Das Gesundheitsministerium hat die neuen Mitglieder in der Ständigen Impfkommission (Stiko) mit recht dürren Worten vorgestellt. Ein Halbsatz sticht daraus hervor: Das Gremium werde „um Expertise in den Bereichen Modellierung und Kommunikation erweitert“. Das will verstanden werden: Ein Expertenrat, der die Bundesregierung in Sachen Impfung neutral berät, erhält eine Marketing-Expertin. Die Wissenschaft ist zwar allgemeingültig und alternativlos. Aber die Wissenschaft muss sich auch gut verkaufen – zumindest, wenn sie Karl Lauterbach (SPD) dient. Dazu können in einer Pandemie schon einmal Staubsaugerbeutel als Schutzmasken gehören. Aerosole, die durch die Toiletten kommen, oder „absolute Killervarianten“, die uns noch bevorstehen.
Lauterbachs absolute Killervariante für das Marketing der nächsten Pandemie ist Constanze Rossmann. Professorin für Kommunikationswissenschaften. Sie hat unter anderem zu der Frage gearbeitet, wie Krankenhausserien das Bild der Medizin beeinflussen. Mit dieser Expertise im Rücken entscheidet Rossmann mit über die Frage, wer welche Impfung erhalten soll. In einer Regierung unter Kanzler Olaf Scholz (SPD), der vergeblich für eine allgemeine Impfpflicht gestimmt hat und dessen Regierung eine Impfpflicht für Soldaten und Pflegepersonal durchgesetzt hat.
Auf das Thema aufmerksam gemacht hat das Büro des Bundestagsabgeordneten Martin Sichert (AfD). Er sieht Interessenkonflikte „vorprogrammiert“. Denn: „Ich mache mir große Sorgen um die politische Unabhängigkeit der einst vertrauenswürdigen Stiko. Bei den Neubesetzungen wird ganz auf Linientreue geachtet.“ Neben Pfizer-Leuten habe Lauterbach auch Klima-Aktivisten und von der Bundesregierung finanziell abhängige Berater in das Gremium berufen, das unparteiisch über Impfungen entscheiden soll.
Zum Beispiel Berit Lange vom Helmholtz-Zentrum. Sie hat sich gegenüber dem NDR für die Untersuchung des Abwassers als Frühwarnsystem ausgesprochen. Geübte Beobachter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werden jetzt scherzen: Wenn der NDR sie als Expertin zitiert, hat sie bestimmt auch schon für die Grünen kandidiert … Und: Treffer. 2019 war Lange Kandidatin der Grünen in Freiburg. In der real existierenden Pandemie hat Berit Lange eingeräumt, dass es für Kinder vielleicht nicht ausschließlich psychisch förderlich ist, sie zuhause wegzuschließen – hat sich dann aber trotzdem für „Homeschooling“ ausgesprochen. Es ist nicht schwer nachzuvollziehen, warum Lauterbach Berit Lange wollte.
Auf Lauterbachs Linie ist auch die Kinderärztin Julia Tabatabai. Schon früh in der Pandemie – noch als SPD-Hinterbänkler – hat Lauterbach der Welt ein Interview gegeben, in dem er die Maßnahmen als Selbstzweck outete. Er sagte, er hoffe, dass die Menschen nach Corona bereit seien, die gleichen Maßnahmen für den Klimaschutz zu akzeptieren. Tabatabai gehört zum Führungsteam der Initiative „2 slides 4 future“. Der Name ist ein Wortspiel und bezieht sich auf die Methode der Gruppe, die ebenfalls für Einschränkungen des Wohlstands zu Gunsten eines Klimaschutzes wirbt.
„2 slides for future“ verbreitet Standardvorlagen, die Wissenschaftler in ihre Vorträge einschieben sollen, um diese Vorträge so mit der Sicht der Gruppe auf den Klimaschutz zu verknüpfen. Es geht also darum, ein alternativloses Bild von „Die Wissenschaft“ zu zeichnen. In dem es in der Wissenschaft nicht Theorien einzelner Vertreter gibt, die belegt, diskutiert oder widerlegt werden können – sondern in Stein gemeißelte, ewige Wahrheiten, denen zu widersprechen als Sakrileg zu verurteilen ist. Als Kinderärztin ist Tabatabai eine hochqualifizierte Beraterin für die Folgen der Impfung – verstärkt aber auch Lauterbachs Team „Expertise Marketing“, das die Positionen des Ministers und seiner Kommission recht gut vermarkten soll.
Ebenfalls in die Kommission berufen hat Lauterbach Beate Müller. Sie ist Leiterin des Instituts für Allgemeinmedizin an der Kölner Universität. Und sie ist die beste Leiterin, die das Institut je hatte – denn es wurde erst vor knapp zwei Jahren für sie eingerichtet. Ein ziemlicher Karrieresprung, denn vorher war sie Angestellte in einer Offenbacher Hausarztpraxis. Geholfen hat ihr auf dem Karrieresprung vielleicht ihre Mitgliedschaft in der „Allianz für Klimawandel und Gesundheit“. Die Universität Köln teilt über ihre neue Führungskraft mit: „Ein Fokus ihrer Tätigkeit liegt dabei auf der Bestimmung und Gestaltung der Rolle der Hausarztpraxis im Klimawandel.“
Müllers Allianz für Klimawandel und Gesundheit arbeitet ganz im Sinne des Gesundheitsministers. Anfang Juni warnt sie pflichtgemäß mit einem Aktionstag vor dem Hitzetod. Auf dem Werbebanner dazu sprengt das Thermometer die Marke von 50 Grad Celsius schon locker. Grafisch hübsch aufbereitete Panikmache. Ganz im Sinne von Lauterbach, ganz im Sinne der absoluten Killervariante. Da darf sich Müller nicht nur über die neu eingerichtete Professur freuen, sondern auch noch im Sinne des Ministers über Impfungen mitentscheiden.
Sichert, der die Recherche angestoßen hat, wundert sich über die Zusammensetzung des Rats: „Sieben Personen sind nicht nur nachweisliche Impffanatiker, sondern machen sich auch Gedanken über den ,Umgang mit Impfskeptikern‘“. Die Mitglieder der Kommission würden bisher vom Bundesrat ständig als Experten eingeladen. Für die Zukunft bezweifelt Sichert deren Unabhängigkeit: Er fordert Lauterbach „daher dringlich dazu auf, den bereits initiierten Lobbyismus zu stoppen und dafür zu sorgen, dass die Stiko unabhängig – gerade auch von politischer Einflussnahme – arbeitet“.