Der Stellenabbau ist direkte Folge fehlender Nachfrage nach Elektroautos, um die Kapazitäten ausreichend auszulasten, überbordender Lagerbestände an unverkauften Neuwagen und messerscharfer, verlustreicher Rabattschlachten um die verbleibende Kundschaft. Und es ist indirekte Folge des politisch verordneten Umbaus der gesellschaftlichen Mobilitätspräferenzen weg von den fossilen, weil klimaschädlichen Verbrennungsmotoren hin zur vermeintlich CO2-freien Elektromobilität – mit zunehmender Verunsicherung des Marktes, welche Antriebsquelle denn künftig die zukunftsfähige wäre. Und das bei gleichzeitiger Verknappung des „grünen“ Stromangebots durch Stilllegung der Atommeiler.
Transformation und Marktschwäche treffen die Branche hart: Zum einen strukturell, weil schon der bloße Ersatz von Verbrennerautos 1:1 durch Elektroautos theoretisch für Autohersteller einen Verlust der Wertschöpfung von 40 bis 50 Prozent bedeutet. Allein die Speicherbatterie, die komplett oder in Teilen für ein in Deutschland gefertigtes Elektroauto aus Asien bezogen werden muss, hat je nach KW-Kapazität an diesem Verlust einen Anteil von bis zu rund 10.000 Euro. Dieser Teil der ehemaligen Verbrenner-Wertschöpfung geht – vor allem – den deutschen Zulieferern dauerhaft verloren.
Folge: Die Autonachfragenhat sich deutlich abgeschwächt, so wie die allgemeine Konjunktur auch, die Schrumpfung des deutschen BIP im vierten Quartal 2023 (minus 0,3 Prozent ) ist dafür symptomatisch.
Nach dem vorgezogenen Auslauftermin der Kaufsubventionen für Elektroautos auf den Jahresbeginn 2024 ist aus der zuvor ohnehin schwachen Nachfrage nach E-Autos ein regelrechter Nachfrageeinbruch geworden. Zwar versuchen alle Hersteller, den Subventionsverlust der Käufer aus eigener Tasche auszugleichen, aber ohne großen Erfolg. Hinzu kommen eine erbitterte Rabattschlacht am Markt und sinkende Preise für neue Elektroautos, die zusätzlich auch noch die Altkunden verärgert und vom Neukauf abhält.
Der Markt für gebrauchte Elektroautos ist kaum noch sichtbar, neue Elektroautos stehen in den Händler-Showrooms wie Blei und werden von der Kundschaft verschmäht. Elektroautos mögen sie nicht und Verbrennerautos sind inzwischen überproportional teuer geworden: es sind wahre Inflationstreiber. Und weil die Auto-Kunden generell verunsichert sind, für welche Antriebsart sie sich in Zukunft entscheiden sollen, entscheiden sie sich dafür, zunächst einmal überhaupt kein Auto anzuschaffen und das alte weiterzufahren.
Hiobsbotschaften allerorten, vor allem bei den Zulieferern. Dazwischen als Einsprengsel verschämte Hinweise auf eine mögliche – horribile dictu – Renaissance des vielgeschmähten Verbrenners. Was Ex-Autopapst Ferdinand Dudenhöffer sogar zu der tollkühnen Forderung nach sofortigen Neuwahlen ermutigt hat. – Von wegen Altersweisheit! Und das ist erst der Anfang der Fahnenstange.
VW folgte im Herbst 2023 nach und hat in seinen E-Auto-Fabriken Zwickau, Dresden, Emden etc. begonnen, Schichten zu streichen, Kurzarbeit einzuführen, Leiharbeiter zu entlassen und freiwerdende Stellen nicht mehr zu besetzen. Im Dezember wurde in Wolfsburg ein hartes Kostensenkungsprogramm für den Konzern aufgelegt, mit dem 10 Milliarden Euro Kosten gesenkt und in der Verwaltung jede fünfte Stelle gestrichen werden soll. Investpläne zum Neubau von Gigafactories für den kommenden Boom für Elektroautos verschwanden in der Versenkung. Ebenso die Absicht, 70 neue Elektromodelle bis 2028 auf den Markt zu bringen. Dieses Ziel hat Volkswagen offiziell verkündet. In den kommenden zehn Jahren sollen nicht weniger als 22 Millionen Elektroautos von den Bändern rollen.
