„Trump macht ernst, wie warm müssen wir uns anziehen?“, fragte Frank Plasberg zuletzt. Zuvor war ihm noch der Wolf durchgegangen („Mensch raus, Wolf rein – wie viel Naturschutz verträgt unser Land?“): Passend als Auftakt für zwei Trump-Sendungen?
Die Rotrotgrünkäppchen-Fraktion ist dieses Mal gleich mit drei Professoren angetreten. Ob man nun der Märchenstunde den Garaus machen oder ein paar neue auftischen will, soll in den nächsten 75 Minuten geklärt werden. Und dieses Mal soll in der Sendung unter der Leitung des Wermelskirchener Stieres (Plasberg: *18.Mai) alles ganz anders sein:
„Trump und wir – Experten beantworten Zuschauerfragen“ heißt es.
Dort also, wo sich sonst diese sympathische „Im Hauptberuf bin ich Mutter“-Birgit Büscher in einer verspäteten Halbzeit mit dem Feedback der sozialen Medien beschäftigt, wird diese Büscher-Verschnaufpause nun also auf Sendungslänge gedehnt.
Nur ein Kaugummieffekt? Oder werden es die Antworten, die Erfahrungsberichte und Erklärungsversuche der eingeladenen Experten richten können?
Eingeladen wurde Ina Ruck, Leiterin des Studios Washington der ARD. Zuletzt retweetete sie via Twitter: „ Damn. Trump is everywhere“ und dazu ein Foto eines Herrn Siddharth, der in seinem Badezimmer unter einem Frotteehandtuch in feministischem Lila Donald Trump entdeckt und gleich für die Welt und für Ina Ruck fotografiert hatte.
Zu Ruck und Hardt kommen noch Fratzscher, Bandelow und Hacke. Jeder Schenkel dieser professoralen Peter-Paul-and-Mary-Triangel soll in seinem Fachgebiet antworten. Marcel Fratzscher ist Fachmann für Finanzmarktverbindungen und Geldpolitik. Borwin Bandelow – toller Name! – ist der deutsche Experte für Angststörungen. Und Christian Hacke, der ostpreußische Haudegen, ist Fachmann für den so genannten politischen Realismus, einer Denkschule innerhalb der internationalen Beziehungen, die sich mit dem Charakter und der Verteilung der Macht im internationalen System auseinandersetzt. Ach herrje.
Über allen und allem schwebt nun aber seit Samstag dieses brachiale Spiegel-Splatter-Comic-Cover küstlerisch im – hüstl – Stil der Neuen Sachlichkeit. Dieser Kunstform zwischen gesellschaftlicher Stabilität und Melancholie. Die TAZ nennt es eine „Schocker“ und für DIE WELT symbolisiert es einen „hyperventilierenden Anti-Trump-Journalismus“.
„Was hat der denn jetzt wieder gemacht? Mittlerweile bekommen es auch die Tiefenentspannten mit der Angst zu tun.“, eröffnet Frank Plasberg lächelnd. Man bräuchte nicht einmal mehr den Namen nennen, meint der Moderator. Dann, wenn es um Donald Trump geht.
Frage eins kommt von einer Renate Heim aus Wesseling bei Köln via Facebook, Wie oder warum sie ausgewäht wurde, bleibt im Dunkel. Typ Lehrerin, schulterlange dunkle Haare, auffälliges Brillengestell, mehr erfährt man zunächst nicht über die Nordrhein-Westfälin. Und ihre Frage ist noch nicht einmal eine:
„Er scheint ein Querkopf zu sein. (…) Er ist nicht unbedingt ein Sympathieträger. Er scheint mehr Feinde als Freunde zu haben. Er bringt die Welt in Aufruhr. Und: Er hält seine Wahlversprechen. (…)“
Und dann kommt überraschend noch ein Video-Einspieler aus dem Wohnzimmer der Kommentatorin auf ihrem Korbgeflechtsofa sitzend. Im Hintergrund ein einfaches Tryptichon im Spiegel-Cover-Stil, nur ohne Blut, lediglich mit drei Goldfischen auf weißer Landwand. Christliche Symbolik? Egal, jedenfalls scheint sie Trump zu mögen, spricht lächelnd von der absoluten Authentizität des New Yorkers. Und dann kommt doch noch eine Frage an die Experten: „Was ist eigentlich so schlimm daran, wenn einer nach der Wahl hält, was er vor der Wahl versprochen hat?
