Ein nüchterner Blick auf die Umfragen für Bundestags- und Europawahlen zeigt – trotz der in Szene gesetzten Regierungs-Aufmärsche und den Drohungen der Innenministerin sowie des Verfassungsschutz-Präsidenten gegen alle, die nicht den Regierungskurs befürworten –, dass die Wählerstimmen stabil, stabil auch in der Tendenz sind. Die Ampel verliert immer mehr an Zuspruch, CDU und AfD bleiben stabil, die FDP hat ihre Zeit im Bundestag, in den Landtagen und überhaupt als Partei hinter sich. Fährt man nach Potsdam, sieht man Bäume rechts und links der Straße, auf denen steht auf der linken Seite „Ampel“ in roter Farbe und rechts der Straße auch in roter Farbe „weg“. Und da man die Straße eben dazwischen nehmen muss, kann man die Straße als Symbol für das finite Verb „muss“ nehmen: Ampel muss weg.
Nancy Faeser hat die gegen das Grundgesetz gerichteten Versuche, die Opposition zu kriminalisieren, unter anderem mit dem Satz gerechtfertigt: „Wir wollen bei Rechtsextremisten jeden Stein umdrehen. Diejenigen, die den Staat verhöhnen, müssen es mit einem starken Staat zu tun bekommen.“ Heißt das: Wer spottet, kommt in Haft, wird enteignet oder aus der Öffentlichkeit verbannt? Politisches Kabarett, wenn es das noch gäbe, wäre heute ein Staatsverbrechen? Denn politisches Kabarett ist nur ein anderer Name für die Verhöhnung des Staates.
Das Kabarett sah nicht wie heute die Staatscomedians seine Aufgabe darin, im Auftrag der Regierung die Bürger zu verhöhnen, zu beschimpfen und zu schurigeln, sondern seine vornehmste Pflicht, den Grund seines Berufs darin, im Auftrag der Bürger oder des gesunden Menschenverstandes den Staat und seine Repräsentanten zu kritisieren, zu verlachen, lächerlich zu machen – eben zu verhöhnen.
Die Pflicht, oder besser: das Recht zum Lachen über die Mächtigen ist die explizite Formulierung, die in unserem Grundgesetz fehlt. Denn das Lachen über die Mächtigen ist ein Kernelement der Demokratie. Dieses Lachen empfinden die Ampel-Leute am Vormittage ihrer Apotheose als Verhöhnung des Staates, denn wie Ludwig XIV glauben die Ampel-Leute, dass nicht die Bürger, sondern sie der Staat wären. Die grundsätzliche Befähigung eines Politikers, ja als Kriterium seiner Eignung als demokratischer Politiker besteht im Gegenteil darin, sich selbst nicht allzu wichtig zu nehmen, denn wer sich selbst nur allzu wichtig nimmt, ist ein Wichtigtuer, einer mit totalitären Neigungen zudem, weil er die eigene Person als total setzt. Was ist das Ganze gegen mich, fragt er? Nichts, lautet die demokratische Antwort. Und was wird aus mir, fragt er? Nichts, möchte man wieder gut demokratisch antworten.
Nancy Faeser will „jeden Stein“ umdrehen. Sie scheint nicht zu wissen, worüber sie redet, welchen Zusammenhang sie aufruft: Die Redensart, jeden Stein umzudrehen, was heißt auf der Suche nach etwas zu sein, besitzt einen klaren Kontext, eine ziemlich feste Konnotation und stammt wie so vieles aus der Antike. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass der große Gelehrte Johann Joachim Winckelmann den Europäern der klassischen Epoche oder der Kunstperiode diese Redensart, dieses Verlangen wie vieles aus der antiken Kunst und Kultur wiederentdeckt hat. Nicht nach Feinden wird jeder Stein, sondern nach der Wahrheit, nach Wissen wird jeder Stein gewendet.
So heißt es am Schluss von Winckelmanns epochemachender „Geschichte der Kunst“: „aber wir kehren jeden Stein um, und durch Schlüße von vielen einzelnen, gelangen wir wenigsten zu einer muthmaßlichen Versicherung, die lehrreicher werden kann, als die uns von den Alten hinterlassenen Nachrichten, die, außer einigen Anzeigen von Einsicht, blos historisch sind. Man muß sich nicht scheuen, die Wahrheit auch zum Nachtheile seiner Achtung zu suchen, und einige müssen irren, damit viele richtig gehen.“
Die Wahrheit lautet aber, dass Bund, Länder und Kommunen 2023 fast eine Billion Euro, geschätzt 916 Milliarden Euro einnahmen und es dank der Steuer- oder Abgabenerhöhungen im Jahr 2024 über eine Billion Euro werden. Die Wahrheit ist also, der Staat wird reich, weil seine Bürger arm werden. Doch der Staat lässt aus den üppigen Steuereinnahmen teure Spendierhosen schneidern, die Robert Habeck gern anzieht, wenn er sich zu Konzernchefs chauffieren lässt, die liebend gern, wenn es Subventionen regnet, seine Träume in Potjomkinsche Dörfer umsetzen, mit denen sich Svenja Schulze und Annalena Baerbock gern kleiden, wenn sie nach Brüssel oder nach Peru, nach Ramallah oder nach Brasilien fliegen. Nicht umsonst prägten die Amerikaner das Wort vom ’stupid german money‘, und da alle Welt Englisch spricht, hat sich der Begriff auch auf der ganzen Welt verbreitet, so empfängt man die Damen und Herren der Regierung gern, wenn sie in teure Spendierhosen kommen, oder macht sich auf den Weg nach Deutschland zu den fleißigen Verteilämtern.
