Tichys Einblick
Interview mit Terror-Expertin Bettina Röhl

„Die linksradikale Ideologie ist offenkundig betonfest geblieben, bei den Terroristen und bei den Helfern“

Eine Terroristin konnte Jahrzehnte unter den Augen der Polizei leben. Sie fühlte sich sogar so sicher, dass sie ihre Urlaubsfotos auf Facebook postete. Wie war das möglich? TE fragt die Journalistin Bettina Röhl. Sie hat unter anderem mit dem Buch „Die RAF hat Euch lieb“, das nun als Taschenbuch erschienen ist, ihren Ruf als Expertin für linken Terror untermauert.

IMAGO, P. Schirnhofer - Collage: TE

Tichys Einblick: Jahrelang fahndeten die Ermittlungsbehörden nach den drei RAF-Terroristen Daniela Klette, Bukrhard Garweg und Ernst-Volker Staub. In der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY… ungelöst“ war sie mehrfach zu sehen. Trotzdem passierte nichts. Jetzt konnte das LKA Niedersachsen Klette festnehmen. Waren Sie überrascht, als die Nachricht von der Verhaftung Daniela Klettes kam, Frau Röhl?

Bettina Röhl: Weder überrascht noch nicht überrascht. Es war ja ein Zufallstreffer. Außerdem gilt: RAF ist kein rechtlich geschützter Name. RAF kann sich jeder nennen, der Lust hat, irgendeine Aufmerksamkeit zu erregen. Die sogenannte 3. Generation der RAF ist per se über die kriminellen Taten hinaus uninteressant. Interessant ist immer wieder, wie sich links nennende Gewalt einerseits verkauft und wie sie andererseits verharmlost wird.

Warum war es für Klette möglich, so lange unterzutauchen? Zumal sie ja nicht passiv geblieben ist. Sie hat mutmaßlich weiter an Raubzügen teilgenommen und sogar ihr soziales Leben auf Facebook geteilt.

Der Fahndungsdruck scheint doch eher niedrig gewesen zu sein. Anders ist es nicht möglich, dass man in an sich bekannten linksradikalen Biotopen jahrzehntelang perfekt „überwintern“ kann. Wie man den Laden kennt, war das in der Szene ein offenes Geheimnis. Die Solidarität hat gehalten. Und die linksradikale Ideologie ist offenkundig betonfest geblieben, bei den Terroristen und bei den Helfern.

Klette, Staub und Garweg stehen unter dem dringenden Tatverdacht, für eine Serie von Raubüberfällen verantwortlich zu sein. Das LKA Niedersachsen betont, dass dies unpolitische Taten gewesen seien, die dem Lebensunterhalt und nicht ideologischen Zwecken gedient hätten. Inwieweit sehen Sie in diesen vorgeworfenen Taten tatsächlich private Delikte? Sind es nicht doch eher die letzten Taten der RAF? Obwohl die eigentlich 1998 ihr Ende verkündet hat.

Einen räuberischen Broterwerb der 3. Generation würde ich nicht klassisch „privat“
nennen. Die Ideologie linker Extremisten ist ja: Das Private ist politisch. Relevant sind die zehn unverjährbaren Morde der 3.Generation, von denen neun bis heute nicht aufgeklärt sind. Damit ist die sogenannte 3. Generation weitaus blutiger gewesen als die 1. Generation der RAF. Im Übrigen frage ich Sie: Was war „politisch“ an diesen Morden?

Wie stark sehen Sie diese Szene um Klette und Co?

Es gibt weit unterschätzte linksradikale und auch gewaltaffine Szenen, die ja teilweise sogar vom Staat oder NGOs alimentiert werden, zum Beispiel im sogenannten „Kampf gegen Rechts“. Aber diese Gruppen werden nicht mehr „Terroristen“ genannt und sie agieren, wie schon die 3. Generation der RAF gern anonym und verschleiern ihre Vernetzungen. Viele haben sogar irgendwelche Jobs. Früher wurden solche Leute „Feierabendterroristen“ genannt. Es ist lange üblich gewesen, dass Ex-Terroristen der RAF wie Stars in den entsprechenden Szenen behandelt wurden. Es spricht alles dafür, dass das auch heute noch so ist.

Was hat die Unterstützung der Szene mit der Verklärung der RAF zu tun? Gerade die Gründer Andreas Baader, Gudrun Ensslin oder Ihre Mutter, Ulrike Meinhof, werden ja heute in linken Kreisen nahezu zu Ikonen verklärt.

Die Gründer der RAF sind doch schon ganz schön rausgefadet. Allerdings tragen solche Blödsinnsfilme, wie der staatlich hochsubventionierte Film „Der Baader-Meinhof-Komplex“, vor ganz kurzer Zeit auf Arte wiederholt, zu immer neuen Täter-Ikonisierungen und damit Nachahmern bei. Das Label RAF scheint aber im Moment keine Konjunktur zu haben.

Drohen aus dieser Szene weitere Terrorangriffe und falls ja, wie würden die aussehen?

Nehmen Sie die Hammerbande oder gewalttätige Klima-Aktivisten. Die Rechtsverletzungen, ob G20 oder EZB-Einweihung, in Leipzig, Berlin finden überall immer wieder und immer wieder massiv statt. Es ist lächerlich, das nicht mehr Terror zu nennen, das ist ein allgemeiner öffentlicher Verniedlichungstrend, der mit einem laschen Fahndungsdruck korrespondiert.

Wird sich das Thema RAF nach einer Verhaftung von Staub und Garweg erledigt haben oder welche Zukunft des Themas RAF sehen Sie?

Das Thema der linken Gewalt ist ein Dauerbrenner. Ob es nochmal Leute geben wird, die die Marke RAF wieder hervorkramen, lässt sich seriös nicht beantworten.


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