Die Idee mit dem Hausbesuch ist nicht schlecht. Ein erster Überraschungseffekt. Was bei Frau Künast funktionierte, als sie unter dem Schutz des SPIEGEL in die ehemalige Ostzone fuhr, um ihre Lieblings-Facebooker mal live zu besuchen, funktioniert auch hier.
Also ihr Experten, was meint Ihr? Hardt zweifelt daran, ob Trump wirklich seine Versprechen hält, ob wirklich eine Mauer gebaut wird, ob diese wirklich von den Mexikanern gebaut wird. Gut, das fängt natürlich zynisch an, denn wäre es andersherum, darf man bezweifeln, dass der CDU Politiker dann in Begeisterung ausbrechen würde. Für Hardt ist Trump ein Aus-dem-Bauch-raus-Politiker. Die Welt wäre dafür aber zu kompliziert.
Bestellt, geliefert? Ina Ruck staunt über das Tempo, dass der Präsident vorlegt „Man wacht morgens auf und schaut erstmal: Was hat er getwittert? Welches Dekret hat er heute wieder unterschrieben? Das macht uns viel Arbeit.“ Er sei aber mittlerweile bei der Weisheit angelangt, dass es so schnell doch nicht geht.
Nun gut, das Hart-aber-Fair-Warm-up fing harmlos an. Also führt Plasberg den Begriff „Angst“ ein. Eine Angst, eine Furcht, die wohl viele Kommentare prägt. Ina Ruck war zuvor Korrespondentin in Russland, sie erlebe zur Zeit in Washington ein Déjà-vu nach dem anderen wie beispielsweise die Beschimpfung der Presse durch Trump („Einen Haufen Müll“).
Die interessantere Frage kommt von Frau Ruck selbst, bleibt aber unbeantwortet: „Hat das Kabinett (von Trump) eigentlich die Macht oder dieser dubiose Kreis von Beratern?“ Und da offenbart sich dann eigentlich schon der Stachel der Sendung: Will man schulmeisterlich und folgsam den Einschaltquoten gegenüber die durchgelutschten Fragen der sozialen Medien beantworten oder doch besser solche aufwerfen, die überraschend sind, die von Experten aufgeworfen und dann diskutiert werden?
„Der Angstforscher hat Angst. Es gibt jeden Tag einen Anlass zur Besorgnis.“, eröffnet der Angstforscher mit dem wohlklingenden Namen ängstlich. Trumps „I do, what I say“ müsse man erst einmal verdauen, erklärt uns Prof. Borwin Bandelow. Was das freilich über den Politikbetrieb insgesamt aussagt, wäre ja Thema der Frage der netten Frau mit den goldenen Goldfischen gewesen, ist aber schon wieder vergessen.
