Jaja, die Drehtüren zwischen Politik und Medien drehen sich gut geölt. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen im polit-medialen Verbund: „Medienschaffende“ lassen sich von „Politikschaffenden“ als Sprecher anheuern und kehren dann wieder in die Presse zurück oder kriegen ein anderes herausgehobenes Amt. Klar, ihre Unabhängigkeit geben sie dabei nie, nie, nie auf.
Dennoch: Die vielen Hin- und Her-Wechseleien verbreiten einen strengen Geruch, zeigen sie doch, dass es mit der Neutralität und der öffentlichen Kontrollfunktion der sogenannten Vierten Gewalt nicht weit her sein kann. Da entstehen nun mal gewisse Loyalitäten. Ist doch menschlich, oder?
Aktuell: Causa „Anna Engelke“ und „Cerstin Gammelin“
Jüngstes Beispiel: Anna Engelke (*1969), Sprecherin von Bundespräsident Steinmeier von 2017 bis 2022, wird zum 1. Juli 2024 Vize-Chefin des vom RBB betreuten ARD-Hauptstadtstudios und Moderatorin von „Bericht aus Berlin“. Vor 2017 war sie beim NDR beschäftigt, der ihr nach ihrem Fünf-Jahres-Ausflug ins Bellevue eine Rückkehrgarantie einräumte und sie von Februar 2022 bis heute zurücknahm. Pikanterweise ist es das NDR-Medienmagazin „Zapp“, das an der Causa keinen Gefallen findet. Auf X (vormals Twitter) schreibt „Zapp“ über Engelke: „Dabei war sie selbst Teil des politischen Systems, das sie nun kritisch beobachten soll … Seitenwechsel wie diese werden in der Debatte um den ÖRR gern als Beleg für eine zu große Nähe zwischen öffentlich-rechtlichen Journalist:innen und der Politik angeführt.“
Das Fazit der „Zapp“-Redaktion: „Die zuständige @presse_rbb antwortet auf diesen Vorwurf lapidar, der Bundespräsident sei überparteilich … Aus diesem Grund steht Anna Engelkes frühere Tätigkeit als Sprecherin des Bundespräsidenten nicht in Konflikt mit unabhängiger journalistischer Arbeit“, zitiert „Zapp“ die RBB-Pressestelle. „Engelke sei zukünftig an der Berichterstattung über den Bundespräsidenten nicht beteiligt“, heißt es weiter. Wenn das nicht Salto-Mortale-Rabulistik ist, was dann?
Dass „Zapp“ hier den Gender-Doppelpunkt verwendet, wollen wir mal übergehen. Und die „Überparteilichkeit“ des Herrn Bundespräsidenten erleben wir mindestens wöchentlich. Anzufügen ist freilich: Schön, dass ihr von Zapp endlich aufgewacht seid, denn ein solches Changieren zwischen Politik und Medien ist seit Jahren Alltag.
Spannend auch: Für Anna Engelke holte sich Steinmeier im Februar 2022 eine Cerstin Gammelin (*1965). Nur einmal darf der TE-Leser raten, wo die Dame zuvor tätig war. Erraten! Früher bei der „Zeit“, dann bei der „Süddeutschen Zeitung“. Bekannt wurde sie auch, als sie 2021 ein Buch von Robert Habeck bei der Böll-Stiftung vorstellte. Noch ein Gammelin-Detail: Steinmeiers Kurzzeit-Redeschreiber war für eineinhalb Jahre Marc Brost (*1971), vormals Hauptstadtbüroleiter der „Zeit“. Weil es zwischen ihm und Gammelin Abstimmungsprobleme gab, zog er Ende 2023 aus dem Bellevue aus. Seit 1. April 2024 gehört er zur Focus-Chefredaktion.
Bundespresseamt in der Hand linker Medienleute
Was Steinmeier kann, kann Kanzler Scholz auch. Seine Regierungssprecher sind durch die Bank Leute, die aus dem linken Medienumfeld stammen:
- Regierungssprecher Steffen Hebestreit (*1972) hat von 2002 bis 2013 Karrieren bei der Frankfurter Rundschau, beim Kölner Stadtanzeiger und bei der Berliner Zeitung hingelegt. Vorübergehend war er Angestellter der SPD, von 2014 bis Ende 2021 diente er dem damaligen Finanzminister Scholz als Pressesprecher.
- Die seit Januar 2022 stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann (*1967) war ab 2013 beim „Spiegel“.
- Der andere stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner (*1966) war beim „Spiegel“, bei der Madsack-Gruppe inklusive RND. (Größte Kommanditistin bei letzterer Gruppe ist mit 23,08 Prozent die SPD).
Mediale Schieflagen
Neben diesen Promis sind noch viel mehr „engagierte“ Medienschaffende mit einem für Hofschreiber typischen Opportunismus ständig bemüht, Beweise der Loyalität gegenüber den Regierenden zu liefern. Pardon: Loyalitäten gegenüber der „Demokratie“. Der Karriere kann das nicht schaden. Im Gegenteil! Überhaupt will ein beachtlicher Teil deutscher Journalisten nicht gegen die Regierenden opponieren oder einfach nur neutral berichten, sondern regierungstreuer Untertan sein und ebensolche erziehen.
