Tichys Einblick
500 Tage leeres Versprechen

Marco Buschmanns peinliches Jubiläum

Die Bild-Zeitung unterstützt gerne mal die FDP, wie ihr Verlagschef Mathias Döpfner unwillentlich zugab. Daher inszenierte die Redaktion Justizminister Marco Buschmann vor 500 Tagen als harten Hund – tat ihm damit aber keinen Gefallen.

IMAGO

Es gibt ikonische Bilder, die das Zeug dazu hatten, politische Karrieren zu stören oder gar zu zerstören: Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD) in der Badehose, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Schweißflecken unterm Arm oder Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) bei näckischen Spielen im Pool mit seiner Gräfin. Das Foto, das die Amtszeit von Marco Buschmann und der gesamten Ampel beschreibt, zeigt ihn vor 500 Tagen (halbwegs) gut angezogen. Immerhin das.

Aber der Rest ist verheerend für das Image des zweiten Mannes der FDP. In der Schlagzeile über dem Bild in der BILD kündigt der Justizminister an: „So jagen wir die Pipeline-Saboteure“. Kurz vor dem Erscheinen waren die Pipelines Nord Stream 1 und 2 von Unbekannten zerstört worden. Entsprechend knurrig schaut Buschmann in die Kamera. Als wolle er wie der Chuck Norris der Strafverfolgung wirken. Nur sieht er halt Norris so gar nicht ähnlich. Mit pastellfarbener Krawatte, Fliege-Puck-Brille und Eisenbahnerbart. Buschmann sieht eher aus wie ein Hund, der sich selbst als Dobermann definiert, vor dem die Einbrecher weglaufen – aber biologisch ein Chihuahua ist, der die Einbrecher verbellt, während sie ihn auf den Balkon tragen.

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Nun soll Journalismus nicht nach dem Äußeren gehen. Es ist egal, ob Buschmann aussieht wie jemand, der die volle Härte des Gesetzes verspricht, diese aber nicht liefern kann. Nicht mal ansatzweise. Entscheidend ist, was Buschmann tut. An den Taten sollt Ihr sie erkennen. Nur: Buschmanns Bilanz entspricht genau dem, was das Bild vor 500 Tagen versprochen hat: ein Mann, der die volle Härte des Gesetzes verspricht, diese aber nicht liefert – und sie auch nicht liefern kann.

Vor 500 Tagen hat Buschmann versprochen, die Saboteure der Nord-Stream-Pipeline zu jagen. Die Ampel weiß seitdem nichts. Zumindest offiziell. Was wir sicher wissen: Die schwedischen Behörden haben über ein Jahr lang ermittelt, weil der Vorfall teilweise auf ihrem Hoheitsgebiet passiert ist. Diese Ermittlungen haben sie vor wenigen Tagen eingestellt, weil die schwedischen Behörden sicher festgestellt haben, dass keiner ihrer Staatsbürger den Anschlag auf die deutsche Energie-Infrastruktur zu verantworten hat. Ebenso steht fest, dass ein Anschlag auf Tiefwasser-Pipelines Vorbereitungen und Ressourcen erforderlich macht. Eine Pipeline wird nicht zerstört, weil ein Segelboot aus Versehen auf einem Törn dagegen gestoßen ist.

Weniger Sicheres wissen wir aus der Berichterstattung über mögliche Täter. Es waren ausländische Journalisten, die der Spur nachgegangen sind, die recht offensichtlich in die Ukraine führt. Wer politisch neutral ist, nennt das einen Verdacht. Wer die Ermittler dieses Verdachts zum Gespött machen will, nennt es eine Verschwörungstheorie. Was uns bleibt, sind zwei Fragen, die jeder für sich selbst beantworten kann: Würde die Bundesregierung den Verdacht unterdrücken, dass Wladimir Putins Russland einen Anschlag auf die deutsche Energie-Infrastruktur verübt hat, um den Konflikt mit Russland nicht weiter anzuheizen? Würde die Bundesregierung den Verdacht unterdrücken, dass der Verbündete Ukraine einen Anschlag auf die deutsche Energie-Infrastruktur verübt hat, weil sonst den Bürgern die Milliarden schwere Unterstützung für eben diesen Verbündeten kaum noch zu erklären wäre?

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Die Fragen sind offen. Beantworten können sie keine Journalisten. Beantworten muss sie die Justiz. Die schwedische hat ihre Arbeit getan. Sie hat plausible Ermittlungsergebnisse veröffentlicht, nach denen kein Schwede die deutsche Energie-Infrastruktur angegriffen hat. Die deutsche Justiz hat sich ihrer Arbeit bisher verweigert. Buschmanns für die BILD inszeniertes „So jagen wir die Pipeline-Saboteure“ war schnell vergessen und ist längst einem „Wir können in laufenden Ermittlungen nichts sagen“ gewichen. So soll der Bürger den Angriff auf die deutsche Energie-Infrastruktur langsam vergessen. Dabei helfen Medien, die ihren Auftrag als Vierte Gewalt so verstehen, dass sie im Namen der Regierung die Opposition kontrollieren.

Marco Buschmanns Bild in der BILD ist putzig. Deren Kampagne pro FDP peinlich. Und der nicht aufgeklärte Anschlag auf die deutsche Energie-Infrastruktur ist ein weiterer Strich auf dem Versagensbrett der Ampel. Das lässt sich alles launisch schildern. Quod erat demonstrandum. Doch das Ganze ist ernst. Der unaufgeklärte Angriff auf Nord Stream verunsichert, weil wir uns nicht sicher sein können, ob unsere eigenen Verbündeten nicht bereit sind, uns zu attackieren.

Und der Fall nimmt dem Bürger das Vertrauen in die Bundesregierung. Denn der Fall mehrt den Verdacht, dass diese Regierung bereit ist, das Gesetz zu brechen, wenn es politisch passt. Das macht Angst. Vor allem angesichts einer Innenministerin Nancy Faeser (SPD), die öffentlich darüber redet, den Staatsschutz auf Bürger zu hetzen, die ihr politisch unlieb sind. Eine Regierung, die Gesetze so anwendet, wie es ihr politisch genehm ist. Medien, die sie nicht kontrollieren, sondern unterstützen. So fangen Filme an, die böse enden.

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