Eigentlich hatte sich mittlerweile herumgesprochen, dass von Deportationsabsprachen nach rassischer Auswahl beim Potsdamer Treffen keine Rede mehr sein konnte. Aus gutem Grund verhallt die Berichterstattung über die private Runde am Lehnitzsee. Ob aus strategischen Erwägungen oder dem Gefühl, nicht an die eigene Peinlichkeit erinnert werden zu wollen.
So hatte Klaus-Rüdiger Mai Anfang März das ZDF mit der eigenen Berichterstattung konfrontiert. Der Sender hatte davon gesprochen, dass beim Potsdamer Treffen „Deportationspläne von Staatsbürgern oder Europäern“ diskutiert worden seien. Damit machte das ZDF neuerlich eine Assoziation zum Treffen, der AfD und Deportationsplänen auf, obwohl sich „die Faktenlage geändert hat“ – um ein Bonmot aus Corona-Zeiten aufzunehmen. Das ZDF antwortete abwiegelnd, ohne überhaupt auf den Kernvorwurf einzugehen.
In gewissen Medienbereichen wechselt man also in den Modus des Ignorierens und Relativierens, wohl wissend, dass die Zeiten der Offensive angesichts der dünnen Faktenlage vorbei sind. Doch für die Politik und insbesondere den deutschen Bundeskanzler, der sich bereits einmal in Sachen „Videobotschaft“ vergaloppiert hatte, gilt das offenbar nicht.
Es war Olaf Scholz, der mit Deportationsfantasien von oberster Stelle Ängste in die Köpfe einpflanzte. Fantasien wie etwa diese, bezogen auf 20 Millionen Menschen in Deutschland, die vom „Geheimplan gegen Deutschland“ betroffen wären:
„Familien, die seit vielen Jahren und Jahrzehnten hier leben. Unsere Nachbarinnen und Nachbarn, Arbeitskolleginnen und Schulfreunde, Frauen und Männer, die in unseren Krankenhäusern und Pflegeheimen arbeiten, denen das Restaurant oder die Bäckerei an der Ecke gehört, die an unseren Schulen unterrichten und unseren Universitäten forschen. Bei diesem Gedanken läuft es einem eiskalt den Rücken runter.“
Statt möglicherweise diese Geschichten auf sich beruhen zu lassen, um sich nicht zum Aushängeschild der Hysterie am Jahresanfang 2024 zu machen – bleibt der Kanzler felsenfest bei dieser Darstellung. Wieder ist es eine Videobotschaft, dieses Mal zum Beginn des Ramadans.
Obwohl Scholz seinen Schwerpunkt auf den Gaza-Krieg legt, wechselt Scholz schnell in alte Muster zurück. Denn er wendet sich auch an jene „Musliminnen und Muslime“, die „Sorgen um den Zusammenhalt“ in Deutschland hätten. Er spricht von Berichten über „rassistische Deportationspläne Rechtsextremer“. In dem Zusammenhang höre er immer wieder „besorgte Fragen nach der Zukunft“. Das sei „bedrückend“.
Dass Scholz mit seiner Angstmacherei mitschuldig an dieser „Bedrückung“ ist, kommt ihm natürlich nicht in den Sinn – denn die politische Instrumentalisierung der Correctiv-Geschichte, um Leute aufzuhetzen, zu verängstigen und die gesellschaftliche Spaltung zugunsten des politischen Machterhalts voranzutreiben, ist eine redliche Angelegenheit, wenn sie nur die Richtigen beherzigen.
Wieder greift Scholz seine alte Botschaft auf – es seien „unsere Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen“; unsere „Freundinnen und Freunde“, aus der Schule oder dem Sportverein. Dass es beim Potsdamer Treffen eben nicht um die Zusammentreibung von Menschenmassen in Züge ins Nirgendwo ging, sondern hauptsächlich um Clanmitglieder, Kriminelle und Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis, würde das emotional aufgeladene Kartenhaus kollabieren lassen. Doch Scholz geht es um Emotionen, um Aufbauschung, um Bilder. Eben genau die Definition, die hochgelobte „Faktencheker“ als Manipulationsstrategien und Desinformation entlarven – bei den anderen.