Tichys Einblick
„Wie gefährlich sind soziale Medien?“

Hart aber Fair: Lauterbach spricht über Fake News. Keine Pointe.

Eines muss man Louis Klamroth ja lassen: lachen kann man bei ihm. Zu den Themen Fake News und Populismus lädt er ausgerechnet Karl Lauterbach ein. Und den Fake-Irokesen Sascha Lobo. Mit solchen Wahrheits-Schwerenötern ist dann auch klar: Wirklich lustig wird der Abend nicht. Oder doch? Von Michael Plog

Screenprint ARD / Hart aber Fair

Für alle, die keine Zeit haben, gleich vorweg: Der Abend wurde wirklich nicht lustig. Eher tragisch. Aber auch tiefgründiger, abgründiger gar, als es manch einem lieb ist. Denn es gibt zwei Punkte in der Sendung, da blitzt etwas Erschreckendes durch: Das eigentliche Problem ist viel größer und viel schlimmer als gedacht. Und vor allem: Dieses eigentliche Problem kommt gar nicht zur Sprache. Also alles wie immer bei „Luisa Neubauer ihr Sidekick seine Sendung“ (Warum heißt „Hart aber Fair“ nicht wie alle ordentlichen Propaganda-Talkshows nach dem Moderator, menno! Danke an TE-Leser „ohanse“ für diesen unterhaltsamen Input).

Sie lesen immer noch weiter? Ok, dann zunächst in aller Kürze die dümmsten Zitate des Abends. Zum Mitlachen. Denn man muss Hart aber Fair einfach humorig nehmen. Mehr bleibt uns nicht.

1. Lauterbach über sein erstes TikTok-Video, das er wenige Minuten vor der Sendung erstellt hat: „Es war, als wär’ ich schon ein Routinier.“ Keine Pointe.

2. Lauterbach auf die Frage: „Wieviele Stunden verbringen Sie auf Social Media?“:
„Ehrlich gesagt wenig, ich mache viel auf Twitter“. Keine Pointe.

3. Sascha Lobo findet, dass bei Social Media „die positiven Auswirkungen überwiegen“.
Es habe „größere Transparenz“ gebracht und „Debatten beschleunigt“. Na, das lass mal nicht die von der Leyen hören, möchte man ausrufen. Aber die EU ist da ja schon hinterher. Und will genau das verhindern, den „Austausch zwischen dem Planet Politik und der Bevölkerung“, wie Lobo labert. Keine Pointe.

4. Sascha Lobo bringt viele Sätze, die niemand versteht. Beispiel gefällig? „TikTok funktioniert radikal ideenorientiert“. Oder: „Die Qualität des Inhalts ist entscheidend und nicht die Followerzahl“. Oder auch: „TikTok ist das neue Google. Man findet schnell ein kurzes Video, das viel klüger erklärt, worum es eigentlich geht.“ Keine Pointe.

5. Lauterbach: „Wir dürfen die Sozialen Medien nicht der AfD überlassen.“ Da fragt sich der Zuschauer: Wenn die AfD-Politiker auf TikTok tatsächlich um Längen erfolgreicher sind als alle anderen Parteien zusammen, warum eigentlich sitzt kein AfD-Vertreter in der Runde? Wäre doch eigentlich ganz interessant, oder nicht? Nein, nicht bei Hart aber Fair, nicht im Öffentlich-Verächtlichmachenden Rundfunk Deutschlands. Keine Pointe.

6. Wir wollen Lobo nicht in die Pfanne hauen, er sagt auch halbwegs kluge Sätze. Beispiel: „Der große Erfolg der AfD auf TikTok ist eher eine Folge des Versagens der Politik in vielen anderen Bereichen und auch eine Folge davon, dass viele junge Menschen sich von der klassischen Parteipolitik nicht besonders ernst genommen fühlen.“ Keine Pointe.

7. Lauterbach hat offenbar sein eigenes Klatschpublikum mitgebracht. Ebenso Sascha Lobo. An den unmöglichsten Stellen kommt urplötzlich völlig unerklärlicher Applaus, sobald sie reden. Große Fragezeichen fliegen durch den Raum. Keine Pointe.

8. Irgendeine „Mischa“ (Anwältin, schwarz) verschweigt ihren Nachnamen „wegen der AfD“, weil sich Politiker dieser Partei mit Klarnamen in ihren TikTok-Chat setzen und nach Nacktbildern fragen. Mehr ist dazu eigentlich nicht zu sagen. Disqualifiziert, bitte setzen. Zum Glück nur ein sehr kurzer Auftritt. Aber wichtig für die Regie und das allgemeine AfD-Bashing. Keine Pointe.

9. Anthony (Krankenpfleger) darf erzählen, dass er seine Videos immer mit der Aufforderung beginnt: „Gib mir einen guten Grund, die AfD zu wählen.“ Jeden einzelnen, verdammten Tag startet er seinen Stream mit dieser Aufforderung. Und trotzdem: „Ist bis jetzt nicht passiert seit 90 Tagen“. Und für den Fall, dass der ÖRR-Zuschauer es noch immer nicht kapiert hat, fügt er an: „Entweder ist das, was Du forderst, etwas, was schon längst die Linken gefordert haben, oder es hat überhaupt nichts mit der Regierung zu tun.“ Keine Pointe.