Danach sieht es inzwischen nicht mehr aus. VW- Marken-Chef Thomas Schäfer kündigte an, dass aufgrund der globalen Entwicklungen große Einschnitte bei der Belegschaft anstehen. „Die Situation ist sehr kritisch. Viele Märkte sind massiv unter Druck, unsere Auftragseingänge, besonders bei den Elektroautos, liegen unter unseren ambitionierten Erwartungen“ (Münchner Merkur vom 1. Dezember 2023).
Dem VW-Beispiel sind inzwischen viele Zulieferer gefolgt. Inzwischen berichtet die Automobilwoche von massivem Stellenabbau in der Zulieferindustrie („Massiver Jobabbau bei deutschen Zulieferern steht bevor“, 21. Januar 2024, Automobilwoche.de). Die Folgen der Transformation – Verbrenner raus, Elektro rein – treten gegenwärtig voll zu Tage, nachdem die hohen Auftragsbestände aus den Vorjahren (Corona, Speicherchip-Mangel) abgearbeitet worden sind, die Läger randvoll sind und die Produktion der laufenden Nachfrage folgen muss.
Im Verband der Automobilindustrie sind über 600 Mitglieder registriert, die meisten davon kleine und mittlere Zulieferer und Dienstleister. Wie es bei Bert Brecht schon heißt:
„Denn die einen sind im Dunkeln. Und die anderen sind im Licht.
Und man siehet die im Lichte. Die im Dunkeln sieht man nicht.“
Das gilt auch für die deutsche Zulieferindustrie. Von daher soll sich die Faktenlage des Stellenabbaus auf einige wenige Schlagzeilen bei den großen Zulieferern beschränken:
- Bosch will bei Antriebssparte bis zu 1500 Stellen abbauen.
- Die Autozuliefersparte von Continental steckt in der Krise. Einem Bericht zufolge sollen rund 5.500 Mitarbeiter entlassen werden, Hunderte davon in Deutschland.
- ZF-Belegschaft protestiert gegen Stellenabbau. Betriebsrat befürchtet den Verlust von mindestens 12.000 Arbeitsplätzen.
- VW streicht in der Softwaresparte Cariad wohl 2000 Stellen.
- Brose plant Stellenabbau. Brose hat seit dem Jahr 2021 etwa 2.000 Stellen in Deutschland abgebaut. In Wuppertal soll das Werk zum Jahresende 2024 komplett geschlossen werden. Die Personalkoten müssen um 10 Prozent reduziert werden.
Im Oktober 2023 waren laut Daten des VDA in der deutschen Automobilindustrie noch 779.600 Mitarbeiter beschäftigt. Aber der Stellenabbau bleibt nicht nur auf die Kernbranche Automobil beschränkt. Laut einer Studie des Instituts für Automobilwirtschaft (Ifa) und der Fraunhofer-Gesellschaft aus dem Jahr 2023 (Handelsblatt) sorgen Elektromobilität und Digitalisierung dafür, dass auch im Kfz-Gewerbe bis zum Jahr 2040 mehr als 100.000 Arbeitsplätze in Deutschland verloren gehen werden. Das entspricht fast 30 Prozent des aktuellen Stellenvolumens.
Aktuell arbeiten im deutschen Kfz-Gewerbe noch etwa 435.000 Menschen in gut 36.000 Betrieben. Laut Studie werden davon in einem ersten Schritt bis 2030 rund 356.000 Arbeitsplätze und gut 29.000 Betriebe übrigbleiben. Im Folgejahrzehnt werden die Einschnitte weitergehen. Die Studienautoren rechnen bis zum Jahr 2040 mit 312.000 Beschäftigten und rund 23.000 Unternehmen.
Die Flaute am E-Auto-Markt zwingt sogar chinesische Hersteller in die Insolvenz, wie Aiways oder Nio, und zum Personalabbau, wie Polestar, Volvo Tochter der chinesischen Geely-Mutter. Polestar baut 15 Prozent der Stellen ab. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, sind das weltweit 450 Personen. Grund dafür seien „herausfordernde Marktbedingungen“. Schon im letzten Jahr lief es nicht so gut für den Elektroauto-Hersteller. Das Unternehmen musste seine Produktionsprognose mehrmals senken. Verkauft wurden schließlich rund 54.600 Autos, die ursprüngliche Planung sah 80.000 vor. Im Mai 2023 kündigte der Hersteller den Abbau von zehn Prozent der Arbeitsplätze an (Automobilwoche, 26.01.2024).
Dieses Beispiel belegt, dass der Abbau von Personal und Produktionskapazitäten für E-Autos kein deutsches Phänomen ist. Und das wird es auch in den nächsten Monaten nicht bleiben.