Sandra Maischberger überrascht die Zuschauer am Dienstagabend, indem sie den Krieg in der Ukraine nicht zum Thema der Sendung macht. Wer von dem Thema und den immer gleichen Gestalten, die das Immergleiche sagen, aber nicht gelangweilt ist, der muss nicht zu sehr enttäuscht sein: Am Mittwoch schon sitzt Ralf Stegner wieder in der Sendung; er kann dann wieder davon reden, warum die SPD tut, was sie kann, um Waffenlieferungen in die Ukraine zu verhindern. Ganz so, als sei Stegner ein Entscheider in der SPD.
Wo man über Entscheider schreibt: Hendrik Wüst, Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens und angeblich CDU-Politiker, war in der Sendung. Ob er etwas Relevantes gesagt hat? Nein. Er forderte eine Begrenzung des Zuzugs von Migranten. So wie es von verschiedenen Seiten seit 2023 gefordert wird. Und 2022. Und 2021. Und 2020. Und 2019. Und 2018. Und 2017. Und 2016. Und eigentlich auch schon 2015. Nichts also, was man noch ernst nehmen sollte.
Ein wenig Spannung in die Diskussion bringt die Journalistenrunde an diesem Abend. Sie soll für Maischberger die Zuschauer mit einer aktuellen Diskussion ablenken, während der nächste Gast ins Studio kommt. Also nicht, weil sie tolle Analysen zu bieten hat. Yasmine M’Barek (Die Zeit) ist wieder dabei, findet, dass eine Begrenzung von Zuwanderung unmöglich und falsch sei. So wie schon beim letzten Mal, als sie in der Sendung dabei war. Und beim vorletzten. Und beim vorvorletzten.
Michael Bröcker, Chefredakteur von Table.Media, scheint wenigstens Zeitung zu lesen und anders als M’Barek und der dritte Gast der Runde zu verstehen, dass die aktuelle Flüchtlingspopitik nicht zielführend ist. Besagter dritter Mann in der Runde ist Jürgen Becker, Kabarettist. Er will in Zukunft nicht mehr so „hart“ auf die Politik einprügeln. Denn damit könnte man die Demokratie zerstören. Oder so.
Der wahre Höhepunkt der Sendung ist aber ein Interview mit Howard Carpendale. Carpendale ist ein politischer Mensch, beschäftigt sich viel mit den Problemen der USA: aber vor allem mit der Presse aus seiner Wahlheimat im Jahr 2024. Er beschreibt spannend die Entfremdung vieler Amerikaner von ihren Präsidentschaftskandidaten – 70 Prozent der Bürger sollen weder Biden noch Trump vertrauenswürdig finden. Carpendale redet auch nicht wild darauf los; wenn er zu einem Thema nicht sprechfähig ist, sagt er das. Und doch muss Maischberger mit ihm über Trump sprechen.
Der Musiker ist offensichtlich kein Fan des ehemaligen Präsidenten der USA. Er kritisiert ihn sogar – und er kritisiert auch Biden. „Die Amerikaner sind ein Macholand“, findet er. „Sie wollen einen Mann an der Spitze, der Stärke zeigt.“ Und diesen Anspruch auf Vitalität kann der über 80-jährige Biden nicht erfüllen. Und doch ironischerweise Trump: Über siebzig Jahre alt wirkt er neben Biden jung. Und Trump zählt zum Anti-Establishment trotz seiner Jahre als Politiker und Präsident.
Über Carpendale lernt der Zuschauer wenig, außer, dass sein neuestes Album auch sein letztes sein soll. Bestimmt. Dieses Mal wirklich. Versprochen. Oder vielleicht wird es doch nur sein vorletztes. Aber warum Carpendale in der Sendung eingeladen ist, um über Trump zu reden, erschließt sich dem Zuschauer nicht. Er lebt in den USA, in Florida. Und er ist Trump einmal begegnet, beim Golfen. Das sind ja mal Qualifikationen!
Alles in allem kann diese Folge von Maischberger also mit einem interessanten Gast punkten, der nur zu einem Thema sprechen darf, das man schon tausend Mal gehört hat. Und mit einem Gast, der ein Thema wiederkäut, dessen Lösung er selbst im Bundesrat gerne verhindert. Die Lebenszeit ist anders besser eingesetzt, als diese Talkshow ohne Diskussion zu schauen.