Martin Wansleben ist alles andere als ein Wutbürger. Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer ist Rheinländer, ein fröhlicher Mensch und mancher Journalist sagt ihm sogar eine zu große Nähe zu Kanzler Olaf Scholz (SPD) nach. Umso ernster ist zu nehmen, was Wansleben am Rande der Präsentation der Konjunkturumfrage gesagt hat: „Die Frage der Sicherheitsarchitektur hat mittlerweile wirtschaftspolitische Relevanz.“ Das ist diplomatisch ausgedrückt. Journalistisch gesprochen lautet die Frage: Wie viel Krieg verträgt Deutschland?
Der Bruch mit Russland hat die deutsche Wirtschaft schwer getroffen. Der Gasschock haute die Kennzahlen in den Keller. Doch das war nur ein vorrübergehender Moment. Mittlerweile wirken sich stattdessen strukturelle Probleme der deutschen Wirtschaft deutlich aus. Neben der katastrophalen Energiepolitik – etwa dem Atomausstieg – belastet die deutsche Wirtschaft zunehmend die Standortpolitik, wie Wansleben berichtet. Dazu gehört für eine Mehrheit der von der Kammer befragten Unternehmer eine dysfunktionale Bürokratie, die sich in alle Belange einmischt, die Betriebe mit Regulierungswut peinigt und Unternehmertum immer komplizierter macht. Mit Folgen: Die „Ausrüstungsinvestitionen“ liegen laut Kammer sogar noch unter denen von 2019 – also der Zeit vor der Coronapolitik. Das heißt: Die Firmen verdienen noch Geld mit den Maschinen, die eben da sind. Aber sie stellen keine neuen Maschinen auf.
Der vorzeitige Bruch der Ampel wird immer wahrscheinlicher. Es ist die FDP, die verstanden hat, dass vier Jahre Ampel ihr sicherer politischer Tod wäre. Ihr Generalsekretär Bijan Djir-Sarai wirbt offen für einen Bruch mit der Ampel und strebt die alte Bonner Koalition mit der CDU an. Deren Chef Friedrich Merz wiederum hat sich für eine Koalition mit den Grünen ausgesprochen. Da er gemerkt hat, wie unbeliebt diese ist, hat er sich an diesem Dienstag wieder mal in der Disziplin geübt, die er am besten beherrscht: Zurückrudern. Von dieser Dreiecksbeziehung FDP, CDU und Grüne wird noch zu reden sein.
Für einen Bruch mit der Ampel sprechen noch zwei weitere Punkte: Die FDP kann die Versuche von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) nicht hinnehmen, Meinungs- und Versammlungsfreiheit auszuhöhlen, weil die hessische Wahlverliererin den politischen Gegner nicht mehr mit Argumenten bekämpfen will, sondern mit staatlicher Drangsalierung. Den älteren Abgeordneten in der FDP ist klar, dass die Partei ihren Bürgerrechtsflügel für alle Zeit verliert, wenn sie das mitträgt.
Die Ampel hat bereits bei einem Thema keine Mehrheit zustande bekommen: in der Abstimmung um die allgemeine Impfpflicht im April 2022. Damals war Scholz schlau genug, dass der Antrag dazu weder von der Regierung noch von einer Fraktion kam, sondern von einzelnen Abgeordneten. So konnte der Kanzler nach dem Scheitern des Antrags so tun, als ob das Scheitern nicht sein Scheitern sei, sondern das der einzelnen Abgeordneten. Mit Hilfe des üblichen Wohlwollens staatlicher und staatsnaher Medien war dies möglich. Finden sich neben Strack-Zimmermann weitere Abweichler – zum Beispiel Anton Hofreiter von den Grünen – oder fehlt dem Antrag der Ampel gar am Schluss die Mehrheit, dann wäre Olaf Scholz massiv beschädigt. Noch stärker beschädigt, als er es ohnehin schon ist.
Der Krieg verbindet die drei Partner CDU, Grüne und FDP. Die Wirtschaftspolitik trennt sie. Doch auch da könnte der Krieg eine Brücke bauen. CDU und Grüne propagieren und praktizieren den Umbau zu einer staatlichen Planwirtschaft. Diesen Umbau begründen sie mit dem Narrativ des „Klimaschutzes“. In Deutschland schämt sich die Partei Ludwig Erhards zwar noch für den Verrat an ihrer Tradition, in Brüssel betreibt Ursula von der Leyen diesen Verrat ganz offen. Der Green New Deal der EU ist nichts anderes als der Abschied von der Markt- in die staatliche Planwirtschaft. Ursula von der Leyen wird übrigens das Gesicht der CDU für die EU-Wahl.
Der Klimaschutz hat aber als Narrativ, das diesen Umbau rechtfertigen soll, ausgedient. „Das Kind“ Greta Thunberg warb lange für diesen Umbau, fällt aber als Werbeträgerin aus, seitdem sie antisemitische Hetzsymbole vor der Kamera platziert. Die Klimakleber haben sich von der Straße verabschiedet und beklagen, wie unpopulär sie in der Bevölkerung sind. Und Habeck hat demonstriert, wie eine ökologische Transformation endet, wenn sich der Staat darum kümmert, dort aber ein Kinderbuchautor die Entscheidungen für eine bis dahin starke Volkswirtschaft trifft.
Vordenkerinnen der staatlichen Planwirtschaft wie die TAZ-Journalistin Ulrike Herrmann sprechen bereits offen davon, dass eine Kriegswirtschaft der Weg wäre, diese Planwirtschaft herbei zu führen. Der Begriff liegt dieser Tage in der Luft. Doch im Umgang mit diesem ist Vorsicht geboten. Eine Kriegswirtschaft heißt nicht, die Militärausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes zu erhöhen – auch nicht auf fünf oder zehn Prozent. Kriegswirtschaft heißt; dass Kinder nicht zur Schule gehen, sondern Granaten zusammenschrauben; keine Verbrauchsgüter mehr produziert werden und der Staat festlegt, wer was produziert.
Eine Kriegswirtschaft ist wie eine Droge. Anfangs puscht der Staat mit viel Geld den Kreislauf an. Eine schwächelnde Wirtschaft wie die deutsche wäre plötzlich wieder vital. Doch wie bei jeder Droge verpufft der Effekt immer schneller. Will der Süchtige ihn wieder herstellen, muss er die Dosis permanent erhöhen und die Zeitspannen zwischen den Einnahmen verkürzen. Bis er sich irgendwann den Goldenen Schuss setzt. Auch ist das Wachstum einer Kriegswirtschaft unproduktiv. Der Geldkreislauf befördert Zerstörung und eben keinen Aufbau. England hat sich von der Zeit der Kriegswirtschaft erst in den 80er Jahren erholt – und auch da nur halbwegs.
Im Krieg stirbt die Wahrheit bekanntlich zuerst. Die USA haben Julian Assange zum Schwerverbrecher gestempelt, weil der öffentlich gemacht hat, dass die US-Armee systematisch Kriegsverbrechen begangen hat. Im Krieg ist das locker möglich, das Paket von Faeser und Paus würde plötzlich harmlos wirken und könnte von der FDP mitgetragen werden. Nach dem Motto: Verantwortung, wir konnten ja nicht, wir wussten ja nicht – was die Unterdrücker der Freiheit halt so sagen, wenn ihre Zeit zu Ende geht. Entsteht eine Koalition aus CDU, Grünen und FDP als Kriegskoalition, ist das alles möglich.