Hart aber Fair ist aus der undefinierbaren Pause ohne Anlass zurück. Louis Klamroth ist, artig wie er ist, nicht braun gebrannt, was Louisa sicher sehr stolz macht. Allerdings sieht er ohnehin wie jemand aus, der im Urlaub durch den Thüringer Wald wandert und gar nicht braun werden kann. Wie auch immer, nun ist er wieder zurück im Studio, klimaneutral bleich, aber voller Elan und Tatendrang.
„Rechtsruck oder Kurs der Mitte: Soll Deutschland konservativer werden?“ war theoretisch der Titel der Sendung. Ich sage theoretisch, weil man diesem Thema nicht sonderlich viel Sendezeit gewidmet hat, kein Konzept, das man in Worte fassen könnte, nur ein Kreuzverhör der anwesenden Politiker, ob sie mit der AfD koalieren würden.
Im Studio sitzen zu dem Thema: Sahra Wagenknecht (BSW), Mario Voigt (CDU), Philipp Türmer (Jusos), der Journalist Robin Alexander, die Autorin Khola Maryam Hübsch und die Schauspielerin Enissa Amani. Der Juso-Vorsitzenden Türmer fiel nur durch sein beachtliches Maß an Arroganz auf.
Die Sendung begann nicht mit den Gästen im Studio sondern mit einem Einzelinterview, das Klamroth eine Woche zuvor mit Markus Söder in dessen Staatskanzlei aufgenommen hat. Der saß er in einem großen Saal mit Mooswand und großem goldenen Kreuz – ein schönes Sinnbild für den Versuch, sich bei den Grünen anzubiedern und gleichzeitig die konservative Stammwählerschaft nicht zu verlieren – und erklärt, wie weit der Islam zu Bayern gehört und macht Späße darüber, dass er sich mit Bayern gerne von Deutschland abspalten würde.
Zurück im Studio geht es weniger über die bayrische Unabhängigkeit und sehr viel mehr über Muslime, den Islam und ihre Zugehörigkeit zu Deutschland. Für dieses Thema ist Khola Maryam Hübsch da, die zwar ihr Kopftuch sogar noch um das Kinn gebunden hat, dafür aber Nagellack trägt – wo doch letzteres in muslimischen Kreisen eigentlich als haram angesehen wird.
„Kalifat und Sharia gehört nicht zu unserem Land“, sagt der Thüringer CDU-Mann Mario Voigt. Da holt Khola Maryam Hübsch bereits Luft, um den Zeitungen dieses Landes die Schlagzeilen für den nächsten Morgen zu liefern. Sie gehöre selbst einer Gemeinde an, die einen Kalifen hat, „ein spirituelles Oberhaupt“. Dieser setzte sich für die Trennung von Kirche und Staat ein und außerdem für die Verhinderung des Dritten Weltkriegs.
Der Islam beginnt gerade wie eine Scientology-Abspaltung zu klingen, da geht das Gespräch über zu der islamistischen Demo im Hamburg am Wochenende. Mehrere Männer haben dabei beispielsweise Plakate in der Hand gehabt, auf denen stand: „Kalifiat ist die Lösung“. „Begriffe wie Sharia und Kalifat, das sind politische Kampfbegriffe geworden. In der islamischen Welt sind das erst einmal ganz normale Terminologien.“, erklärt Hübsch. „Aber wir leben in Deutschland.“, antwortet Voigt.
Die Sharia sei lediglich eine islamische Ethik und Normenlehre, die dem Gläubigen auftrage, gut zu seinem Nachbar zu sein, zu beten und sich für das Gemeinwohl einzusetzen. Irgendwas mit gut zum Nachbarn sein, steht im Christentum auch drin.
„Aber wir trennen Staat und Religion in Deutschland.“, antwortet Voigt. Darauf antwortet Kala Maryam Hübsch, die Sharia selbst würde den Muslimen auftragen, sich an die Gesetze zu halten, die in den Ländern gelten, in denen sie leben. Dies sei großer „Konsens in der islamischen Welt“. Es sei Fantasie, dass die Sharia nicht mit einem Staat vereinbar wäre, so etwas würden nur ganz extremistische Islamisten glauben.
