Tichys Einblick
"zwischen Mystery und Murks"

Ein ARD-Film zur rechten Zeit erquickt Minister und Eitelkeit

Das Drehbuch zum Film beruht auf dem 2001 erschienenen Roman „Hauke Haiens Tod“ von Andrea Paluch und Robert Habeck. Die Beschreibung der Nordfilm GmbH für ihre in Zusammenarbeit mit ARD Degeto entstandene Produktion wirkt dann auch nicht ohne Grund wie aus einem Parteiprogramm der Grünen.

© ARD Degeto/Nordfilm GmbH/Christine Schroeder

Das Drehbuch zu dem Film „Die Flut – Tod am Deich“ – Eine verheerende Nordseesturmflut reißt das Dorf Stegebüll ins Verderben – von Daniela Baumgärtl und Constantin Lieb, beruht auf dem 2001 im Verlag S. Fischer erschienenen Roman „Hauke Haiens Tod“ von Andrea Paluch und Robert Habeck, welches sich als Fortführung der Novelle „Der Schimmelreiter“ von Theodor Storm aus dem Jahr 1888 versteht. Diese handelte von einem begabten, dem Fortschritt zugewandten nordfriesischen Deichgrafen, der sich mit seinen technischen Flutplanungen nicht gegen die abergläubischen Dorfbewohner durchsetzen kann, was sich dann in der Sturmflut bitter rächt.

Die Beschreibung der Nordfilm GmbH für ihre in Zusammenarbeit mit ARD Degeto entstandene Produktion könnte in Teilen aus einem grünen Programm stammen: „… friesische Nordseeküste – den brachialen Kräften der Natur ausgesetzt – hin- und hergerissen zwischen Fortschritts- und Aberglauben … ein Dorf, das an menschlicher Hybris zu zerbrechen droht … eine Geschichte über Selbstermächtigung im Zeichen der heraufziehenden Klimakatastrophe“. Das Hamburger Abendblatt ist ganz stolz: „Das ARD-Mystery Drama … wurde nach einer Vorlage des Vizekanzlers unter anderem in Hamburg gedreht … und stellt große Klima-Fragen.“

In dem „stark auf den Mystery-Faktor setzenden Klima-Krimi“ geht es laut TV-Spielfilm darum, dass „einsame, bösartige Dörfler Gras darüber wachsen lassen wollen, in einer entscheidenden Situation umweltpolitisch und menschlich versagt zu haben – und dass eine solche Rechnung niemals aufgeht: wohl eine Botschaft, die der Film hergibt. Zeitgerecht, aber auch ziemlich plakativ wirkend.“

Obwohl das Drama vom „Tod am Deich“ laut t-online eigentlich mit einer „Top-Quote“ geglänzt habe, scheint es vielen Rezensenten doch Unbehagen zu bereiten, einen offensichtlich mit politischen Botschaften beladenen Film wohlwollend zu kommentieren. Man kann nicht behaupten, dass die aktuelle Verneigung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens vor dem kreativen Geist des Bundesklimaschutzministers, sprich den Früchten seiner und der Phantasie seiner Ehefrau, auf besonders viel Beifall gestoßen wäre. Mancher Rezensent macht seinem Unmut, wie Johannes Schneider von der „Zeit“ mit dem unmissverständlichen Zuruf „Ist klar, Herr Minister“ Luft. Was Robert Habeck einst mit seiner Frau Andrea Paluch geschrieben habe, sei als Fernsehspiel „einfach nur schlecht“.

Selbst der „Stern“ muss zugeben, dass das Duo sich hier „leicht vergaloppiert: Habecks ‚Schimmelreiter‘ zwischen Mystery und Murks“.