Der Ostpreuße ist dran. Der trägt zwar eine schockierende Donald-Trump-Krawatte mit Paisley-Muster, macht das aber wett mit geiler tiefer Stimme. Da muss man den Tonregler der Fernbedienung im Bassbereich runterregeln, wenn’s bei Christian Hacke nicht scheppern soll, weil der Aluminiumhundenapf zu nah am Lautsprecher steht. „Trump ist wie ein Geschäftsmann, der erst einmal pusht. Bulling arround!“, beruhigt er. „Er teste das System aus.“ Die Schlüsselfrage für ihn (wieder kommt die bessere Frage aus der Runde selbst):
„Ist er ein Mann, der das System so austestet, das es seinen demokratischen Charakter bewahrt oder sogar gestärkt wird, oder überschreitet er diese Linie?“ Der Mann sei nicht wirr, da stecke Kalkül dahinter. „Die Frage (noch eine also) sei nur, ob dieses Kalkül aufgeht.“
Marcel Fratzschers scharf geschnittene Oberlippe: hält sie, was sie verspricht? „Donald Trump versucht die Menschen mitzunehmen, die abgehängt wurden, die sich sozial zurückgelassen fühlen. Nur mit Protektionismus wird er das nicht erreichen können.“
Nach 17 Minuten die zweite Frage, wenn’s in dem Tempo weitergeht, schafft Plasberg in 75 Minuten … fünf, maximal sechs Fragen. Ein Doppelstaatsbürgerpaar (deutsch/iranisch) in froher Erwartung (sie streichelt kurz für die Kamera Ihren wunderschön prallen Bauch unter dem Pullover – da tut wenigstens jemand was für den Bevölkerungsrückgang in Deutschland) mit einer iranischen Greencard-Mutter in den USA. Problem ist also die Einreise der Mutter zur Niederkunft. Frage an die Runde: „Wer kann uns garantieren, das die Lockerungen bleiben und die Leute mit Greencard wieder einreisen dürfen?“
Prof. Hacke geht davon aus, dass die Lockerungen Bestand haben. Nun gut. Prophet ist in der Runde keiner. Seinen Senf dazugeben könnte allerdings jeder. „Und damit sind wir wieder bei dieser Unsicherheit, dass man nicht weiß, was passiert.“, ergänzt Plasberg. Ach … Und als Zuschauer überlegt man dann kurz, was denn nun das iranisch-deutsche Pärchen zu dieser unerschöpfenden Antwort sagt. Aber die Kameras sind ja schon wieder weg aus Frankfurt, da, wo die beiden zu Hause sind.
Man orakelt, man mutmaßt, man hat irgendeine Idee. Streit kann hier kaum aufkommen, denn worüber streiten, wenn immer auch das Gegenteil möglich sein könnte. Und harter aber fairer Streit ist ja nun mal das Gewürz dieser Sendung. Nach 25 Minuten kristallisiert es sich bereits heraus: So Experten-Plauderstündchen mit Volkseinspieler dürfte eine einmalige Vorführung sein. Der Kernerfolg von Hart Aber Fair basiert nicht auf einem Frage-und-Antwort-Spiel, sondern auf offen ausgetragenen unterschiedlichen Weltsichten und einem sympathischen Moderator mit Restfairness im direkten Vergleich mit seinen Mitbewerberinnen.
Plasberg wird gemütlich. Vielleicht sehnte er sich nach den wöchentlichen Streitereien sogar mal nach so einer netten Runde. „Wenn Sie im Flieger nach Hause sitzen, was denken sie da?“ Ja, was denken die da? Warum nicht gleich fragen, was es zu essen gab im Flieger, welcher Film lief, ob man sich wieder auf’s deutsche Schwarzbrot freut und ob es unterwegs Turbulenzen gab?
Nächste Frage. Ein Unternehmer der Angst hat vor den Strafzöllen. Er stellt Ventilatoren her. Bei Plasberg braucht es die im Moment allerdings nicht. Heiß her ging es hier ein anders Mal. Heute nicht. Angst? Ja, muss er haben, sagt der Experte. Welcher ist schon egal. Hätte aber wahrscheinlich auch jeder x-beliebige Zuschauer so beantworten können – zumindest in der Kurzform. Und dann passiert, was bisher noch nie passiert ist: Der Autor hier ist vor dem Fernseher eingeschlafen auch ganz ohne Alkohol. Und das schon nach 25 Plasberg-Minuten.
Ob also noch was Aufregendes passiert ist, müssen sie nun leider der Mediathek entnehmen. Und wir versprechen: Wenn’s wider Erwarten zu einem weiteren Frage-und-Antworten-Spiel bei Plasberg kommen sollte, dann brühen wir vorher eine Kanne Espresso auf. Entschuldigen Sie bitte.