10. TikTok-Star „WasTaraSagt“ gibt zu: „Ich bin ja generell von der pissimistischeren Seite.“ Mit drei „i“, ganz richtig. Zur AfD sagt sie: „Ich finde es natürlich gefährlich. Ich hoffe, dass man dagegen ankommt.“ Und während sie so herumfabuliert, überlegt der Zuschauer: Hey, TikTok muss aber ziemlich geniale Filter haben! Denn das eingespielte Video von ihr zeigt offenbar eine ganz andere Person, viel schlanker, viel hübscher. Im Studio sitzt eine leicht übergewichtige Frau in irgendwas wie Schlafanzug. Keine Pointe.

11. Populist Sascha Lobo darf über den Populisten Markus Söder (CSU-Ministerpräsident in Bayern) herziehen, der weiland seinen Lieblings-Döner beschrieb. Lobo: „Ich bin absolut sicher, da gab’s ein tolles Brainstorming und dann haben vier oder fünf politische Berater (Gendern nicht notwenig) gesagt: Wow das ist ‘ne super Idee, wenn Du nicht immer nur Bio und Bratwurst sondern einmal auch Döner gut findest.“ Lustig, Lobo!

12. FDP-Mann Muhanad Al-Halak, der mangels AfD-Gästen als supererfolgreicher TikToker herhalten muss, gibt Tipps an „Herr Karl Lauterbach“. Der antwortet brav: „Ja, sehr gerne.“ Keine Pointe.

13. Muhanads supertolles TikTok-Video wird eingespielt. Da raucht er Broccoli, als sei es Cannabis. Haha, wie lustig! Er kann allerdings selbst nicht erklären, warum er das eigentlich gemacht hat. Er habe aber ein zweites Video gedreht, in dem er einfach den Broccoli isst. Aha, soso, wieso? Allgemeine Ratlosigkeit. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass der chinesische Konzern ByteDance, der hinter TikTok steht, den Westen angeblich gezielt verblöden will. Depperte Mini-Videos ohne Sinn und Verstand sind in China selbst verboten. Dort wird TikTok ausschließlich als ernsthaftes Bildungsmedium eingesetzt. Mit ganz anderen Inhalten und unter ganz anderem Namen. Keine Pointe.

14. Thema Datenabfluss nach China: Einem möglichen Spionage-Angriff begegnet Karl Lauterbach mit einer (für seine Verhältnisse) fast schon genialen Strategie: „Deshalb habe ich für TikTok ein eigenes Handy beschafft. Ebenso der Ministeriums-Account.“ Wahnsinn der Mann. Keine Pointe.

Kommen wir zu den zwei Situationen, als der Abend aus den Fugen zu geraten droht. Als die eigentliche Tiefe des Themas zumindest ansatzweise sichtbar wird.

1. Alexander Prinz, bekannt als „Der Dunkle Parabelritter“ (500.000 Abonnenten auf YouTube), spricht ganz kurz das Thema Pizzagate an. Dabei geht es um einen US-Pädophilenring, in den so illustre Personen wie Barack Obama und Hillary Clinton verwickelt sind. Und in dessen Ermittlungsverfahren rund 70 Personen, darunter Polizeibeamte, die extrem verstörende Clinton-Videos ansehen mussten, auf äußerst merkwürdige Weise ums Leben kamen. Einige sollen Selbstmord begangen haben, indem sie sich zweimal (!) in den eigenen Kopf schossen. Parabelritter Prinz bezeichnet das alles selbstverständlich als Verschwörungstheorie, aber er spricht es wenigstens an. Kurz. Sehr kurz. Klamroth geht flugs mit einer neuen Frage an einen neuen Gast. Bloß weg vom Thema.

2. Schulleiterin Silke Müller, auch Digitalbotschafterin Niedersachsens, appelliert: „Das Bewusstsein der Erwachsenen, in welcher Welt unsere Kinder unterwegs sind, muss geschaffen werden.“ Was sie meint, erläutert sie an drastischen Beispielen. Kinder sehen Videos von Katzenbabies, die im Mixer geschreddert werden. Oder von der Kastration eines Mannes. Müller sagt, es sei „wichtig, dass wir über gesellschaftliche Verantwortung sprechen“. Sie will, dass wir ein „Unterrichtsfach Leben lernen“ einführen. Denn allzuoft würden ihr sogar die Eltern sagen: „Ich hab das nicht gewusst.“

In den letzten 15 Minuten der Sendung wird damit klar, dass die Probleme eigentlich viel tiefer liegen, abgrundtief tief, dass sie viel größer sind und möglicherweise kaum zu bewältigen. Jedenfalls nicht durch Hart aber Fair. Und nicht mit Gästen wie Karl Lauterbach.

Keine Pointe.

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