Die Berliner Zeitung legt den Finger mit der Frage in die Wunde, „… ob die ARD wirklich klug beraten war, den Debütroman eines Autors zu verfilmen, der aktuell als Bundeswirtschaftsminister und stellvertretender Bundeskanzler im Dauerfeuer der Kritik steht … und der ja erst nach seinem politischen Aufstieg für die ARD interessant geworden sei“. Die bewerbe ihren Krimi mit brausendem Getöse: „Die Flut – Tod am Deich“ sei ein „emotional fesselnder Eventfilm“, der eine „alte Mystery-Novelle“ in ein „modernes Coming-of-Age-Drama“ verwandele und sich zum „filmischen Dramengemälde über den Widerspruch von Fortschrittsglauben und Mythos“ entwickle. Jedoch seien die „überlangen 105 Minuten, in denen es mehr plätschert als braust … weder ein Event noch ein Mystery-Drama, ja nicht mal ein handfester Öko-Thriller mit politischer Relevanz …“

Der NDR für sein Teil fand die „Tod am Deich“-Premiere in Husum hingegen „brandaktuell und bildgewaltig“ mit „Sturmfluten, brechenden Deichen und den Konsequenzen“. Er beruhe auf dem Roman „Hauke Haiens Tod“ von Andrea Paluch und Robert Habeck, und es sei „nur konsequent, dass die Premiere des Films im ausverkauften Saal im Kinocenter Husum stattfindet“.

Aktualität ist eine tolle Sache; Hauptdarsteller Anton Spieker hat im NDR-Interview nur Augen für die Nordsee: „Was den Film vielleicht so hochaktuell macht, ist, dass er keinen dokumentarischen Blick auf Naturkatastrophen gibt. Sondern er beschäftigt sich damit, was mit menschlichen Schicksalen passiert, wenn ein Ort von einer Naturkatastrophe getroffen wird“, erklärt Iven-Darsteller Anton Spieker und fügt hinzu: „Das ist das, was in den Nachrichten wenig beleuchtet wird, weil der Raum dafür nicht da ist. Das schafft der Film, glaube ich, ganz gut.“

Außerdem meint der NDR „Viel Lob, wenig Kritik“ festgestellt zu haben: „Nach dem Film zeigen sich die meisten Zuschauerinnen und Zuschauer begeistert, loben die Darstellung der Macht des Meeres und der Landschaft. Die Kritik eines Zuschauers richtet sich nicht gegen das Thema, sondern gegen die Umsetzung: Zu melodramatisch sei der Film.“ In der Tat beginnt der Film wie ein Hollywood-Katastrophenreißer. Ein bärtiger Retter kämpft sich wild entschlossen mit seinem Wagen durch Sturm und Regen, ein verschrecktes Kind kauert auf dem Rücksitz. Fetzen von dramatisch klingenden Radiomeldungen werden eingespielt: „stürzen zahlreiche Orkanböen und Starkregen die Nordseeküste ins Chaos … Pegelstände steigen in einer nie dagewesenen Geschwindigkeit … weite Teile evakuiert und zahlreiche werden folgen … eine der schwersten Sturmfluten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen … Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 150 Km/Stunde Schiffsverkehr komplett eingestellt … das Ausmaß der Zerstörung ist noch nicht absehbar.“

Der Neuen Züricher Zeitung reißt fast der Geduldsfaden, denn „die ARD verschweigt, dass ihr neuer Klimakitsch-Film auf einem Roman von keinem Geringeren als Robert Habeck von den Grünen, jetzt deutscher Vizekanzler und Wirtschaftsminister, beruht. Früher allerdings einmal Literaturwissenschaftsstudent und Romanschreiber.“ Sie zitiert aus den Dialogen: „Du hast doch auch schon mal vom Klimawandel gehört. Der Meeresspiegel steigt, und die Stürme werden heftiger“, und dass der Bürgermeister zu Protokoll geben muss: „Ich glaub das alles gar nicht“, der Deichgraf aber seine Gegenspieler als „reaktionäre Idioten“ beschimpfen darf.

