Der Kölner Express war einst neben der Bild und der Münchener Abendzeitung eines der bekanntesten Boulevardmedien Deutschlands. Doch kaum eine andere Zeitung ist derart vom Zeitungssterben betroffen. In den vergangenen 25 Jahren hat der Express weit über 100.000 Exemplare an Auflage verloren. Laut dem Branchendienst IVW kommt der Titel insgesamt gerade mal noch auf 35.000 Exemplare. Längst erscheint das Blatt in einem Verbund mit der Kölnischen Rundschau und dem Kölner Stadtanzeiger.
Der Express hat also nicht mehr viel zu verlieren. Deswegen sind Verlag und Redaktion mutiger, wenn es darum geht, Neues auszuprobieren. Der vor vier Jahren neu installierte CEO der Mediengruppe, Thomas Schultz-Homberg, schreibt über sich selbst auf dem Karriere-Netzwerk LinkedIn: „… treibe ich die Transformation des Unternehmens zur digitalen Organisation voran“.
Indernachs Ausstoß ist erstaunlich: Seit dem Sommer 2023 hat sie laut Schultz-Homberg rund 1.500 Artikel geschrieben. Also im Schnitt etwa fünf pro Tag. Ohne Wochenende, Feiertage, Krankheit oder Urlaub. Rund zwölf Prozent des „Traffics“ geht demnach auf einen Beitrag Indernachs zurück. Also etwa jeder achte Artikel des Express, der einen Leser findet, stammt nicht von einem humanen Autoren, sondern von einem digitalen Programm.
Der Express geht offensiv und transparent mit Klara Indernach um. CEO und Redaktion haben das Projekt mehrfach öffentlich vorgestellt. Jeder ihrer Artikel ist ausdrücklich als Beitrag einer Künstlichen Intelligenz gekennzeichnet. Das ist auch nötig. Denn den Unterschied zwischen den Beiträgen Indernachs oder den meisten ihrer menschlichen Kollegen würde kaum ein Leser bemerken.
Indernach schreibt Beiträge mit Schlagzeilen wie: „Für Touris kommt’s jetzt knüppeldick – neue Steuer und verschärfte Regeln.“ In dem Beitrag wertet die Künstliche Intelligenz Informationen der Seite Griechennews.com aus. Für den Beitrag: „TV-Koch Roland Trettl verkündet überraschende Neuigkeit“ hat die KI die Vox-Sendung „First Dates“ ausgewertet. Das tut sie in Sätzen wie: „Das Geheimnis um Trettls neue Liebe wurde unerwartet gelüftet als ein Gast der Show, ein Kölner Rentner namens Harry, Trettl unvermittelt vor der Kamera fragte: ,Und biste verliebt?‘.“
Während der Pandemie veranstalteten manche Medien ein Trommelfeuer aus Meldungen wie: „Karl Lauterbach warnt …“, „Markus Söder fordert …“, „Karl Lauterbach sieht Gefahr …“ „Markus Söder schätzt …“ oder „Karl Lauterbach erwartet …“. Mit diesem Trommelfeuer hielten diese Medien die Panik und die Angst am Leben, die notwendig waren, um die heute kaum noch nachvollziehbare Akzeptanz für die Pandemie-Politik zu sichern.
Mit ihrem Trommelfeuer an Panikmeldungen über Lauterbach, Söder und andere Mitglieder des Panikorchesters stellten sich Haltungs-Journalisten in den Dienst der Regierung. Manche Medien veröffentlichten seinerzeit drei oder vier Lauterbach-Meldungen pro Tag. Die journalistische Aufgabe, nachzufragen und zu sortieren, vernachlässigten sie indes sträflich. Dafür verbreiteten sie unermüdlich die Botschaften von Lobbyisten und Regierungsvertretern.
Danken werden es die Verlage diesen Journalisten nicht. Wer einfach nur unkritisch Informationen verbreitet, der kann heute schon nicht mehr mit Klara Indernach mithalten: fünf Artikel pro Tag, ohne Pausen, gut geklickt. Die Verlage beteuern zwar, am humanen Journalisten festhalten zu wollen. So wie Express-CEO Schultz-Homberg: „Wir glauben an die Wichtigkeit von menschengemachten Journalismus.“ Die KI solle den Redakteuren die unwichtige Arbeit wegräumen, damit sie mehr Zeit hätten für die wesentlichen Themen. Doch die nächsten Entlassungswellen im Journalismus dürften nur eine Frage der Zeit sein. Denn die Frage lautet nicht, ob Klara Indernach die „Lauterbach warnt …“-Meldemaschinen ersetzen kann – sondern wie lange Verleger noch brauchen, um ihre Klara Indernach zu programmieren.