Tichys Einblick
Robert im Glück

Wie ein Gutachten Habecks Energie-Illusionen entzaubert

Der Wirtschaftsminister hat die Energiekrise für beendet erklärt. Die Versorgung sei sicher. Das stimmt genauso wenig wie Habecks Ankündigung, dass Strom bis 2030 billiger wird. Eine Studie der Wirtschaftsweisen Grimm weist nun nach, dass es mit den niedrigen Strompreisen nichts werden wird, nicht einmal bis 2040.

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Wieder einmal hat ein nüchternes Gutachten Habecks Energiephantasien im grellen Licht der Wirklichkeit bloßgestellt. Kann man jemanden Kinderbuchautor oder Märchenerzähler nennen, wenn er sich selbst für den Helden seines eigenen Märchens hält und sich wie eine Märchenfigur bewegt, wie der allseits bekannte Hans im Glück? Würde es sich bei Robert um eine Privatperson handeln, so würde das allenfalls für Familienmitglieder interessant, wenn er den Familienbesitz gegen Tand eintauscht, bis er selbst und die Familie nichts mehr besitzen.

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Da es sich aber hier um einen Bundesminister handelt, um Robert Habeck, der sich gern Vizekanzler nennen lässt, mit besonderer Freude, wenn der Präfix „Vize“ vernuschelt wird, dann wird aus der privaten Marotte das seriöse Problem des ganzen Landes. Besonders dann, wenn insbesondere die öffentlich-rechtlichen Medien, aber auch andere Giganten grüner Gesinnung nicht die Rolle des Kindes, sondern die der Hofschranzen in einem anderen Märchen, nämlich in „Des Kaisers neue Kleider“ des genialen Hans Christian Andersen einnehmen. Mag der „Kaiser“ auch intellektuell nackt sein, seine Konten dürften es dank des Steuerzahlers nicht sein, im Gegensatz zu den Konten vieler Steuerzahler aufgrund auch der Politik des märchenvernarrten Ministers.

So hat Robert Habeck vor kurzem vollmundig die Energiekrise für beendet erklärt. „Diese Krise haben wir abgearbeitet“, sagte Habeck beim Berlin Energy Transition Dialogue. „Die Energieversorgung ist in jeder Hinsicht sicher.“ Die Preise befänden sich wieder auf dem Niveau vor dem Angriff auf die Ukraine. Er hätte genauso gut ein Besserplanungsregengesetz erlassen können, in dem er vorschreibt, dass es in Deutschland künftig nur noch am Montag, am Mittwoch und am Sonnabend, jeweils von 14 bis 16.30 Uhr regnet. Die exakte Niederschlagsmenge regelte dann eine Durchführungsbestimmung, die in Zusammenarbeit mit Lemkes Umweltministerium, dass Wahrheiten gern Mythen nennt, erarbeitet wird.

An Habecks Aussage stimmt nichts. Weder ist die Energieversorgung in jeder Hinsicht sicher noch ist die Krise beendet. Zwar stieg die Stromerzeugung aus sogenannten erneuerbaren Energieträgern um 6,7 Prozent und sank die Stromerzeugung aus konventionellen Energien um 27,8 Prozent. Wurden 2022 noch 274,2 TWh aus konventionellen Energieträgern ins Stromnetz eingespeist, so waren es 2023 nur noch 197,9, darunter stammten aus der Kohleverstromung 2022 169,5 TWh und 2023 nur noch 117,4. Doch die Zahlen offenbaren das, was man einen Pyrrhus-Sieg nennt, denn die Netzeinspeisung betrug 2022 insgesamt noch 510,2 TWh, aber im Jahr 2023 nur noch 449,8 TWh.