Aber die Wahrheit über die Vertreter des Staates verstehen selbige als Hohn, wo sie es doch so gut machen, wie sie eben können. Und da sie der Staat sind, ist es „Staatsverhöhnung“, gegen die der starke Staat zum Einsatz kommt. Übrigens ist der starke Staat so ganz und gar nicht stark gegen Pro-Hamas-Aufmärsche, er ist nicht stark, wenn der Brüll-Mob israelische Richterinnen aus deutschen Hörsälen jagt. Kennen wir das nicht aus der Geschichte? Doch ausgerechnet in diesem Fall ist nie wieder eben nicht jetzt. Der Staat ist so ganz und gar nicht mehr stark, wenn er die Neutralität der Universitäten und Hochschulen, die Wissenschafts- und Meinungsfreiheit zu schützen hat. Dann ist der Faeser-Staat erstaunlich schwach.
1950 ging der DDR-Staat gegen diejenigen, die den Staat verhöhnen, auch in Güstrow vor. Acht Jugendliche, von denen fünf der Liberaldemokratischen Partei angehörten, wurden vor Gericht gestellt wegen der „Verbreitung von Gerüchten, Kriegs- und Boykotthetze und Völkerhass“. Kritik an der Sowjetunion hieß damals „Völkerhass“, Sorgen über den Koreakrieg wurde „Kriegshetze“ genannt, Kritik an der DDR und an der SED-Regierung bezeichnete man als „Hetze“, genauer als „Boykotthetze“, während Kritik an der Wirtschaftspolitik und das Benennen ihrer Auswirkungen als „Verbreitung von Gerüchten“ diffamiert wurde. Der aktivistische Reporter berichtete damals begeistert: „Jetzt stehen sie vor dem Gericht des Volkes und sehen ihrer gerechten Strafe entgegen. Einmütig erwartet unsere Bevölkerung von dem Gericht, dass es das erfüllt, was auf der Stirnwand im Verhandlungsraum steht: ‚Das Volk straft alle hart, die seinen demokratischen Aufbau stören‘.“
Es ist ein ungutes Zeichen, dass Nancy Faeser und eben auch Medien sprachlich, wie die philologische Analyse zeigt, nahe am Sprachgebrauch der DDR-Regierung sind, zu einer Zeit, als der Osten Deutschlands zu einer stalinistischen Diktatur wurde. Der Beobachtungsbereich Delegetimierung des Staates erinnert an den Paragraphen 220 des Strafgesetzbuches der DDR. Da heißt es unter dem Stichwort Staatsverleumdung:
„(1) Wer in der Öffentlichkeit:
1. die staatliche Ordnung oder staatliche Organe, Einrichtungen oder gesellschaftliche Organisationen oder deren Tätigkeit oder Maßnahmen;
2. einen Bürger wegen seiner staatlichen oder gesellschaftlichen Tätigkeit, wegen seiner Zugehörigkeit zu einem staatlichen oder gesellschaftlichen Organ oder einer gesellschaftlichen Organisation verächtlich macht oder verleumdet, wird mit Freiheits- strafe bis zu zwei Jahren oder mit Verurteilung auf Bewährung, Geldstrafe oder mit öffentlichem Tadel bestraft.“
Sucht man nach einer Erklärung, weshalb der Staat auf dem linken und dem grünen Auge blind ist, weshalb immer mehr, alles, was rechts von der Sozialdemokratie und den Grünen ist, zunehmend als rechts mit steter Gleichsetzung von rechtsextrem geschieht, muss man nur einen Blick auf die Wählerumfragen und auf die Wirtschaftsdaten werfen. Während INSA für die Union und die AfD 50,5 Prozent misst, so kommt die Ampel auf 27,5 Prozent. Die FDP wäre mit 3,5 Prozent nicht mehr im Bundestag vertreten, doch würden die Freien Wähler mit 3 Prozent fast so viele Wähler von sich überzeugen können wie die FDP. Wagenknechts BSW wird mit 7,5 Prozent gemessen, doch diese Zahl ist noch spekulativ.
Zur Europa-Wahl kämen Union und AfD auf 49 Prozent, SPD und Grüne mit 16 und 10,5 Prozent auf 26,5 Prozent, während die Grünen im Vergleich zur letzten Europawahl die großen Verlierer wären, weil sie 10 Prozentpunkte verlieren, die AfD wiederum als die großen Gewinner 11 Prozentpunkte gewinnen würden.
Deutschland befindet sich in der Rezession, das Wirtschaftswachstum befindet sich im Negativbereich, und es wird 2024 noch schlechter ausfallen. Die Krise ist nicht gekommen, sie ist auch nicht vom Himmel gefallen, sie wird im Wirtschaftsministerium gemacht. Aber auch diese belegbare Aussage dürften Faeser und Co. inzwischen als Staatsverhöhnung ansehen, wie alles, was der Wirklichkeit entspricht. Grotesk, die Wirklichkeit verhöhnt den Staat.
Angesichts sinkender Wählerakzeptanz würden Demokraten im Wettbewerb der Meinungen Argumente und Konzepte liefern, um die Bürger zu überzeugen, doch diese Regierung antwortet stattdessen immer stärker mit den Mitteln der Einschüchterung und des Inlandgeheimdienstes. Sie erweckt immer stärker den Eindruck, dass sie kein demokratisches Votum gegen sich akzeptieren und auf kein Mittel auch außerhalb der demokratischen Spielregeln, um im Amt zu bleiben, verzichten will, und das umso mehr die Folgen ihrer in allen Bereichen von Wirtschaft, über Migration, Bildung und Gesellschaft vollkommen falschen Politik sichtbar werden.