Selbst der FAZ wird es zu bunt: „Jetzt wird Robert Habeck auch noch verfilmt“, und ist irgendwie froh, dass sich die Autoren in diesem „Klimakrisendrama … selbstbewusst von Habeck und Paluch entfernen. Der religiöse Fanatismus und die Inzestfrage, mit denen ‚Hauke Haiens Tod‘ den Dorfhorror beschwor, kommen in der Verfilmung nicht vor …“

Für das Redaktionsnetzwerk Deutschland überwiegen bei Rezensentin Nina May die Töne in Moll, zu „dem Stoff, der heute noch aktueller als im Jahr der Romanveröffentlichung ist“, den ja Herr Habeck (zitiert von seiner Homepage Hommagen an seine Heimat, die sich poetisch anhörten) „von seinem Debütroman“ (seine Frau übergeht sie dabei fast) in die Gegenwart transportiert habe.“ Frau May schildert, was der Leser unbedingt wissen sollte: „vor seiner politischen Karriere war der heutige Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klima nämlich schon als Literat erfolgreich. Der studierte Germanist, Philosoph, Philologe und Humanwissenschaftler gibt in seinem Lebenslauf für den Zeitraum 2000 bis 2009 ‚Arbeit als freier Schriftsteller‘ an. Der beredte Titel seiner Promotion lautet ‚Die Natur der Literatur. Zur gattungstheoretischen Begründung literarischer Ästhetizität‘.“ Hauke Haien: Ein Mann, „…der mit seiner zukunftsorientierten Umweltpolitik einige Menschen gegen sich aufbringt – eine Erfahrung, die dem Habeck von heute nicht ganz unbekannt sein dürfte“.

In Berlin wird die Romanvorlage laut RBB24 zusätzlich vom Deutschen – in Kooperation mit dem Rambazamba-Theater auch noch auf die Bühne gebracht. Der „Schimmelreiter“ gelte ja eigentlich „als Stück der Stunde zur Klimakrise“ – so der Sender, und in diesem „schrägen Öko-Gruselkrimi, bei dem nie ganz deutlich wird, wer hier wen umbringt – der Mensch die Natur – oder die Natur den Menschen“ darf der Darsteller des Hauke Haien (Manuel Harder), von den Toten auferstanden, Robert Habeck, der „früher übrigens selbst für Deichbau verantwortlich war, als Umweltminister in Schleswig-Holstein“ sogar wörtlich mit einer seiner Reden zitieren.

Bei Web.de plaudert Regisseur Andreas Prohaska aus dem Nähkästchen: zwar hätte er sich mit den „beiden Autoren der literarischen Vorlage … im Vorfeld der Dreharbeiten aufgrund von Terminkollisionen nicht persönlich treffen können …“, aber „…als klar war, dass ich den Film machen werde, habe ich aber E-Mails von den beiden bekommen, aus denen hervorgegangen ist, dass sie sich sehr darüber freuen. Wir haben es dann zumindest geschafft, den fertigen Film in Berlin vorzuführen. Ich war ziemlich nervös, weil es mir unglaublich wichtig war, dass Andrea Paluch und Robert Habeck mit dem Ergebnis einverstanden sind … mein Eindruck war schon, dass sie den Film sehr mochten. Beim Filmfest in Hamburg im vergangenen Jahr haben sie sich den Film dann noch einmal angeschaut – und mochten ihn danach sogar noch ein bisschen mehr (lacht) … der Film ist nämlich zum Teil auch wirklich lustig. Bei einer Vorführung waren zwei Personenschützer von Robert Habeck dabei – und die haben schallend gelacht. Ich habe diese Reaktion als sehr belohnend empfunden.“

Besonders gefreut haben wird sich Minister Habeck auch über die letzten Minuten des Films, in denen der Held im Schatten sich majestätisch drehender Windräder ganz in der Nähe seines Heimatdorfes (immerhin 17 km) in seinem Cabrio sitzend überlegt, ob er Richtung Großstadt Hamburg weiterfährt oder nach Stegebüll abbiegt. Schnitt, Abspann.

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