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Das heißt, die Energiekrise konnte nur durch eine Wirtschaftskrise, genauer durch Deindustrialisierung und durch erhöhte Stromimporte „abgearbeitet“ werden. Selbst die Agora Energiewende kommt nicht umhin festzustellen: „Die Emissionsminderung ist überwiegend kein klimapolitischer Erfolg. Zwar geht der Ausbau Erneuerbarer Energien besser voran. Doch Hauptgrund für die Emissionsminderungen ist die geringere Industrieproduktion in Folge der fossilen Energiekrise kombiniert mit einer verbesserten Lage am europäischen Strommarkt.“

Die Aufgabe von Produktion und die Abwanderung von Industrie ins Ausland wird sich noch verstärken, denn der deutsche Industriestrom ist international nicht wettbewerbsfähig, schon gar nicht in den energieintensiven Wirtschaftszweigen. Kostet die Kilowattstunde im Fahrzeugbau in Deutschland im Durchschnitt 19 Cent, so liegt sie in den USA bei 6,9 und in China bei 8,9 Cent. In der Zementindustrie belaufen sich die durchschnittlichen Kosten für die Kilowattstunde auf 12,4 Cent in Deutschland, auf 5,7 Cent in den USA und auf 8,3 Cent in China. In der Stahlindustrie sieht es ähnlich aus, denn in Deutschland kostet im Durchschnitt die Kilowattstunde Strom in der Stahlindustrie 7,9 Cent, in den USA 5,7 Cent und in China 4,1 Cent. Hinzu kommt, dass die deutsche Stahlindustrie in Fragen der Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit mit der US-amerikanischen aus einer Reihe von Gründen nicht mithalten kann.

So verwundert es kaum, dass ThyssenKrupp seine Stahlsparte straffen will, indem Produktion gedrosselt und Personal abgebaut wird. Selbst herkömmlich hergestellter Stahl ist nicht konkurrenzfähig genug, die Nachfrage ist jedenfalls eingebrochen. Dass ThyssenKrupp eine Förderung, finanziert vom deutschen Steuerzahler, von 2,1 Milliarden Euro bekommt, zeigt die ganze Absurdität sowie Welt- und Wirtschaftsfremdheit der Habeck’schen Wirtschaftspolitik, denn die Herstellungskosten für grünen Stahl, den ThyssenKrupp für die 2,1 Milliarden Euro Subventionen produzieren soll, sind weitaus höher und damit noch weniger weltmarktfähig als die des herkömmlich produzierten Stahls.

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Mit langem Gesicht kommentiert deshalb die grüne Wirtschaftsministerin NRWs, Mona Neubaur, die Pläne von ThyssenKrupp: „Die Ankündigung der unternehmerischen Entscheidung Thyssen-Krupps, in Duisburg Überkapazitäten und damit wohl Arbeitsplätze abzubauen, ist eine enttäuschende Nachricht – für den Stahlstandort Deutschland und Nordrhein-Westfalen, in erster Linie aber für die vielen Beschäftigten.“ Aber im Duktus ihres träumenden Parteifreundes Robert Habeck fährt sie so tapfer wie unkundig fort, dass ThyssenKrupp die klimaneutrale Transformation konsequent vorantreiben müsse, um sich auf dem Weltmarkt zukunftsfähig aufzustellen. Laut Neubaur soll also um ein Vielfaches teurer produzierter Stahl ThyssenKrupps Situation auf dem Weltmarkt verbessern?

Wie leichtfertig Robert Habeck, der einmal sagte, es sei ja nur Geld, mit Steuergeldern umgeht, belegt die Förderung zur Produktion von grünem Stahl, denn noch niemand auf der Welt produziert grünen Stahl und niemand wird grünen Stahl produzieren, weil die Herstellungskosten zu hoch sind. Zudem weiß Robert Habeck nicht, woher die Mengen an Wasserstoff zur Produktion von grünem Stahl kommen sollen, die benötigt werden. Das Bundeswirtschaftsministerium verweigert TE, einen Blick auf den Förderantrag von ThyssenKrupp und auch auf den Förderbescheid zu werfen, obwohl es sich hierbei um öffentliche Gelder handelt, bei deren Vergabe Transparenz Pflicht ist. TE möchte wissen, wie hoch der Eigenanteil von ThyssenKrupp ist und wofür die Fördergelder eigentlich bestimmt sind.

