Jede Planungsabteilung in Unternehmen bzw. Organisationen kennt den Spruch: „Ein Satz mit X, war wohl nix“. Spätestens seit März 2024 macht diese Erkenntnis wohl auch im Berlaymont-Gebäude in Brüssel, Hauptsitz der EU-Kommission, seine Runden. Denn da drang ein geleaktes Dokument an die Öffentlichkeit, erstellt von Beamten der renommierten, der Kommission unterstellten DG GROW (Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU). Nur die kleine österreichische Kronen Zeitung griff den Inhalt auf und brachte ihn an die Öffentlichkeit („Verbrenner-Aus 2035: Wieso es sich nicht ausgeht“
Und das Papier hat es in sich. Es zeigt fundiert und seriös auf, warum das Verbrenner-Verbot ab 2035 so nicht funktionieren kann, wie es sich die Kommission im Herbst 2023, indoktriniert damals vor allem von EU-Kommissar Frans Timmermanns – inzwischen nicht mehr im Dienst – für 2035 ausgedacht hat. Ursprünglich hatte die EU-Kommission nach einer sehr knappen Abstimmung mit den zuständigen Verkehrsministern geplant, ab 2035 keine neuen Fahrzeuge mit Verbrenner-Motor mehr zuzulassen und zu 100 Prozent auf E-Autos (E-only) zu setzen. Es ist ein Treppenwitz der Geschichte: Jetzt sind ausgerechnet die E-Autos selber daran schuld, dass das nichts wird.
Kurz gesagt: Die Masse der Autokunden will sie nicht, nur beati habendi können sie sich leisten und brauchen auch kein zweites Elektroauto, einzelne Märkte sind bereits gesättigt wie beim Elektromobilitäts-Vorreiter Norwegen (Neuzulassungen 2023: 104.587 BEV, entspricht minus 24,4 Prozent gegenüber 2022), und als größtes Übel drohen chinesische Autohersteller, mit billigen E-Autos die heimische Autoindustrie platt zu machen. Folge: Mit dem Verbrenner-Aus droht auch das Aus für die heimische Autoindustrie in Europa selber. – Endlich ist die Erkenntnis da.
Ursprünglich hatte die EU geplant, ab 2035 keine neuen Fahrzeuge mit Verbrenner-Motor mehr zuzulassen und zu 100 Prozent auf E-Autos zu setzen. Jetzt die Kehrtwende, die Kommission wird ihre Pläne bereits 2026 gehörig überdenken. Von der Leyen ruderte bereits zurück und kündigte eine Überprüfung des Verbrenner-Aus für 2026 an (Kronen Zeitung vom 5. März 2024 „Von der Leyens Umfaller: Verbrenner-Aus vor Ende“). Die EU-interne Studie zeigt klar auf, dass das Verbrennerverbot 2035 faktisch nicht funktionieren kann und vor allem die eigene europäische Autoindustrie in Existenznot bringen wird. Im Ergebnis müsste das zur Aufhebung des für 2035 geplanten Verbrennerverbots führen.
Die wichtigsten Punkte des EU-Papiers:
- Die Absätze von Batterie-E-Autos steigen zwar noch in der EU, allerdings müssten sie das 7-mal so schnell tun, um die Ziele zu erreichen. – Das wären +259 Prozent p.a., denn 2023 wuchs der BEV-Markt um 37 Prozent.
Ergänzung:
Der EU-Automobilmarkt nahm insgesamt 2023 um 13,9 Prozent im Vergleich zu 2022 zu und erreichte ein Gesamtvolumen von 10,5 Millionen Einheiten. Dabei wurden laut Branchenverband ACEA in der EU 1.538.621 Batterie-elektrische Autos (BEV) zugelassen, +37 Prozent gegenüber 2022 (Deutschland: 524.219; +11 vH). Hinzukommen 813.480 neu zugelassene Plug-in-Hybride (PHEV).
Der BEV-Anteil am Neuwagenmarkt lag auf EU-Ebene 2023 bei 14,6 Prozent – hinter Benzinern (35,3 Prozent) und Hybriden (25,8 Prozent), aber vor Diesel-Pkw (13,6 Prozent).
Splittet man die Hybride auf und rechnet die Plug-in-Hybride heraus, ergeben sich für PHEVs 7,7 Prozent und für Hybride ohne externe Auflademöglichkeit 17,1 Prozent.
Das erfolgreichste Modell in Europa über alle Antriebsarten hinweg war laut Dataforce 2023 das Tesla Model Y mit 254.822 verkauften Einheiten, vor den Verbrenner-Modellen Dacia Sandero (235.893) und VW T-Roc (206.438).
Der EU Pkw-Gesamtbestand lag 2022 bei 252,2 Millionen. Der Bestand an reinen Elektroautos (BEV), die nach dem Willen der Kommission ab 2035 nur ausschließlich noch zugelassen sind, lag bei lediglich ca. 5 Millionen (Marktanteil: 2 vH).
