In der Auseinandersetzung um den Wahrheitsgehalt des Correctiv-Berichts vom 10. Januar 2024 über ein angebliches „Geheimtreffen“ in Potsdam und einen dort vorgeblich besprochenen „Geheimplan“ zur Massenvertreibung von deutschen Staatsbürgern kommt es demnächst zum Finale vor Gericht. Sieben Teilnehmer des Treffens widersprechen in eidesstattlichen Versicherungen der Behauptung von Correctiv, bei der Veranstaltung seien die unterstellten Formulierungen zur angeblichen Deportation von Deutschen mit Migrationshintergrund gefallen.
Außerdem mahnte der Staatsrechtler Ulrich Vosgerau Correctiv wegen angeblicher Äußerungen zum Thema Briefwahl ab, die die Medienplattform ihm unterstellt, und die Vosgerau als unwahr zurückweist. Da Correctiv sich weigerte, eine entsprechende Unterlassungserklärung abzugeben, geht die Sache nun vor Gericht.
Noch vor der Verhandlung meldete sich Correctiv-CEO David Schraven mit einer bemerkenswerten Drohung. Auf X schrieb Schraven: „Ich weise freundlich darauf hin, dass die Abgabe von falschen eidesstattlichen Versicherungen strafbar ist. Ich wäre an Stelle der Leute sehr vorsichtig. Wir haben unsere Arbeit sorgfältig gemacht. Und wir haben kein Problem damit, 7 Leute zu überführen.“
Seine Ankündigung, die Teilnehmer wegen einer falschen Versicherung an Eides statt zu „überführen“, wirkt aus mehreren Gründen seltsam. Zum einen finden sich in dem Correctiv-Text vom 10. Januar keinerlei wörtlichen Zitate, die belegen würden, dass bei dem Treffen in Potsdam jemand die massenhafte Vertreibung von Migranten mit deutscher Staatsbürgerschaft gefordert hätte. Alle Formulierungen in dieser Richtung tauchen in dem Artikel nur in indirekter Rede und mit dem Hinweis auf, die entsprechenden Aussagen seien sinngemäß so gefallen.
Für die eigentliche Skandalisierung sorgte das Medium mit seiner kruden Parallele zur nationalsozialistischen Wannsee-Konferenz 1942 – und durch Passagen, in denen es hieß, wenn Rechtsextremisten von Remigration sprächen, sei ohnehin klar, dass eigentlich eine Massenvertreibung einschließlich Deutscher mit Migrationshintergrund gemeint sei. Die stellvertretende Correctiv-Chefredakteurin Anette Dowideit behauptete im ARD-Presseclub sogar, die Medienplattform hätte den Begriff „Deportation“ überhaupt nicht benutzt. Das hatte sie allerdings sehr wohl – allerdings nur im Zusammenhang mit Deportationsplänen aus der NS-Zeit, nicht als explizite Behauptung, ein Teilnehmer des Treffens habe von „Deportation“ gesprochen.
Nach Schravens Drohung stellt sich erstens die Frage: Wenn Correctiv über gerichtsfeste Belege verfügt, wer auf dem Treffen mit welcher wörtlichen Formulierung aufgetreten war – warum finden sich diese wörtlichen Zitate dann nicht in dem Correctiv-Artikel? Bis jetzt wurden sie auch nicht nachgereicht.
Und zweitens: Warum rückt Correctiv nicht spätestens jetzt damit heraus? Da die eidesstattlichen Versicherungen der Teilnehmer schon Teil des Verfahrens sind, müsste Correctiv nicht erst bis zur Gerichtsverhandlung damit warten, gleich sieben Teilnehmer des Treffens einer Straftat zu überführen. Bis zum heutigen Montag veröffentlichte Correctiv jedenfalls keine entsprechenden Belege.
Die dritte Frage lautet: Welcher Art sollten die von Schraven angekündigten Beweise sein? Bisher hatte Correctiv auf Anfrage behauptet, das Treffen nicht heimlich abgehört zu haben, sondern über andere „Quellen“ zu verfügen, die aber nicht genannt werden könnten.
Auf der Correctiv-Webseite heißt es schon seit gut vier Wochen: „Für jene, die an der Glaubhaftigkeit unserer Schilderungen zweifeln: Bis heute hat keiner der AfD-Teilnehmenden an dem Treffen bestritten, dort über Pläne, Menschen aus Deutschland zu drängen, beraten zu haben.“ Nur: Bei „Menschen aus Deutschland zu drängen“ handelt es sich um eine sehr vage Formulierung. Sie trifft beispielsweise auch auf die Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz im SPIEGEL zu: „Wir müssen im großen Stil abschieben“, genauso auf die im Ampel-Koalitionsvertrag festgeschrieben – aber bisher nur nicht erfolgte – „Rückführungsoffensive“.
