Der folgende Sachverhalt ist für Menschen ohne linken Betroffenheitshintergrund etwas schwer zu verstehen. Also: Die bayerische Kabarettistin Monika Gruber hat sich in ihrem neuesten Buch „Willkommen im falschen Film” über eine politisch sensible Bloggerin lustig gemacht, die ihre Gesinnungs- und Gefühlsgenossinnen mit der Nachricht auf X (früher Twitter) alarmierte: „Rechtsextreme Frauen unterwandern aktuell aktiv auch die textile Hobbyszene (z.B. zum Thema Stricken). Bitte setzt Euch aktiv damit auseinander, wer was anbietet und wer Angebote bietet.“
Dazu meint die Kabarettistin in ihrem Buch, das sei „Schwurbelgut”, also vom Internet angeschwemmter Unsinn. Und „die Gruberin“ widmet der Bloggerin gleich mehrere Absätze. Woran man rechtsextreme Strickerinnen denn erkenne? „Haben diese Frauen womöglich acht oder gar 33(!) Kinder, für die sie nur braune Pullover, Schals in AfD-Blau oder gar schafswollene SS-Uniformen stricken?“
Hm. Geübte Handarbeiter wissen, dass man tatsächlich links oder rechts stricken kann, ohne dass daraus eine ideologische Präferenz erkennbar wäre. So kann beispielsweise Katrin Göring-Eckardt nach eigenem Bekenntnis „Strümpfe stricken“, ob nur links oder auch rechts, ist nicht bekannt.
Die X-Schwurblerin mit eher bescheidener Gefolgschaft nennt sich übrigens Roma Maria Mukherjee, was die Kabarettistin Gruber zu der naheliegenden Überlegung inspirierte, „was eine Frau dieses Namens in der textilen Hobbyszene treibt“, sei ein Rätsel. Sie hätte sie „eher beim tantrischen Shakren-Turnen oder einem veganen Urschrei-Seminar verortet“. Dann fragt die Gruberin, ob Roma Maria Mukherjee im wahren Leben vielleicht doch „Maria Müller“ heiße und sich kurzerhand umbenannt habe, da Vor- und Nachname „schwer nach ,Bund deutscher Mädel‘ klingt?“
Bei dieser Demo hatte neben dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder und anderen auch Hubert Aiwanger seinen ersten großen Auftritt, der die „Süddeutsche“ dazu verlockte, sich mit dessen Schülerflugblatt zu blamieren. Wahrscheinlich sah die „Spiegel“-Redaktion nun die Gelegenheit, wenigstens der Demo-Veranstalterin Gruber eins mitzugeben.
Bei Grubers Verlag Piper, „der ebenso wie Gruber seither in der Kritik steht“ („Spiegel“) fielen vor Schreck gleich die Bücher aus dem Schrank, und die Verleger beeilten sich, Bloggerin Mukherjee per persönlicher Nachricht „aufrichtig um Entschuldigung“ zu bitten.
Die umstrittene Passage solle angepasst werden, berichtet der „Spiegel“ voller Genugtuung, darüber hinaus werde auf die Nennung des Namens der Betroffenen in zukünftigen Auflagen verzichtet. Wobei nicht deutlich wird, ob nun Maria Müller oder Roma Maria Mukherjee (unter diesem Namen zwitschert sie jedenfalls im Netz) gestrichen werden soll.
Das gedruckte Buch sei derzeit zwar schon nicht mehr lieferbar, aber „wir sind am angepassten Nachdruck dran“, so eine Sprecherin. Was der „Spiegel“ womöglich gar nicht weiß: Das Buch ist deshalb derzeit nicht lieferbar, weil es wegen der großen Nachfrage bereits vergriffen ist.
Ist die Betroffene eine „Influencerin“? Diese Frage kann Anwälte lange beschäftigen, denn eine tragbare juristische Definition gibt es nicht – im Zweifelsfall ist ja jeder Post auf Twitter oder Facebook, der ein paarmal geteilt wird, „Einfluss“. Ab wann also wird ein Blogger zum Influencer? Und so geht es weiter: Darf man Vermutungen über die wahre Identität anstellen, die im Internet schwer nachprüfbar ist?
Man kann fast argwöhnen, der „Spiegel“ ermuntere die Bloggerin zu einer solchen Klage oder linke NGOs zur Finanzierung einer solchen: „Mukherjee hatte daraufhin öffentlich gemacht, dass sie diese Passage als beleidigend, rassistisch und ehrverletzend empfinde – und viel Zuspruch enthalten. Auch die für sie völlig überraschende Verwendung ihres vollen Namens kritisierte Mukherjee, die als Praxismanagerin im Gesundheitswesen arbeitet und im Zuge der Debatte Hassnachrichten bekommen habe.“
„Rassistisch“ und „Hassnachrichten“ sind schließlich die Triggerworte schlechthin bei den linken Betroffenheitsakrobaten und haben längst auch Freunde im Justizmilieu gefunden. Trost für Gruber: Eine Unterlassungserklärung ist schnell unterschrieben, schließlich hat der Verlag keine Bücher mehr, und ausgelieferte Bücher, die beispielsweise im Buchladen nebenan im Regel stehen oder bei Tichys Einblick auf Besteller warten, wären davon unberührt – und solche unzensierten Originale würden demnächst sogar Sammlerwert erhalten. Die frühen Auflagen also als bibliophile Edelwerke? Das fehlt der Kabarettistin noch.
Monika Gruber/Andreas Hock, Willkommen im falschen Film. Neues vom Menschenverstand in hysterischen Zeiten. Piper Verlag, Hardcover mit Schutzumschlag, 240 Seiten, 22,00 €.
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