Wenn man dem Mainstream und dem politischen Establishment Glauben schenkt, dann sind die größte Bedrohung für die westliche Welt die so genannte extreme Rechte oder die rechten Hasser. So heißt es in einem aktuellen Kommentar in Politico: „Nach dem schockierenden Wahlsieg des Anti-Islam-Politikers in den Niederlanden scannen die europäischen Eliten nervös die politische Landschaft nach Anzeichen für das, was noch kommen wird – einschließlich weiterer überraschender Siege rechtsextremer Kandidaten“.
Es hat den Anschein, dass die herrschenden Eliten jedes Mal, wenn eine Wahl nicht nach ihren Vorstellungen ausgeht oder wenn sie mit öffentlichen Protesten konfrontiert werden, Alarm schlagen, weil das Gespenst des Rechtsextremismus in der Gesellschaft umgeht. Diese panikartige Reaktion war nach den jüngsten Wahlen in Deutschland und Holland zu beobachten.
Kürzlich war der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), der deutsche Politiker Manfred Weber (CSU), an der Reihe. Er schlug Alarm wegen der Bedrohung durch die Rechtsextremen und warnte, die Europäische Union müsse in der Migrationsfrage die Kurve kriegen, wenn sie ein Erstarken der Rechtsextremisten auf dem Kontinent verhindern wolle. „Wenn wir keine Lösung oder kein richtiges gemeinsames Verständnis für die Steuerung der Migration finden, dann mache ich mir große Sorgen um die nächsten Europawahlen“, so Weber.
Webers Aussage veranschaulicht sehr gut, wie die Denkweise der politischen Elite in Europa funktioniert. Für ihn besteht das eigentliche Problem der Europäischen Union nicht so sehr darin, dass der Kontinent die Kontrolle über die Massenmigration verliert, sondern darin, dass die Angst der Menschen vor dieser Entwicklung zum Wahlerfolg von Rechtsextremen führen könnte. Was Weber und viele seiner Kollegen beunruhigt, ist nicht die Massenmigration als solche, sondern die Tatsache, dass viele Menschen wirklich besorgt sind über deren Auswirkungen auf ihr tägliches Leben. Sie befürchten insbesondere, dass diese Besorgnis der europäischen Bevölkerung zu Wahlerfolgen von Parteien führen wird, die sie nicht mögen.
Nach den jüngsten Unruhen in Dublin warnten auch zahlreiche Kommentatoren und Politiker vor der Bedrohung durch die Rechtsextremen. Sie schienen die Auswirkungen der beispiellosen Zuwanderung auf die irische Bevölkerung vor Ort völlig außer Acht zu lassen und versuchten stattdessen, rechten Schlägern anzulasten, dass sie ein migrantenfeindliches Klima schaffen wollten. Obwohl die Besorgnis über das asoziale Verhalten einiger kürzlich angekommener Migranten seit Monaten zunimmt, erklärte der Chef der irischen Polizei, dass die Gewalt als Reaktion auf die Messerstecherei eines ehemaligen algerischen Migranten auf zwei junge Mädchen von Personen geschürt wurde, die von einer „rechtsextremen Ideologie“ beeinflusst sind. Was er dabei übersah, war, dass die Einwanderung zu einem wichtigen Thema in der irischen Gesellschaft geworden ist. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage der Business Post ergab, dass 75 Prozent der Befragten der Meinung sind, dass das Land „zu viele“ Neuankömmlinge aufnimmt, eine Zahl, die bei den Anhängern von Sinn Fein auf 83 Prozent beträgt.
Das einzige Sorge, die Varadkar auf dem Schirm hat, ist die winzige Gruppe rechtsgerichteter Demonstranten, die gegen seine Politik der offenen Tür randalierten. Er konzentriert sich auf rechte Hooligans und übersieht dabei die Tatsache, dass in den letzten Monaten Tausende von Menschen friedlich gegen die Förderung der Masseneinwanderung durch die Regierung protestiert haben. Und diese friedlichen Demonstranten werden wie jeder andere, der seine Stimme gegen die Massenmigration erhebt, als rechtsextremer Abschaum der Gesellschaft verteufelt. Wenn es rechte Schläger nicht gäbe, müssten die Elite-Propagandisten sie erfinden. In Wahrheit ist der rechtsextreme Schläger in manchen Fällen das Produkt der Fantasie dieser Elite-Propagandisten, die von einigen echten Problemen, vor denen die Gesellschaft steht, ablenken wollen.