Allein für die Anlagen oder auch für die Zuleitung von Wasserstoff oder auch als Kompensation für die Differenz zwischen Herstellungskosten und Weltmarktpreisen, weil die Herstellungskosten die Weltmarktpreise übersteigen. Sollte in der Förderung diese Kompensation einkalkuliert worden sein, dann interessiert uns zu erfahren, für wie lange und von welchen Preisen ausgegangen wird. Denn auch hier ist Skepsis angesagt. So hatte Robert Habeck im vorigen Jahr das große Märchenbuch aufgeschlagen und daraus die Geschichte vom Industriestrompreis vorgelesen. Mit leuchtenden Augen verkündete er, dass schon im Jahr 2030 die Stromkosten gefallen sein werden. Um der Industrie von den heute hohen zu den ab 2030 niedrigen Stromkosten den Weg zu bahnen, „schlagen wir eine Brücke vor, die dann in eine Zukunft mit niedrigen erneuerbaren Strompreisen und ohne Subventionen führt“.

Das Schönrechnen
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Doch eine Studie der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm weist nun nach, dass es mit den niedrigen Strompreisen bis 2030 nichts werden wird, nicht einmal bis 2040. Der Grund für Habecks falsche Annahme liegt an Habecks falscher Berechnungsgröße. Er legt seiner Prognose die von der Klima- und Windlobby gern benutzten Gestehungskosten zu Grunde. Die Gestehungskosten errechnen sich aus den Kosten für den Bau und den Betrieb eines Kraftwerkes im Verhältnis zur Stromerzeugungsmenge über seine gesamte Betriebsdauer. Doch die Gestehungskosten sagen gar nichts darüber aus, was der Strom den Verbraucher, ob privat oder Industrie oder Gewerbe kostet, denn der Strom aus den sogenannten erneuerbaren Energien wird teuer, weil sie erstens gewaltige Summen für den Netzausbau aufgrund der geringen Energiedichte verschlingen. Nicht ein Kraftwerk produziert wie bei Kohle, Gas oder Kernenergie, sondern die Leitungen müssen bis zum letzten kleinen Windrad und der letzten Photovoltaik-Anlage hinter den sieben Bergen gelegt werden, um den Strom einzusammeln.

Außerdem, und da kann Robert Habeck Windrad auf Windrad setzen, Strom aus sogenannten erneuerbaren Energien ist nicht konstant da und nicht steuerbar wie die Stromproduktion von Kern, Gas- oder Kohlekraftwerken. Die Natur schickt zwar keine Rechnung, wie die Grünen in der ihnen eigenen Infantilität immer behaupten, aber die Natur ist nicht zuverlässig und nicht berechenbar. Wenn der Wind nicht bläst oder zu sehr stürmt, wenn die Sonne nicht scheint oder sie wie vor kurzem hinter einem Schleier aus Sahara-Staub verschwindet, müssen Backup-Kraftwerke, also Gas-, Kern- oder Kohlekraftwerke hochgefahren werden, die dann anstelle der Natur eine Rechnung stellen, denn es gehört zur Natur der Natur, dass die Sonne nicht immer scheint und der Wind nicht immer bläst.

Deshalb hat Grimm recht, wenn sie anmahnt: „Die Investitionskosten dieser Anlagen und ihres Betriebs müssen in die Berechnung der Kosten zur Befriedigung der Nachfrage eingehen“, denn ökonomisch sinnvoll sind eben nicht die Gestehungskosten, sondern die wirklichen Kosten, die beim Verbraucher ankommen. Veronika Grimm und ihre Kollegen kommen zu dem knallharten Schluss:

„Die Stromkosten dürften also nicht – wie erhofft – mit dem Ausbau der EE deutlich sinken. Die substanziellen Kosten, die durch die Deckung der Versorgungslücken entstehen, können zwar durch politische Entscheidungen verschleiert werden – zum Beispiel, wenn man einen großen Teil der notwendigen Gas- und Wasserstoffkraftwerke staatlich fördert, sie außerhalb des Marktes betreibt oder Netzgebühren erlässt. Die Kosten verschwinden dadurch aber nicht, sondern müssen von den Bürgerinnen und Bürgern entweder als Stromkunden oder (wenn sie nicht auf den Strompreis umgelegt werden) über heutige oder zukünftige Steuern getragen werden.“

Wie man es von der Regierung und vor allem von ihrem Wirtschaftsminister gewohnt ist, wird weiter getrickst, getäuscht und verschleiert bis zum Staatsbankrott. Habecks Energiepolitik ist teuer, sie bleibt teuer, sie wird noch teurer, vor allem kommt sie uns und unserem Land teuer zu stehen.


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