Zum Wortschatz Goethes (insgesamt 93 000 Wörter, einschließlich Briefe und amtliche Schriften) gehört „kriegstüchtig“ (noch) nicht: Er verwendet zwar mit der Substantivform „Krieg-s“ 159 Wortzusammensetzungen (Kriegsabenteuer, Kriegsabgabe … Kriegsmaschine, Kriegsminister … Kriegszug, Kriegszustand), aber nicht das Adjektiv „kriegstüchtig“. Belegt ist es jedoch bereits zu seiner Zeit: In einem „Lehrbuch der Geschichte des preußischen Staates für Schulen“ (1826) heißt es über die preußische Militärreform nach der Niederlage von 1806 gegen das napoleonische Frankreich: „Neue Kriegsgesetze [Einführung der allgemeinen Wehrpflicht] wurden vom Könige gegeben und allmählich sämtliche Waffenfähige im Lande kriegstüchtig gemacht“. Mit diesem neuen, kriegstüchtigen Heer wurde dann in den Befreiungskriegen 1813-1814 die Besatzungsmacht Frankreich besiegt.
Nach zwei Weltkriegen kam das Wortfeld „Krieg“ sprachlich unter Verdacht, besonders in Deutschland: Statt „Kriegsminister“ heißt es nun – wie weltweit – „Verteidigungsminister“, der „Kriegsfall“ wird zum „Ernstfall“ oder „Verteidigungsfall“ und „kriegstüchtig“ zu „einsatzfähig“. Die Schweizer Armee blieb beim traditionellen Ausdruck „kriegstüchtig“, im Dienstreglement von 1980 heißt es: „Die Armee kann ihre Aufgabe nur erfüllen, wenn sie kriegstüchtig ist. Kriegstüchtigkeit ist deshalb oberstes Ziel von Ausbildung und Erziehung.“
Seit November 2023 gilt Ähnliches für die Bundeswehr: „Unsere Wehrhaftigkeit erfordert eine kriegstüchtige Bundeswehr“, stellen die neuen „Verteidigungspolitischen Richtlinien“ fest. Vor 13 Jahren, in der Richtlinien von 2011, klang das noch anders: „Der Soldat muss in der Lage sein, zu schützen, zu helfen und zu vermitteln“, und deshalb werden „in Zukunft hohe Anforderungen an die [= seine] soziale und interkulturelle Kompetenz gestellt“; von militärischer Kompetenz, also Kriegstüchtigkeit, war damals keine Rede – sollten Soldaten Sozialarbeiter in Uniform sein?
„Kriegstüchtig ist ein Begriff, der aus der Zeit gefallen scheint“ (Zeit 7. 12. 2023) – sprachlich stimmt dieses Urteil. Aber mit diesem einem Wort hat Verteidigungsminister Pistorius der Wehrpolitik eine neue Richtung gegeben. Ob er die Bundeswehr tatsächlich „kriegstüchtig“ machen kann, wird sich zeigen; unbestreitbar ist aber schon jetzt seine eigene „Kommunikationstüchtigkeit“.