokratie“ seien nicht respektvoll. Solche Beschimpfungen würden dafür sorgen, dass die AfD Stimmen gewinnt, belehrt Lehrerin Miosga. Und dass Angriffe auf Politiker geschehen, so wie auf den SPD-Europaabgeordneten Matthias Ecke beim Plakatieren in Dresden.
Kretschmer lässt sich aber nicht so einfach von seinen Lehrern vorführen: Er findet es „maßlos“, den Erfolg der AfD einem Bundesland in die Schuhe zu schieben, und sagt: „Das ist eine Frechheit.“ Er wolle weder sich noch den Sachsen pauschale Neigungen zum Extremismus anhängen lassen. Zudem kämpfe er gegen den Rechtsextremismus, betont er. Was für ein braver Schüler. Allerdings sagt er dann, dass die Ampel an der Bevölkerung vorbeiregiere. Ob Miosga ihm dafür eine schlechte Note im Arbeitsverhalten gibt?
Passend zu dieser Nachsitzstunde des CDU-Politikers darf – wie im ÖRR üblich – die Kritik an der klaren Kante gegen Links nicht fehlen: Die CDU schließt bislang eine Koalition mit der Linken aus. Miosga sagt mit einem Hundeblick, Menschen wie Bodo Ramelow (Linke) seien doch keine Gefahr für die Demokratie. Niejahr meint, es ist „intellektuell problematisch“, dass die Union eine Koalition mit der Linken ausschließt, aber nicht mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht. Der Historiker und Publizist Ilko-Sascha Kowalczuk meint wiederum, Wagenknecht sei eine „Kommunistin“, und deshalb kritisiert er, dass die Union überlege, mit dem BSW zu koalieren – was Kretschmer verneint.
Kretschmer fragt seine Lehrerin dann etwas, das nicht in ihrem Lehrbuch steht: „Was ist das Kriegsziel?“ Miosga stammelt, das sei nicht formuliert. Und weicht aus, um Kretschmer vorzuhalten, dass viele in der Union andere Meinungen zum Krieg in der Ukraine vertreten würden. Ganz nach dem Motto: Alle anderen Schüler verhalten sich doch auch konform, nimm dir mal ein Beispiel an denen. Kretschmers Stimme wird laut und gereizt: Bis vor kurzem habe es noch Meinungsfreiheit gegeben. Er wolle den Diskussionskorridor offenhalten – auch innerhalb der Union.
Danach braucht Kretschmer – und der Zuschauer – erstmal eine Aufmunterung. Und Miosga bietet in der Sendung eine Idee, was man nach dem Nachsitzen machen könnte: „Sex and the City“ schauen. Das habe Kretschmer schließlich in seinen ersten Jahren als Abgeordneter in Berlin gemeinsam mit Jens Spahn (CDU) und Julia Klöckner (CDU) geschaut. Kretschmer korrigiert Miosga: Sie haben die Serie „Ally McBeal“ gesehen. Miosga hat sich offenbar eher um ihre Belehrungen gekümmert als um ihre journalistische Recherche. Sie hat nicht mal erwähnt, dass Kretschmer Abitur gemacht hat. Kretschmer fordert daher mit einem Zwinkern „eine neue Moderatorin, bitte“.