Tichys Einblick
EU-Wahlkampf

FDP wirbt für sich mit Krieg und der „Allergeilsten“

Die FDP zieht mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann als Kandidatin in den EU-Wahlkampf. Und mit den Themen Krieg und Europa. Andererseits genügen der FDP ja auch zwei Prozent für ein Mandat.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Europaparteitag der FDP in Berlin am 28. Januar 2024

IMAGO / Frank Gaeth

Wahlkämpfe sind die große Zeit der „Sonstigen“. Jener Parteien, die zu klein sind, um einen eigenen Balken auf dem Diagramm zu erhalten. In den Wahlkämpfen dürfen sie Werbespots zur besten Sendezeit im Fernsehen zeigen. Manche nutzen das mitunter für Randanliegen: Tierschutz zum Beispiel oder bayerische Unabhängigkeit. 1987 warb eine Splitterpartei sogar für die Apartheid in Südafrika. Die Mehrheit mag das verschrecken. Wem aber ein Zuwachs von 0,1 auf 0,2 Prozent wie ein Quantensprung vorkommt, für den ist das ein vielversprechendes Konzept.

Die Zahl der Diagramme mehrt sich, in denen die FDP nur noch unter „Sonstige“ vorkommt. Der Markt für Parteien, die eine Ampel erst ermöglichen, aber dann kritisch begleiten, ist doch überschaubarer, als von Parteichef Christian Lindner gedacht. Im Bund stand die FDP zuletzt nur noch bei 4 Prozent. Positiv: Der freie Fall ist bald beendet. Negativ: Er endet mit einem Knall. Die Partei hat nicht mehr viel zu verlieren.

Achtung, Glosse
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Auf ihrem Europa-Parteitag hat die FDP tatsächlich das Konzept eines Bewerbers vorgestellt, der nichts mehr zu verlieren hat und für den wenige Stimmen schon viel wären. Die Liberalen werben bis Juni mit Krieg und Europa für sich. Zwei Gewinnerthemen. Obwohl die Ukraine sich in einem Abwehrkampf gegen den russischen Diktator Wladimir Putin befindet, verliert die Unterstützung der Ukraine durch Deutschland hierzulande an Anhängern. Und mit Europa hat zuletzt Martin Schulz im Bundestagswahlkampf 2017 versucht zu punkten – das Ergebnis ist bekannt.

Die Person, die beide Themen in sich vereinen soll, ist Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag zeigt auf Twitter bereits einen Entwurf für ein Plakat. Der stellt sie als „Eurofighterin“ vor und wirbt mit dem Slogan „Streitbar in Europa“. Eine Waffe als Sympathieträger. Ein Euphemismus für verkracht als Eigenmarketing. Wäre die FDP keine Partei, die im Juni schon vier Prozent feiern würde, könnte diese Selbstdarstellung nur zu Kopfschütteln führen.

Vier oder fünf Prozent könnte das Werben für den Krieg tatsächlich bringen. Deutschlands beliebtester Politiker ist laut Umfragen derzeit Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Der wendet sich nicht oft an die Öffentlichkeit. Wenn, dann um davor zu warnen, dass der Russe wieder vor der Tür steht und uns in wenigen Jahren überrollen könnte – und das auch vorhabe. Auf dem zeitgleich stattfindenden Europa-Parteitag der SPD fiel auf, dass Deutschlands beliebtester Politiker dort keine Rolle spielte. Die Kanzlerpartei überlässt das Thema Krieg dem Koalitionspartner.

Geht es um den Krieg in Talkshows, schickt die SPD Ralf Stegner. Niedriger kann eine Partei ein Thema nicht hängen. Roderich Kiesewetter (CDU) und Strack-Zimmermann sind die Gäste ihrer Wahl, wenn die Redaktionen Scharfmacher suchen. Wer Blut sehen will, wer einen dritten großen Feldzug nach Moskau für erfolgsversprechend hält, der kann sich in dem militärischen Duo wiederfinden. Oft genug zu sehen sind sie ja. Sollten das vier Prozent wert sein, reicht der FDP das ja.

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Sympathisch ist das alles nicht. Im Karneval verkleiden sich die Leute als das, was sie gerne im echten Leben wären. Strack-Zimmermann ging im Aachener Karneval als Vampir. Sie macht es einem schwer, sie härter zu verhohnepipeln, als sie das selber tut – aber wir wollen es versuchen: Im Karneval sollte eigentlich das Volk den Mächtigen den Spiegel vorhalten. In Aachen zeigt die Politik aber dem Volk, wo’s langgeht. Im Spiegel, den die Rednerin den Zuhörern zeigte, sah Strack-Zimmermann sich selbst und beschrieb sich als „die Allergeilste“. Böse Hexen, die in ihrem Spiegel die schönste Frau der Welt sehen wollen – Leser der Gebrüder Grimm kennen das.

Was Strack-Zimmermann so liebenswert macht, ist die Art der Doppelstandards, mit denen sie sich als Mächtige gönnt, was sie dem Pöbel abspricht. So „kämpft Strack-Zimmermann gegen Hass und Hetze“, wie die Frankfurter Rundschau versucht, die FDP-Politikerin hochzuschreiben. Doch wenn sie selbst austeilt, ist sie nicht so zimperlich und nennt den politischen Mitbewerber Friedrich Merz (CDU) einen „Flugzwerg“ und einen „alten weißen Mann“. Wer für die FDP im Bundestag sitzt, darf das. Für den Rest ist es Hass und Hetze. Schweige der Pöbel, wenn „die Allergeilste“ spricht.

Auch in den sozialen Netzwerken gönnt Strack-Zimmermann sich selbst, was sie bei anderen kritisiert. Als eine Rakete auf polnischem Boden detonierte, twitterte Strack-Zimmermann, dass jetzt wohl jeder einsehen müsse, wie gefährlich Russland sei und welche Konsequenzen das haben müsse. Als Vorsitzende des Verteidigungsausschusses. Als das Gesicht der Regierung im Staatsfernsehen. Strack-Zimmermann zündelte am Dritten Weltkrieg. Umso unverantwortlicher, da sich herausstellte, dass die Rakete von der ukrainischen Armee kam. Strack-Zimmermann löschte zwar den Tweet, biss aber jeden weg, der von ihr Einsicht oder eine Entschuldigung forderte. Der Pöbel hat zu schweigen, wenn die „Allergeilste“ entscheidet, wie viel Selbstkritik dem Polit-Vampir zumutbar ist.

Mit diesem freundlichen Wesen wirbt die FDP nun ein halbes Jahr lang. Und mit Europa. Weil liberale Wähler kaum etwas so gut finden, wie das Bürokratiemonster Brüssel. Und mit Krieg. Leid und Sterben gehen immer als Gewinnerthemen. Aber die Wahl hat aus Sicht der FDP auch was für sich. Zwei Prozent der Stimmen reichen für ein Mandat in Brüssel. Sollte die FDP 2025 aus dem Bundestag fliegen, wäre Strack-Zimmermann die Einzige, die die FDP bundesweit noch in einem Parlament vertreten würde. Das dürfte den Wiederaufbau nach Lindner ungemein erleichtern. Und Themen sind ja auch genug da. Es hat schon lange keine sonstige Partei mehr für Apartheid geworben.

 

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