Ich gestehe es gleich vorweg: Auch in Krisen-Zeiten, und gerade da, bin ich ein überzeugter und leidenschaftlicher, wenn auch kein kritikloser Champagner-Trinker. Natürlich weiß ich, dass dieser Genuss nicht umsonst zu haben ist. Das macht ihn aber noch lange nicht unerschwinglich. Dass Champagner generell zu teuer sei, ist eine wenig fundierte Behauptung, die an dem essentiellen, weil alles entscheidendem Kriterium, was einem Genuss wert ist, vorbei geht. Was darf es denn kosten? Das schöne Leben ist nicht umsonst zu haben. Natürlich geht es auch billiger, dann ist es aber nicht mehr so schön. Und eine ordentliche Portion Champagner mit dem dazu gehörigen Luxus-Flair, den kein anderer Schaumwein bieten kann, gehört eben zum schönen Leben. Basta!
Dass Champagner immer wieder für kritische und gewagte Vergleiche herhalten muss, hat nicht ausschließlich mit der geilen Geiz-Haltung zu tun. Dahinter steckt vielmehr die Lust der Deutschen an der Banalisierung des Luxus und das Misstrauen gegenüber Produkten, die über „gut und günstig“ hinausgehen. Alles was gut und teuer ist, ist zugleich verdächtig. Entsprechend gibt es genügend Zeitgenossen, die Champagner-Trinkern mit schöner Regelmäßigkeit ins Glas spucken, um anschließend für das verlidelte Aldi- und Penny-Volk, sozusagen als geschmackliche Wiedergutmachung, eine ganze Reihe von vermeintlichen „Genauso-gut-aber-billiger-Alternativen“ aus dem Hut zu zaubern. Die Qualität spielt dabei keine besondere Rolle, Hauptsache billig. Man gönnt sich ja sonst nichts.
Die Fangemeinde der Billig-Alternativen scheint im Musterland der Billig-Esser und -Trinker zu wachsen. Alles nur keinen Champagner, lautet die Parole der vermeintlichen Sparfüchse! Denn Champagner ist, so das Mantra kulinarischer Kleingeister, meist überteuert, vielfach von mittelmäßiger bis schlechter Qualität und, man höre und staune bei der Welt, sollen „die meisten Champagner allein durch den Mythos überleben, den die besten unter ihnen einst begründet haben“.
Zudem vermuten viele Tugendwächter eine von Champagnerrausch begleitete Steuer-Spar-Verschwörung der Besser- auf dem Buckeln der Nicht-ganz-so gut-Verdiener. Sozialneid im Genussbereich! Im Land der weltweit billigsten Lebensmittel, wo Discounter und die gut gemeinten, aber im Prinzip zur Beschäftigungstherapie und Gewissensberuhigung von Gutmenschen verkommenen „Tafeln“ zum Rettungsanker für eine von Armut bedrohte Gesellschaft werden, darf und soll es keinen Champagner mehr geben. Es sei denn für alle und billig. Da schließt sich der Kreis wieder.
Wer also Champagner ob seines Preises oder seiner ideologischen Vorbelastung aus den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten bei Feierlichkeiten der Bourgeoisie und des Adels für dekadent hält, sollte jenen Autoren die Füße küssen, die unter dem Motto „Es muss ja nicht immer Champagner sein“ oder „Schaumwein ist oft besser als Champagner“ investigativen Journalismus betreiben. Alle Jahre wieder lesen wir diese Plattitüden in den Silvester-Ausgaben der einschlägigen Publikationen, die ihren Lesern unter den Rubriken „Stil“ oder „Kultur“ das wahre, schöne und gute Leben näherbringen möchten. Und alle Jahre wieder bemühen sich die Autoren redlich um eine plausible Erklärung, warum es zum Jahreswechsel ein Sekt, Spumante, Sparkling Wine, Cava oder Crémant sein sollte!
Nur keinen Champagner. Dazu passt die gute Nachricht für alle ambitionierten Verfechter von sozialverträglichen Getränken, für die hartnäckige Prosecco-Fraktion und die überzeugten Sekt-Trinker, dass die derzeitige eher genussfeindliche Bundesregierung im neuen Jahr keinen gesetzlichen Champagner-Trink-Zwang plant. Es sei denn man findet noch einen Kniff, um Champagnerlaune erfolgreich gegen den Klimawandel in Stellung zu bringen. Zuzutrauen ist denen in Berlin alles, die ohnehin wie Insassen einer Irrenanstalt Kieselsteine sammeln und glauben, es seien Diamanten.
Keine Frage, ein guter Sekt ist nicht zu verachten. Doch ist die Bottle köstlichen Schaumweins amerikanischer Produktion, immerhin ein Blanc de Blancs, für rund 35 Euro ein echtes Schnäppchen? Auch deutsche Winzersekte der trinkbaren Klasse sind nicht mehr zu Spottpreisen zu haben, und einige haben preislich mit Champagner gleichgezogen.
Bleibt die Frage, ob alles was prickelt und schäumt in einen Topf geworfen werden darf, nur weil die Produktionsmethode, in den meisten Fällen nicht die Rebsorten, weltweit mehr oder weniger immer die gleiche ist. Muss deswegen jedes Blubbergetränk am Champagner gemessen werden? Oder umgekehrt? Würde jemand beim Stapellauf seine Luxusjacht mit einer Flasche Winzersekt oder Prosecco taufen? „Vergleiche hinken“, diese Binsenweisheit beweist vinologischen Tiefgang. Denn ein klein bisschen gefühlter Luxus, den am Ende doch nur der Champagner ins Glas bringt, sollte man sich nicht vermiesen lassen.
Darauf ein Glas – Champagner versteht sich!
Dieser Artikel wurde für Tichys Einblick geschrieben von Aufgegessen.info, dem gastrosophischen Blog für freien Genuss.