Die 15 Millionen E-Autos, die von der Bundesregierung für 2030 abgestrebt werden, sind reine Utopie, Anfang 2024 waren es 1,5 Millionen.
- Chinesische Autobauer, die die EU mit Billig-Autos nahezu überfluten, legten in nur zwei Jahren ein Wachstum von 1 auf 20 Prozent hin (!). Das heißt, jedes fünfte E-Auto kommt mittlerweile aus China.
Ergänzung: Die wichtigsten China Player sind dabei, eigene Giga-Transportschiff-Flotten für E-Auto-Exporte nach Europa auf Kiel zu legen. Zusätzlich in Planung sind eigene Werke in Europa (Ungarn, Spanien, Polen, Italien).
- Jedes dritte E-Auto unter 30.000 Euro kommt aus China (Stichwort: Bezahlbarkeit für EU-Bürger).
Ergänzung: Daran wird sich bei der herrschenden Lithium-Ionen-Batterietechnik nichts ändern, da die Kosten der Batterie bereits rund ein Drittel des Autopreises ausmachen und nur China über die billigen Rohstoffe nebst Technologie verfügt (siehe: „VW fehlt ein billiges E-Auto – können Kooperationen helfen?“ | Automobilwoche.de).
- Die Infrastruktur der Ladestationen wächst, allerdings sind 61 Prozent davon auf nur drei EU-Staaten (Deutschland, Frankreich, Niederlande) verteilt.
- Um die E-Ziele zu erreichen, rechnet die Kommission mit zusätzlich 700.000 notwendigen Arbeitsplätzen in der E-Branche, die Autoindustrie stagniert aber. Gleichzeitig fallen ungefähr so viele Jobs in der Verbrenner-Branche weg, vor allem bei den Zulieferfirmen.
- Der Ausbau von Akku-Fabriken und Batterietechnologie geschieht zwar, allerdings viel zu langsam. China wird auch diesen essenziellen Part vollends dominieren, warnt die Kommission.
Das interne Kommissionspapier zeigt Wirkung. Mittlerweile musste die Kommission anerkennen, dass E-Autos nicht mehr als klimaneutral einzustufen sind, da Produktion und Infrastruktur in die CO₂-Bilanz mit einzurechnen sind. Thomas Koch (KIT Karlsruhe), Motor-Papst Fritz Indra (TU Wien) sowie der VDI (VDI-Studie: Wie ökologisch sind Antriebssysteme von Kraftfahrzeugen? (ingenieur.de) haben dies bereits seit langem vorgerechnet und gebetsmühlenartig wissenschaftlich nachgewiesen.
Selbst von der Leyens eigener Chef der Europäischen Volkspartei EVP, Manfred Weber, äußerte sich mit drastischen Worten klar gegen das Aus, die CDU/CSU geht damit in den EU-Wahlkampf. Brisant: Kommissionspräsidentin von der Leyen musste dem zustimmen. Wohl mit aus diesem Grund hat die EVP inzwischen das Verbrenner-Aus aus ihrem Wahlprogramm-Entwurf, wo die Forderung noch deutlich enthalten war, mittlerweile gesichtswahrend abgeschwächt. Die neue Devise lautet jetzt: Offenheit für alle Technologien.
Nach Lage der Dinge soll das Verbrenner-Verbot zwar 2026 nur „evaluiert“ werden. Doch mit der immer breiter werdenden Front auch bei den Sozialisten und den Liberalen wird es dann Geschichte sein. Hintergrund ist die schwächelnde europäische Autoindustrie und die aggressiv nach Europa drängende chinesische Autobranche, auf die die EU bis auf unrealistische Androhung von Strafzöllen keine Antwort hat.
Eine Antwort ist, der europäischen Autoindustrie das weiter zu erlauben, was sie seit hundert Jahren am besten kann, nämlich Verbrennerautos zu bauen. Allerdings wird es dafür höchste Zeit: Schon hat der erste chinesische Wettbewerber Chery angekündigt, in seinem neuen Werk in Spanien (Barcelona) neben E-Autos auch Verbrennerautos zu bauen, mit denen das Unternehmen heute Russland beliefert.
Nur muss die Kommission dafür sorgen, dass klimaneutrale Treibstoffe für weiter optimierte Verbrennungsmotoren zur Verfügung stehen. Für die riesige globale Pkw-Bestandflotte (1,6 Milliarden Pkw) hüben wie drüben des Atlantiks und des Pazifiks wäre das das beste Klimaschutzprogramm für den Verkehr. Und besser als alle weiteren Ausbauanstrengungen zum Ausbau der Elektromobiliät. Bereits die Dakota-Indianer besaßen die Weisheit: Wenn Du entdeckst, Du reitest ein totes Pferd, steig ab!