Daraufhin schaltete sich Sahra Wagenknecht ein und nahm Bezug auf die Studien, die kürzlich ergaben, dass ein Großteil (zwei Drittel) der befragten muslimischen Jugendlichen in Deutschland den Koran dem Grundgesetz vorziehen und ihn als übergeordnet ansehen.
Daraufhin argumentierte Hübsch: „Frau Wagenknecht, wen lieben Sie mehr, Ihre Mutter oder Angela Merkel, die Bundeskanzlerin?“ Eine absurde Argumentation. Nicht zuletzt, weil Angela Merkel nun wirklich schon so lange nicht mehr Bundeskanzlerin ist, dass man das jetzt nicht mehr unbedingt verwechseln muss.
Die immer wieder durch mal mehr oder weniger stark auffallende antisemitische Tendenzen in der Kritik stehende Schauspielerin/Entertainerin Enissa Amani beschwert sich derweil, man würde ja über Steuerhinterziehung und Milliardäre nicht genauso laut und wütend reden wie über die Islamisten in Hamburg – und das sei im Grunde das wahre Problem.
Sie quietscht sich in Rage, erzählt die nächsten Minuten, dass sie ja bei ihrer Einbürgerung einen Deutschtext vorlesen musste, wo sie doch im Deutsch-Leistungskurs auf dem Gymnasium war. Dass die deutschen Kinder damit davonkommen, schlechtes Englisch in ihre Umgangssprache aufzunehmen, während türkische Wörter als Gefährdung der deutschen Kultur gelten würden. Hübsch wirft dann auch noch ein, dass man den Kindern an der Schule doch, wenn sie schon Kant und so weiter lernen müssen, auch beibringen könnte, wie fasziniert und inspiriert die deutschen Dichter und Denker von der muslimischen Kultur gewesen wären.
Klamroth tut einem fast schon leid, wie er verzweifelt versucht, die Frauen möglichst sanft wieder zur Ruhe zu bekommen, während Enissa neue Themen aufwirft, die nur im entferntesten mit dem Thema der Sendung zu tun haben. Das Publikum klatscht mal wieder brav und Amani dreht sich stolz um – als hätte nicht das gleiche Publikum noch vor wenigen Minuten genauso eifrig bei dem Punkt ihres Gegners geklatscht.
Als es um Leitkultur geht, wird derweil wieder Hübsch wach. Man müsse die Menschen von Kultur überzeugen, da man sie einem nicht einfach aufzwingen kann wie das Grundgesetz. Und wie überzeugt man Muslime von der deutschen Kultur? Es ist kein Scherz: Indem Deutschland aufhört, Waffen an Israel zu liefern, weil da eine zum Teil rechtsextreme Regierung an der Macht ist. Na super. Und wenn dann nicht mehr Israel das Hauptthema ist, müssen wir unsere Zugezogenen dann als nächstes von unserer Kultur überzeugen, indem wir Homosexualität wieder verbieten oder Frauen die Führerscheine nehmen?
Während der Sendung führen Sahra Wagenknecht und Louis Klamroth dann parallel noch ihren ganz eigenen Privatkrieg. Klamroth stellt Fragen, um die Wagenknecht dann herumredet, Klamroth will sie auf die Frage zurück führen, Wagenknecht redet lauter, Klamroth redet lauter, Wagenknecht redet lauter, Klamroth dreht sich von ihr weg, spricht mit dem nächsten Gast, während Wagenknecht immer noch redet. Wobei er es mehr versucht, denn Klamroth ist in seinen Bestrafungen so konsequent wie ein Vater, der zu seinem Kind sagt, er würde bis drei zählen und dann für die nächsten Minuten bei Zwei-Einsechstel hängen bleibt.
Aber auch die beiden versöhnen sich und die Sendung kommt zum Ende. Wäre Klamroth nicht bekanntermaßen so ein Feigling, könnte man eigentlich sagen, dass sein Titel mutig war. Immerhin sind extremistische Islamisten definitiv konservativ. Doch Klamroth ist nun mal wie er ist. Und so war die Doppeldeutigkeit der Sendung wohl nur unfreiwillig.