Noch sechs Jahre. Dann, 2030, wird der Sozialstaat, wie wir ihn aktuell kennen, „weder finanzierbar noch reformierbar sein“, so warnen die beiden Verbände „Die Jungen Unternehmer“ und „Die Familienunternehmer“. Sie haben bei den Professoren Christian Hagist und Dr. Stefan Fetzer ein Gutachten in Auftrag gegeben. Das Ergebnis: „Die Kosten werden dann (2030) so erdrückend hoch sein, dass die junge Generation den Generationenvertrag wegen der steigenden Beitragssätze einseitig aufkündigen und sich entweder in Schwarzarbeit oder Auswanderung verabschieden wird.“
Die Gutachter gehen davon aus, dass deutsche Frauen künftig im Schnitt 88,2 Jahre alt werden, deutsche Männer 82,6 Jahre. In der Migration rechnen sie damit, dass die in den nächsten zehn Jahren auf 250.000 Zuwanderer pro Jahr zurückgeht und danach konstant bleibe. Insgesamt werde Deutschland eine „doppelte Alterung“ erleben. Zum einen, weil die Lebenserwartung steigt. Zum anderen, weil sich die Geburtenrate bei 1,5 pro Mutter einpendelt. Das gefährdet die Sozialversicherung in ihrer bisherigen Form: als „Generationenvertrag“.
Schon jetzt müssen Arbeitnehmer laut Gutachten rund 40 Prozent ihrer Produktivität an die Sozialversicherung abgeben. In den nächsten sechs Jahren werde der Anteil auf 44,5 Prozent steigen, sagen die Gutachter voraus. „Erfolgreiche Anwerbung und Integration von Ausländern in den Arbeitsmarkt“ könne den Anstieg geringer ausfallen lassen.
Ein Szenario fehlt in dem Gutachten allerdings: Was, wenn die Anwerbung und Integration von Ausländern nicht erfolgreich verläuft, sondern zu weiteren Kosten führt? Derzeit liegt der Ausländeranteil in Deutschland laut Statistischem Bundesamt etwa bei 14 Prozent – der Anteil von Ausländern an erwerbsfähigen Beziehern von Bürgergeld liegt laut Agentur für Arbeit bei über 45 Prozent. Doch der Gedanke, dass Anwerbung von Ausländern schieflaufen könnte, darf in Nancy-Faeser-Land weder ausgesprochen noch gedacht werden – nicht einmal in einem Gutachten zur Zukunft der Sozialversicherung. Zumindest räumen die Gutachter ein, dass es nicht klar ist, „wie der durchschnittliche ökonomische Status der zukünftigen (Netto)-Einwanderer sein wird“. Wenn man sich so ausdrückt, dass es keiner versteht, darf man sich der Realität in Faeser-Land nähern.
Reformen, die das Steigen der Beitragssätze stoppen oder wenigstens bremsen, sind nicht in Sicht. Die Beiträge zur Krankenkasse sind fünf Jahre in Folge gestiegen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nimmt dies stets achselzuckend zur Kenntnis. Den Beitrag zur Pflegeversicherung hat er erst im letzten Jahr massiv erhöht. Der nächste zeichnet sich bereits ab.
Das Thema Rentenversicherung ist besonders heikel. Kanzler Olaf Scholz (SPD) verdankt seinen Wahlerfolg von 2021 zwei Gruppen: den Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes und Menschen über 60 Jahren. Eine Regierung unter ihm wird daher weder die Ungerechtigkeiten zwischen Pensionären und Rentnern angehen noch Einschnitte ins Rentenniveau. Indes könnte es unter einer rot-geführten Regierung wieder zur Erhöhung des Beitragssatzes kommen oder zur Erhöhung des Renteneintrittalters.
Das würde aber wieder die treffen, die den ganzen Spaß in Deutschland finanzieren. Für die es laut Ifo-Institut schon jetzt kaum einen Unterschied macht, ob sie 3000 oder 5500 Euro brutto verdienen, weil ihnen der Staat netto fast jeden Mehrverdienst wegnimmt. Für sie sind und werden immer mehr die Alternativen attraktiv, vor denen die Verbände warnen: Schwarzarbeit oder Abwanderung.
Die Vorschläge der Jungen Unternehmer und der Familienunternehmer sind ehrenwert: die Digitalisierung forcieren, die Bürokratie abbauen, den Wettbewerb effektiver gestalten. Das sind Versprechen, die Politiker auch tatsächlich machen. Die können Politiker sogar noch machen, wenn sie morgens um 5 Uhr besoffen aus der Kneipe fallen. Doch im Bundestag heißt die Realität dann Heizhammer oder Datenschutzgrundverordnung. Die digitale Revolution findet in Kalifornien, China und Indien statt – in Deutschland gibt es den Cookie-Button. Und die berechtigte Sorge um die Finanzierbarkeit des Sozialstaates.