Abgesehen davon, dass kein Teilnehmer an dem Potsdamer Treffen irgendein staatliches Amt bekleidet und über die Macht verfügt, „Menschen aus Deutschland zu drängen“ – über Abschiebungen von Migranten ohne Bleibeperspektive zu reden, wäre völlig unspektakulär, und unterschiede sich nicht von dem, was auch Ampel-Politiker äußern. Trotz dieser bewusst sehr weichen Formulierung schreibt Correctiv auf seiner Seite aber auch: „Wir haben sehr zuverlässige Quellen und daher überhaupt keinen Zweifel daran, dass unsere Darstellung dessen stimmt, was bei dem Treffen gesagt wurde. (…) Wir haben alle Belege sorgfältig geprüft. Über unsere Quellen können wir allerdings keine Auskunft geben, denn Quellenschutz ist ein elementarer und oft geübter Grundsatz im Investigativjournalismus, um diese nicht in Gefahr zu bringen.“
Sollte Correctiv also seine Drohung wahrmachen, den eidesstattlichen Erklärungen vor Gericht irgendwelche aus mysteriösen Gründen bislang unveröffentlichten Belege entgegenzuhalten, müsste die Medienplattform ihre Quellen offenlegen.
Angesichts dieser Widersprüchlichkeit reagiert Carsten Brennecke, der Anwalt, der die Teilnehmer des Treffens vertritt, gelassen. Ebenfalls auf X schrieb der Jurist aus der renommierten Kanzlei Ralf Höcker:
„Gleich 7 Teilnehmer des Potsdam – Treffens versichern an Eides statt, dass die Correctiv-Wertung, dort sei über die Ausweisung deutscher Staatsbürger oder eine Ausweisung nach rassistischen Kriterien gesprochen worden, falsch sei. Warum sollten diese Bestätigungen falsch sein, wo doch selbst Correctiv bei genauer Betrachtung bis heute nicht die Tatsache behauptet hat, diese Aussagen seinen dort gefallen (!) – wohl aus gutem Grund. Es würde mich wundern, wenn Herr Schraven nun in Kenntnis der Versicherungen der Erste im Hause Correctiv wäre, der fest behauptet, dies sei beim ‚Geheimtreffen‘ wirklich geäußert worden.“
Damit trifft der Anwalt einen entscheidenden Punkt: Selbst in seiner drohenden Aussage von einer bevorstehenden „Überführung“ erklärt Schraven nicht explizit, auf dem Treffen sei die massenhafte Ausweisung deutscher Staatsbürger gefordert worden – sondern formuliert wieder vage und nebulös. Auch Ulrich Vosgerau, der gegen Correctiv rechtlich vorgeht, bezeichnet gegenüber TE Schravens Wortmeldung als „nicht ernstzunehmende Drohung“.
Schraven bedient sich in rechtlichen Auseinandersetzungen nicht zum ersten Mal der Suggestion, um einen bestimmten Eindruck in der Öffentlichkeit zu erzeugen. Als „Tichys Einblick“ 2019 gegen Correctiv klagte, weil die steuerfinanzierte Plattform auf Facebook verlinkte Beiträge von TE mit einem rufschädigenden „Warnhinweis“ versehen hatte, erweckte Schraven nach einem Erfolg in der ersten Instanz den (falschen) Eindruck, der Rechtsstreit sei damit abgeschlossen, und Correctiv stünde als Sieger fest: „Wir treiben nun das Geld für die Prozesskosten bei Tichy ein. Ende.“
Wie bei Verfahren dieser Art üblich folgte eine Verhandlung in zweiter Instanz, die TE gewann: Das Oberlandesgericht Karlsruhe untersagte Correctiv in dem Musterfall, um den es in dem Verfahren ging, seinen „Warnhinweis“ auf Facebook mit dem TE-Beitrag zu verknüpfen. Selbst nach diesem rechtskräftigen Urteil veröffentlichte Correctiv einen weitschweifigen Artikel, in dem der Eindruck erweckt wurde, Correctiv habe zumindest halb gewonnen. Beispielsweise stellte das Medienunternehmen heraus, die Richter hätten ja gar nicht seine „Faktenchecks“ an sich beanstandet. Darum ging es in dem Prozess allerdings auch gar nicht.
Seine Glaubwürdigkeit hatte Correctiv in den letzten Wochen ohnehin stark erschüttert. Die Correctiv-Vertreterin Anette Dowideit behauptete etwa bei ihrem Auftritt im ARD-Presseclub: „Wir werden nicht von der Regierung bezahlt.“ Tatsächlich erhielt die Plattform allein 2023 mehr als eine halbe Million Euro aus Töpfen des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen. In ihrer Werbung für das Buch „Der AfD-Komplex“, in der Correctiv ursprünglich behauptet hatte, bei dem „Geheimtreffen“ in Potsdam sei über „Deportation“ gesprochen worden, entfernte die Medienplattform nachträglich das Wort – nachdem Dowideit behauptet hatte, Correctiv hätte es überhaupt nicht benutzt.
Die bevorstehende rechtliche Auseinandersetzung dürfte nun spannend werden. So oder so: Correctiv wird seine Karten auf den Tisch legen müssen.