Die Sieger der Olympischen Spiele kennen wir noch nicht – wohl aber die ersten Verlierer. Es sind Adidas und Lenovo; Volkswagen könnte der Nächste sein, der eine demütigende Niederlage einfährt.
Die Sondereinheiten der chinesischen bewaffneten Volkspolizei, die in diesen Tagen beim Fackellauf eine Schneise des Schreckens durch London und Paris schlugen, tragen das Logo von Adidas auf ihren blauen Trainingsanzügen. Ihre Kollegen in Kampfanzügen haben mitgeholfen, die Proteste in Tibet blutig niederzuschlagen. Im Ausland camouflieren sie sich mit Adidas – ein teuer bezahltes PR-Desaster.
Der chinesische Elektronikkonzern Lenovo, der die PC-Sparte von IBM übernommen hat, entwickelte jene Fackel, die die Olympische Flamme durch die Welt trägt. Sie sollte auch den Anspruch Lenovos symbolisieren, dass man sich vom Billiganbieter zur Weltmarke entwickelt habe. Jetzt ist die Fackel mehrfach erloschen – sie hat den Feuerlöscher-Attacken der Tibet-Demonstranten nicht standgehalten und ist zum Symbol der Blamage geworden: In San Francisco wurde die Flamme versteckt transportiert, um sie vor den Protesten zu verbergen.
Ab 4. Mai sollen 1000 Fahrzeuge aus den Fabriken des VW-Konzerns die Flamme auf ihrem Weg durch China und Tibet begleiten. Da wird es wohl gesitteter zugehen; zwischen den potemkinschen Fassaden wird die bewaffnete Volkspolizei schon mit Gewalt dafür sorgen, dass nur Jubelchinesen am Straßenrand klatschen. Aber an einer Tatsache werden auch die jubelnden Volksmassen nichts mehr ändern können: Längst ist die Flamme der Olympischen Spiele in China von einer kritischen Weltöffentlichkeit zum Fanal der Unterdrückung uminterpretiert worden. Damit geht das Kalkül derjenigen auf, die trotz aller Bedenken für China als Austragungsort gestimmt haben; alle dürfen sich bestätigt fühlen, die einen Boykott der Spiele ablehnen: Die Spiele rücken China in den Fokus und in das Bewusstsein der Weltöffentlichkeit. Nicht nur die glänzenden wirtschaftlichen Erfolge werden wahrgenommen, sondern auch das hässliche Gesicht der kommunistischen Diktatur. China wird sich ändern müssen – oder sich blamieren. Sonst werden es keine fröhlichen, sondern hässliche Spiele, und so richtig sympathisch wird niemand die Gastgeber finden, die auf friedliche Mönche schießen, die Demonstranten niederprügeln und Journalisten zensieren lassen. Auch auf die Ausstatter und Sponsoren wird dann ein Schatten fallen.
Nun beginnen sich die PR-Experten über die Ungeschicklichkeiten der chinesischen Führung lustig zu machen. Sehr viel klüger allerdings verhalten sich die deutschen Konzerne auch nicht. In Wolfsburg zieht man die Köpfe ein und hofft, dass irgendjemand diese orangenen Mönche wegzappt, die den Markenauftritt ruinieren. Adidas ist stolz darauf, dass doch Urvater Adi Dassler 1936 Schuhe auch an den schwarzen Sprinter Jesse Owens geliefert habe, der Adolf Hitlers Rassegesetzen nicht entsprach. Bravo! Aber dummerweise steht Adidas heute auf der dunklen Seite der Macht. Hilflos ist die Erklärung, man statte nur die Helfer der Spiele aus. Gehören dazu auch brutale Sondereinheiten der Polizei? Glaubt Adidas wirklich, dass die Jugend der Welt solche Sweatshirts liebt? Konkurrent Nike hat gerade selbstkritisch über den Zustand seiner Fabriken in China berichtet.
Das Dilemma ist unübersehbar. Chinas zivilgesellschaftliche Entwicklung hat nicht mit seiner wirtschaftlichen Dynamik Schritt gehalten. Adidas und VW produzieren dort; das Land ist ihr Zukunftsmarkt. Wir alle hoffen auf seine wirtschaftliche und gesellschaftliche Zukunft. Aber jetzt wird seine dunkle Seite ausgeleuchtet. Und das wird nicht mit Schweigen zu übergehen sein. Menschenrechte und Geschäfte sind nicht zu trennen.
(Erschienen auf Wiwo.de)