Tichys Einblick
Gefährderansprache für Heimatliebe:

Einschüchterung: Das Lieblingswerkzeug des sanften Totalitarismus

Während der Staatsapparat die Gefährderansprache an eine Schülerin wegen des Teilens eines TikTok-Videos, sowie einem Bekenntnis zu Deutschland als ihrer Heimat, kleinredet, zeigt sich genau an diesem Fall eine exemplarische Methodik, die aus Willkür und Einschüchterung besteht.

Symbolbild Schüler

IMAGO

Immer wieder vernimmt man jene differenzierten Stimmen, die uns daran erinnern, dass wir noch lange nicht in einer DDR 2.0 oder ähnlichen totalitären Gesellschaften leben. Das Argument lautet dabei häufig, dass es sehr wohl noch rechtsstaatliche Prinzipien gibt, mit denen Bürger sich vor der Willkür des Staates schützen können. Doch was in 9 von 10 Fällen stimmen mag, wird durch einzelne, gezielte Überschreitungen widerlegt. Ob nun im Fall der 17-jährigen Schülerin mit Heimatgefühl und AfD-Affinität, der Verurteilung Akif Pirinçcis wegen eines bewusst falsch interpretierten Blogbeitrags, oder der einjährigen Haftstrafe für einen belgischen Politiker, die mit dessen Anwesenheit in einer Chatgruppe begründet wurde, in der andere Teilnehmer rassistische Memes teilten – all diese Fälle sind vor allem Zeichen zur Einschüchterung der Massen, als der Beginn eines Großreinemachens.

Ist diese Methode deshalb harmloser, als deren Äquivalente aus anderen Totalitarismen? Das mag auf den ersten Blick so erscheinen, erzählt aber nur die halbe Wahrheit. Denn die Bestrebungen zur neuerlichen Unterdrückung von Meinungsfreiheit und Rechtsstaat sind perfider, als der erste Eindruck vermittelt. Die Zensoren und Gesinnungswächter der Gegenwart haben nämlich sehr wohl aus den Schwächen vergangener totalitärer Gesellschaften gelernt.

Das massenhafte Wegsperren unliebsamer Bevölkerungsgruppen ist nämlich kein Zeichen von Stärke, sondern eher eines von Schwäche, das den Überwachungsstaat nicht nur belastet, sondern ihn auch schwächt. Es ist das letzte Mittel, mit dem Macht abgesichert werden soll, nicht der erste Schritt zur Kontrolle.

Die einschüchternde Wirkung des sanften Totalitarismus

Vor allem im englischen Sprachraum hat sich in den letzten Jahren der Begriff des sanften Totalitarismus etabliert, um die Methodik der entstehenden Gegenwartsregime im Westen zu umschreiben. An die Stelle von Zwang trat „Nudging“, statt lückenloser Überwachung – von der zwar geträumt wird, die aber logistisch fast umumsetzbar ist – baut man auf Selbstdenunziation. Der sanfte Totalitarismus möchte die Unterwerfung unter seine Ideologie versüßen, indem er diese Unterwerfung als bequemere Alternative zum Widerstand präsentiert.

Aber das bedeutet natürlich nicht, dass der sanfte Totalitarismus nicht auch mit Angst und Schrecken arbeitet. Im Gegenteil, genau auf dieser unterschwelligen Konditionierung beruht die Kontrolle des sanften Totalitarismus, die sich – ganz nebenbei erwähnt – als weitaus effizienter zu entpuppen scheint, als frühere Versuche staatliche Komplettkontrolle von oben zu gewährleisten.

Wie auch frühere totalitäre Gesellschaftsformen, zählt auch der sanfte Totalitarismus auf die Fügsamkeit beträchtlicher Teile der Gesellschaft. Fleißige Denunzianten sind dabei immer willkommen, sie erleichtern nicht nur dem Staat seine Arbeit, sie sind sogar unerlässlich, denn ohne sie könnte selbst der moderne digitale Staat keine vollumfängliche Überwachung gewährleisten.

Um diese Fügsamkeit zu gewährleisten, bedarf es der Abschreckung. Gerade die scheinbare Willkür dieser Abschreckungsmaßnahmen suggeriert dabei, dass alles und jeder Gefahr laufen kann, ins Fadenkreuz der Ermittler zu geraten. Im Falle der 17-Jährigen, die von drei Polizisten auf ihre Gesinnung überprüft wurde, war das Signal deutlich, denn es richtete sich nicht so sehr an dies Schülerin selbst, als vielmehr an alle anderen Schüler Deutschlands, zukünftig weder Heimatgefühlen Ausdruck zu verleihen, noch AfD-Videos zu teilen.

Die demoralisierende Wirkung der Willkür

Totale Willkür und Widersprüchlichkeit vermittelte hingegen unlängst der Fall von Akif Pirinçci, der bereits seit Jahren für seine deftigen Aussagen und Blogbeiträgen bekannt ist, der nun aber nicht für eine seiner Tiraden am Rande des guten Geschmacks, sondern für einen vergleichsweise differenzierten Text darüber, wie der Kampf gegen rechts™ die tatsächliche Rechte eigentlich stärkt, zu neun Monaten Haft verurteilt wurde. Während die Haftstrafe rechtsstaatskonform aufgrund seiner laufenden Bewährung ermöglicht wurde, begründete das Gericht das Urteil mit einer bewusst missverstandenen Passage, bei der gliedernde Beistriche trotz entsprechender Erläuterungen bewusst weggedacht wurden um daraus eine verhetzende Stellungnahme zu kreieren.