Die nonchalante Anwendung des Begriffs „rechtsextrem“ auf jede Gruppe oder Einzelperson, die den Elitenkonsens bei Migration und verwandten Themen in Frage stellt, ist ein zentraler Bestandteil der Strategie, jeden zu dämonisieren und moralisch zu disqualifizieren, der seine Stimme gegen den Status quo erhebt. Begriffe wie „rechtsextrem“ und „populistisch“ wurden so umgedeutet, dass sie jeden bezeichnen, der patriotische Ideale vertritt, an traditionelle Werte glaubt, sich gegen die Instrumentalisierung von Umweltproblemen ausspricht oder Ängste vor Massenmigration äußert.
Ein Vorfall, der eindrucksvoll verdeutlicht, wie die Sorge um die Migration verteufelt wird, ereignete sich im April 2010. Während des britischen Parlamentswahlkampfs wurde der damalige Labour-Chef Gordon Brown dabei belauscht, wie er eine 65-jährige Wählerin, Gillian Duffy, als „bigotte Frau“ bezeichnete. Diese ältere Anhängerin der Labour-Partei hatte es gewagt, seine Position in Sachen Wirtschaft und Einwanderung in Frage zu stellen. Für Brown hatte jeder, der das Wort „Einwanderung“ auch nur erwähnte, eine Grenze überschritten. Dass Brown die Bedenken einer älteren Dame ohne zu zögern auf so grobe Art und Weise abtat, zeigt, wie leichtfertig Menschen aus der Arbeiterklasse mit Beleidigungen wie „bigott“ und „rassistisch“ versehen werden. Heute würde Varadkar diese Dame – ohne eine Sekunde darüber nachzudenken – als rechtsgerichtete Fremdenfeindin bezeichnen.
Die Sprache, die das politische Establishment verwendet, um Kritiker seiner Migrationspolitik zu beschreiben, zielt darauf ab, das offene Äußern von Meinungsverschiedenheiten zu diesem Thema zu kriminalisieren. Es ist sich der Tatsache bewusst, dass die Mehrheit der Menschen in der europäischen Gesellschaft gegen die Massenmigration ist und dass es ihrer Politik zu diesem Thema die Legitimität fehlt. Um ihre Isolation in dieser Frage zu überwinden, greifen die politischen Eliten zu der Strategie, die Bürger daran zu hindern, ihre Ansichten zu diesem Thema offen zu äußern. Durch Dämonisierung und sogar Kriminalisierung jeglicher migrationsfeindlicher Äußerungen versuchen sie, die Diskussion über dieses Thema zu unterbinden. In Deutschland wird sogar die Möglichkeit eines Verbots der rechtsgerichteten AfD offen diskutiert. In Irland hat die Regierung auf Hate Speech Hassreden zu erlassen.
Bei der Frage der Migration geht es nicht nur um den Kontrollverlust über den Strom von Menschen nach Europa. Es geht vor allem um die Frage, welche Bedeutung die Gesellschaft der Gemeinschaft, dem Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Nation und dem Status eines Bürgers beimisst. Die Massenmigration untergräbt die Bedeutung des Nationalgefühls und die Entscheidungsfunktion der Bürger. In der Praxis schafft die Massenmigration die Voraussetzung für den moralischen Verfall der nationalen Identität. Der Status der nationalen Identität wird dadurch effektiv geschmälert. Nationale Identität hat wenig Sinn, wenn sich die Einheimischen in ihrer eigenen Heimat als Fremde fühlen. Der Krieg zwischen Israel und Hamas hat die Spannungen zwischen den europäischen Bürgern, die ihrer Nation treu sind, und den Anhängern des Islamismus, die sich einer ganz anderen Lebensweise verschrieben haben, deutlich werden lassen.
Die Massenmigration untergräbt die nationalen Grenzen und die Unterscheidung zwischen Bürgern, die aufgrund ihrer organischen Verbundenheit mit der Vergangenheit einer Nation berechtigt sind, über das Schicksal ihrer Gemeinschaft zu bestimmen, und solchen, die keine solche Verbindung haben. Wenn der Status der Staatsbürgerschaft ausgehöhlt wird, wird die Demokratie selbst untergraben. Letztlich stellt die Massenmigration die Rolle der demokratischen Entscheidungsfindung in Frage. Das ist der Hauptgrund, warum Europa sicher seiner Massenmigrations-Krise der stellen muss.
Dieser Beitrag ist zuerst auf Frank Furedis Substack erschienen.
Frank Furedi ist geschäftsführender Direktor des Think-Tanks MCC-Brussels, Autor zahlreicher Bücher und politischer Kommentator der Gegenwart. Mehr von Frank Furedi lesen Sie in den aktuellen Büchern „Die sortierte Gesellschaft – Zur Kritik der Identitätspolitik“ und „Sag was du denkst! Meinungsfreiheit in Zeiten der Cancel Culture“ sowie bei Substack.