Friedrich Merz hat am Wochenende gleich zwei Koalitionsangebote erhalten. Der erste Vorsitzende der neu gegründeten Werteunion, Hans-Georg Maaßen, erklärte die CDU zum Premiumpartner. Auch die Ex schickt den Christdemokraten Zeichen, dass sie sich wieder einen Aufguss der alten Liebe vorstellen könne: FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte der Bild am Sonntag: „Wer ökologische Transformation will, wer funktionierende soziale Sicherungssysteme will wie unsere Koalitionspartner, der muss sich darüber im Klaren sein, dass wir dafür als Voraussetzung den wirtschaftlichen Erfolg dieses Landes brauchen.“
Das war gerade noch so viel, dass der FDP-Generalsekretär nicht gleich mit den aktuellen Partnern SPD und Grüne Schluss macht. Deshalb bedient er sich des gemeinsamen Vokabulars: „ökologische Transformation“. Das war aber auch ein deutlicher Wink in Richtung des Blackrock-Manns an der Spitze der CDU. Um in der Metapher zu bleiben: Djir-Sarai hat den Rock angehoben und Merz auf das Strumpfband linsen lassen. Denn Djir-Sarai sprach davon, dass man auf Politikfeldern scheitern würde, wenn man keine wirtschaftliche Grundlage habe. Besser ließe sich die Ampel nicht zusammenfassen. Und falls das noch nicht deutlich genug war, sprach der FDP-General auch noch davon, dass die Grünen „Notwendigkeiten“ nicht umsetzten und er sich einen kompetenten Wirtschaftsminister wünsche.
Für rot-grüne Politik gibt es in Deutschland keine gesellschaftliche Mehrheit. Olaf Scholz (SPD) kann eine Ampel anführen, weil es ihm 2021 gelungen ist, 1,5 Millionen Wähler von der Union zu sich rüber zu ziehen in dem Versprechen, die Bräsigkeit der Ära Angela Merkel (CDU) fortzuführen. Doch ohne die Wähler der FDP würde das immer noch nicht reichen. Die haben sich zum größten Teil für die Liberalen entschieden, weil diese 2017 und 2021 eine Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit forderten – zuerst in Sachen Aufgabe der Grenzen, dann in Sachen Coronapolitik. Bekommen haben sie: eine unnötige Verlängerung der Coronapolitik. Eine Ausweitung der Einwanderung, die größtenteils in den Sozialsystemen landet. Eine Erhöhung des Bürgergelds um 25 Prozent innerhalb eines Jahres. Einen Ausstieg aus der Kernkraft inmitten einer großen Öl- und Gaskrise. Habecks Heizhammer und eine Innenministerin, die Rechtsstaatlichkeit zu Gunsten des Kampfs gegen Rechts opfern will.
Derzeit betreibt die Ampel eine grün-rote Politik, die dank der Stimmen der FDP eine parlamentarische Mehrheit hat. Der aber eine gesellschaftliche Mehrheit fehlt. Über kurz oder lang scheitert in einer Demokratie eine Regierung, die gegen den Willen der gesellschaftlichen Mehrheit agiert. Im Fall der Ampel scheint es nur kurz zu dauern. SPD und Grüne schaffen zusammen kaum noch 30 Prozent in den Umfragen. Der FDP droht der nächste Rausschmiss aus dem Bundestag. Die Ampel trickst die Mehrheit zwar aus, doch die fällt nicht darauf rein.
CDU-Chef Friedrich Merz ist angetreten, die Trickserei fortzusetzen. Das zeigt sich schon in seiner Personalpolitik. Er hat das Personal seines Vorgängers Armin Laschet übernommen und befördert. Zum Beispiel Isabelle Fischer. Die hat zum Kommunikationsteam gehört, mit dem Laschet einen uneinholbaren Vorsprung verspielt hat. Isabelle Fischer selbst wurde in diesem Wahlkampf plakatiert. Als Altenpflegerin. Die CDU wollte volksnah sein und sich mit echten Arbeitnehmern schmücken – kennt aber offensichtlich keine. Deswegen nahm die Partei halt die Büro-Apparatschicks, die dort bei einer Soja-Latte halt so rumgammeln und plakatierte die Parteikollegin als Altenpflegerin.