Wer nun der Meinung ist, man könne sich in Deutschland noch vor Gericht verteidigen, der sollte das einmal probieren, wenn Schriftstücke entgegen aller grammatikalischen Regeln einfach bewusst missverstanden werden. Genau deshalb aber dürfte dieser Text von Pirinçci gewählt worden sein. Die Absurdität der Rechtsverdrehung, angesichts eines gewaltigen Corpus deftigerer Schriften aus seiner Feder, ist Teil der Abschreckung. Man kann fast nur schlussfolgern, dass diese bizarre Konstellation beabsichtigt ist.

Die Krönung dieser absurden Eingriffe in die persönliche Freiheit war aber die Verurteilung des belgischen Politikers Dries van Langenhove (Vlaams Belang) zu einer Haftstrafe von 10 Monaten auf Bewährung (sowie zehnjährigem Verbot der Ausübung bürgerlicher Rechte und einer Geldstrafe von 16.000 Euro), weil er Teil einer privaten Chatgruppe war, in der andere Personen rassistische Memes geteilt hatten. In einer perversen Steigerung der Kontaktschuld (3.0?) wurde nicht nur die dubiose Strafbarkeit von Memes, sondern selbst die bloße Anwesenheit in einem digitalen Raum mit solchen Memes zur Strafe erhoben.

Wie bereits beim irischen Hassredegesetz bedeutet auch dieses Urteil die potenzielle Verurteilung von alles und jedem aufgrund dubioser Gummibegriffe wie „Hass“. Das aber wird alleine schon aus logistischen Gründen nie passieren. Dies ist aber auch gar nicht die Absicht, vielmehr liegt diese darin, in regelmäßigen Abständen vermeintlich willkürliche Exempel zu statuieren, die auf die Bevölkerung eine entsprechend abschreckende Wirkung entfalten. Dazu bedarf es – wie im Fall der 17-jährigen Schülerin – nicht einmal einer Verurteilung, denn die soziale Ausgrenzung und der dazugehörige Spießrutenlauf sind bereits genug um ein deutliches Warnsignal zur Selbstzensur an all ihre Altersgenossen zu schicken.

Denunziantentum und Tugendterror darf nicht ohne Konsequenzen bleiben

Denn Selbstzensur, Selbstkontrolle und Selbstdenunziantentum sind die bevorzugten Mittel eines sanften Totalitarismus, der von Demokratie schwafelt und sich jederzeit das Recht vorbehält, diejenigen, die ausscheren punktuell mit aller Härte zu bestrafen. Dass diese Urteile dabei jeglicher Logik und gesundem Rechtsempfinden widersprechen, ist Teil der einschüchternden Wirkung.

Die Kombination aus einem offensichtlich politisch motivierten Schuldirektor, der einer Ausstellung aus dem „Demokratie leben!“ Projekt in seiner Schule Raum gab, einem offensichtlichen Denunzianten, der die Schülerin anonym anschwärzte, einem Polizeiapparat, der zwar an anderer Stelle ständig über Unterbesetzung jammert, aber in diesem Fall – obwohl bekannt war, dass kein Strafbestand vorlag – es für angebracht hielt mit gleich drei Beamten anzurücken, einem SPD-Innenminister, der die Aktion als „verhältnismäßig“ einstufte, da „keine Festnahme, keine Handschellen“ zum Einsatz kamen, sowie einer Schülerin, die nichts weiter getan hatte, als ein Video einer legalen und demokratisch legitimierten Partei geteilt und Deutschland als ihre Heimat bezeichnet zu haben – all diese Faktoren ergeben im Zusammenspiel mit geringem Aufwand der Staatsmacht ein Signal an eine ganze Generation Heranwachsender, dass jegliche öffentliche Äußerung, die nicht zugunsten des etablierten Mainstreams ausfällt, mit dem zeitgenössischen Äquivalent einer Prangerstrafe geahndet werden kann.

Alles, was sich nun an Unmut über die Schule, den Schulleiter, das Innenministerium, als auch die beteiligten Polizisten – die ohne ihre Präsenz zu hinterfragen bloß Befehle befolgten – ergießt, ergießt sich, so muss man leider feststellen, zurecht. So wie der sanfte Totalitarismus es vorzieht, an Einzelnen ein Exempel zu statuieren, so muss auch jenen, die dies ermöglichen, ein deutliches Zeichen gesendet werden, dass die Gesellschaft nicht bereit ist, dies zu tolerieren. So wie der linke Mob Karrieren seiner Feinde beenden möchte, so sollte nun auch der Schulleiter von seinem Posten zurücktreten, die politische Indoktrinierung zugunsten parteipolitisch rot-grüner Steckenpferde an der Schule beendet werden, die beteiligten Polizisten eine Nachschulung in Sachen Neutralitätspflicht absolvieren, und der die Aktion verteidigende Innenminister sein Amt niederlegen.

Scheint übertrieben? Nun, vielleicht. In einer Welt ohne Schieflage womöglich, nicht aber in einem sanften Totalitarismus, der glaubt, ein ganzes Volk mit willkürlichem Tugendterror einschüchtern zu können. Darum sind diese Forderungen ein nötiges Zeichen an all jene, die glauben, sich auch zukünftig mit Denunziantentum einen Vorteil zu verschaffen, oder zumindest unliebsamer Mitbürger entledigen zu können.

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