Was die parteipolitische Affinität eines Großteils der Medien betrifft, hat sie sich in den vergangenen Jahrzehnten ohnehin vereinseitigt: Die Linken bzw. die 68er und ihre Epigonen beherrschen die Meinungsindustrie. Die Bürgerlich-Liberal-Konservativen haben nichts dagegengesetzt. Zur Erinnerung hier ein paar frühere Studien, die belegen, dass der Linkstrend immer noch mehr Fahrt aufgenommen hat.
- Der Medienwissenschaftler Norbert Bolz sieht die „Medienlinken“ 2010 in einer Parallelgesellschaft. „Ihre Lufthoheit über die Diskurse hat ein Paralleluniversum geschaffen, hat auch die Rhetorik der Politik so tiefgreifend verändert, dass sich eine nicht-linke Politik kaum mehr artikulieren kann.“ Viele sind – Bolz verwendet den Begriff von Martin Walser – „Meinungssoldaten“.
- Der Mainzer Medienwissenschaftler Hans Mathias Kepplinger stellt 2017 fest, dass mehr als 65 Prozent der Journalisten „Grüne“ oder SPD, lediglich 17 Prozent Union oder FDP wählen.
- Markus Vahlefeld berichtet 2017 in seinem Buch „Mal eben kurz die Welt retten“ von diversen Studien der Jahre 2005 und 2010 zur Frage der Parteienaffinität von Journalisten. Danach verorten sich bei der CDU/CSU rund 9 Prozent, bei der SPD zwischen 15,5 und 26 Prozent, bei der FDP 6,3 bis 7,4 Prozent und bei den Grünen 26,9 bis 35,5 Prozent.
- Die Verbandszeitschrift „Der Journalist“ hat im Herbst 2020 eine Umfrage in Auftrag gegeben, um herauszufinden, in welche Richtung der Nachwuchs (Volontäre) bei der ARD tendiert. Das Ergebnis: 57,1 Prozent für die Grünen, 23,4 für Die Linke, 11,7 für die SPD. Unter ferner liefen landen die Union bei 3 Prozent und die FDP bei 1,3 Prozent. Das sind 92 Prozent für Grün-Rot-Rot. „Haltungsjournalisten“ und „Woke“ wollen gerade Nachwuchsleute sein.
- Im Februar 2021 bestätigte der Kommunikationswissenschaftler Christian Hoffmann (Uni Leipzig) erneut den „Linksbias“ (die Linksneigung) der deutschen Journalisten. Als Gründe dafür sieht Hoffmann die Akademisierung des Journalistenberufes. Akademiker, vor allem Geistes- und Sozialwissenschaftler, seien grundsätzlich eher linksgestrickt und Konservative bei der Berufswahl eher materiell motiviert; Letztere würden insofern den Journalistenberuf meiden.
Zurück zu den Drehtüren
Fast alle öffentlich-rechtlichen Intendanten haben ein Parteibuch. Und die Drehtüren zwischen Politik und Medien drehten sich auch bei Merkel ungebremst:
- Ulrich Wilhelm (*1961) war Merkels Regierungssprecher von 2005 bis 2010, von 2011 bis 2021 war er Intendant des Bayerischen Rundfunks.
- Steffen Seibert (*1960) war ZDF-Moderator, von August 2010 bis 2021 war er Merkels Regierungssprecher. Im Juli 2022 wurde er Botschafter in Israel.
- Ulrike Demmer (*1973) arbeitete früher bei ZDF, Spiegel, Focus, RND, RBB, von Juni 2016 bis Ende 2021 war sie stellvertretende Regierungssprecherin bei Merkel. Seit September 2023 ist sie RBB-Intendantin und damit Nachfolgerin der skandalumwitterten Patricia Schlesinger.
Man will ja nichts unterstellen, aber manchmal kommt einem doch der Gedanke, dass – wenn es schon angeblich kein polit-missionarischer Eifer und auch kein Karriereeifer ist – manche Medienschaffende angesichts sinkender Auflagen- und Einschaltquote schnell noch das sinkende Schiff verlassen wollen. Oder zumindest auf eine Vollkasko-Rückkehrgarantie setzen.
Bei so viel Seilschaft wäre es höchste Eisenbahn, dass sich die Organisationen der Medienschaffenden nach Art eines hippokratischen Eides einen Compliance-Eid ausdächten, der zumindest ein wenig moralischen Druck ausübt und im Kern besagt: mit der Politik keine Kumpanei und keine Arbeitsverträge, zumindest kein Hin- und Herwandeln! Und die Politik sollte sich gar nicht erst dem Verdacht aussetzen, sie könnte mit dem Anheuern von Journalisten Abhängigkeiten schaffen, um damit ein gutes Bild in der Öffentlichkeit vermittelt zu bekommen. Das wäre ein Stück Rückkehr zu Gewaltenteilung.
Dass die Politik für ihre Öffentlichkeitsarbeit aus den eigenen Reihen keine qualifizierten Medienleute rekrutieren kann, ist freilich klar; sie schafft es ja nicht einmal, die Mehrzahl der Ministersessel mit qualifizierten Leuten zu besetzen.