Das Kerngeschäft, die Kommunikation, komplett verbockt? Beim plumpen Schwindel ertappt? So eine kann doch unter Friedrich Merz nicht stellvertretende Sprecherin bleiben? Richtig. Der Blackrock-Mann hat Isabelle Fischer zur Sprecherin befördert. Leistung muss sich zwar lohnen. Aber nur in der richtigen Welt. In der CDU nimmt man halt den, der da so rumhängt und außerhalb der Partei nichts mehr werden kann. In diese Wurstigkeit passt es, dass Friedrich Merz die grün-rote Politik verlängern will, obwohl diese keine gesellschaftliche Mehrheit hat. Er tritt nicht an, um als Kanzler etwas zu verändern. Merz tritt nur an, um selbst Kanzler zu sein.
In einer Demokratie kann sich eine Regierung nicht halten, die gegen die gesellschaftliche Mehrheit agiert. Sie wird bei Wahlen abgestraft. Die etablierten Parteien arbeiten daran, Wahlen auszutricksen. Zuerst hat die FDP Wähler geangelt, um mit deren Stimmen einer Regierung ohne gesellschaftliche Mehrheit ins Amt zu helfen. Nun will das Friedrich Merz mit der Union wiederholen. Die Rechtfertigung dafür ist die „Brandmauer“. Die haben die Parteien Linke, SPD, Grüne, FDP und CDU hochgezogen, um die AfD damit auszugrenzen. Diese sei rechtsextrem.
Das hat die AfD nicht davon abgehalten, auf 20 Prozent in den Umfragen anzuwachsen und im Osten erste kommunale Ämter zu besetzen. Außerdem erlebt das Land eine Gründungswelle: DAVA, Bündnis Deutschland, Bündnis Sahra Wagenknecht und die Letzte Generation wollen zur EU-Wahl zum ersten Mal kandidieren. In einer Demokratie kann sich eine Regierung nicht halten, die gegen die gesellschaftliche Mehrheit agiert. Ignorieren die bestehenden Parteien die gesellschaftliche Mehrheit oder setzen sich bewusst über sie hinweg, dann sucht sich die Mehrheit halt neue Parteien. AfD und Bündnis Sahra Wagenknecht haben bei der EU-Wahl daher gute Chancen. Die Werteunion tritt erst zu den Landtagswahlen im September an.
Die etablierten Parteien haben noch nicht aufgegeben. Sie wollen sich weiter über die gesellschaftliche Mehrheit hinwegsetzen. Die Brandmauer soll nun auch die Neuen einschließen. Im Staatsfernsehen und in den staatsnahen Medien mehren sich die Beiträge, die Sahra Wagenknecht skandalisieren. Hans-Georg Maaßen ist für diese Art von Medien ohnehin schon der Erzfeind, seit er deren Verbreitung der Regierungssicht von einer „Hetzjagd“ in Chemnitz anzweifelte. Die Brandmauer soll also nicht nur die AfD, sondern auch Werteunion und BSW von den Fleischtöpfen der Macht fernhalten. Doch mit jeder neuen Partei, die als rechtsextrem gelabelt und hinter der Brandmauer eingeschlossen wird, verliert dieses Instrument an Glaubwürdigkeit. Dieser Prozess ist ohnehin schon weit fortgeschritten.
Was aber, wenn du Wahlen nicht gewinnen kannst, das Instrument schwächelt, mit dem du Wahlen austrickst und weiterhin gilt: In einer Demokratie kann sich eine Regierung nicht halten, die gegen die gesellschaftliche Mehrheit agiert? Dann musst du auf die Macht verzichten oder auf die Demokratie. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zeigt derzeit, dass sie zu Letzterem entschlossen ist. Sie will die Aufgabe der Bürgerrechte für politische Gegner. Sie will die Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit für Andersdenkende. Die CDU? Schweigt dazu. Wir haben die Partei schon mehrfach zu einer Einschätzung zu dem Thema angefragt. Eine Antwort kam bisher dazu nicht. Zuständig für eine Antwort ist übrigens Isabelle Fischer.