Gregor Gysi ist ja nicht mein politischer Freund. Aber mit seinem koboldhaften Witz trifft er manchmal ins Schwarze. Etwa mit seiner Analyse, dass es immer die Mittelschicht ist, die für die Politik bezahlt. Denn die Reichen, so Gysi, hauen notfalls ab, wenn die Steuern zu hoch sind, weshalb man bei ihnen nichts holen kann. Und die Armen, die haben ohnehin nichts. Den Nackten kann nicht mal ein Sozialist in die Taschen greifen.
Für die Großzügigkeit der Politik zahlen also die, die weder nackt sind noch besonders reich. Diese bedauerliche Gruppe nennt man meistens Mittelschicht. Zu ihr gehören Menschen, die Berufen nachgehen, ihre Familien durchbringen und für die Kinder eine bessere Zukunft wollen, weswegen sie sich auch um Bildung kümmern, vom Sportverein bis zur Universität. Es sind die, die – angefangen beim Kindergarten – immer die höchste Beitragsstufe zahlen und bei denen steigende Beiträge zur Renten- und Krankenversicherung voll durchschlagen. Früher stand diese Gruppe im Mittelpunkt der Politik. Gerhard Schröder führte einen Wahlkampf um die „neue Mitte“; Angela Merkel steht und stand sowieso immer schon in der Mitte.
Nur neuerdings, in der fatalen großen Koalition, haben beide Parteien die Mitte aus den Augen verloren. Das gigantische Steuererhöhungsprogramm dieser Regierung hat dazu geführt, dass der allmählich auslaufende Konjunkturaufschwung in der Mitte jedenfalls kaum angekommen ist. Die Konjunkturgelehrten mögen sich streiten, ob von jedem zusätzlich verdienten Euro 88 Cent oder nur 75 Cent in die Staatskasse gewandert sind. In beiden Fällen ist das Ergebnis: Die den Wohlstand erarbeiten, gehen leer aus.
Die SPD unter Kurt Beck hat Gysis Gesetz noch nicht gelernt. Sie versucht ständig, die Reichen abzukassieren, mit einer speziellen Reichensteuer und neuerdings mit der Begrenzung von Vorstandsbezügen. Ansonsten verteilt die SPD gerne Wohltaten zu- lasten der Mittelschicht – für die vielen Armen, die sich schon irgendwo finden.
Nicht besser ist die Union. Gerade hat sie die Rentner noch bessergestellt. Für Steuersenkungen aber sei kein Geld da, hieß es noch am Montag. 24 Stunden später drehte Merkel bei, lobte die CSU-Steuersenkungspläne – doch konkret wurde sie nicht.
Wer uns vorrechnet, dass die Steuern nicht sinken können, ist Finanzminister Peer Steinbrück. Er ist ein Finanzminister im Glück. Seine Steuerquellen sprudeln, der Fiskus nahm zwischen 2004 und 2007 zusätzliche 91 Milliarden ein. Trotzdem: Einen ausgeglichenen Haushalt verspricht er erst ab 2011. Auch dieses ferne, selbst gesteckte Ziel wird er nicht erreichen. Denn mittlerweile flaut die Konjunktur ab, und die vielen tollen Ausgabenprogramme der Regierung fressen neue Riesenlöcher in seinen Wackel-Etat. Steinbrück hat seine Chance gehabt – und verspielt.
Nun also lehnt dieser finanzpolitische Bock mit dem sardonischen Grinsen des selbst ernannten Gärtners Steuersenkungen ab. Kein Geld!
Die Wahrheit ist: Sie haben es längst ausgegeben. Schlimmer noch: Sie haben, siehe Rentenerhöhung, auch das schon ausgegeben, das sie noch gar nicht haben.
Was ist zu tun? Die Antwort klingt paradox. Gerade deswegen brauchen wir schnellstmögliche Steuersenkungen. Damit diese Regierung gar nicht erst in den Genuss von Steuermitteln kommt, die sie ohnehin nur verschludert und verschleudert. Die Steuern müssen dahin zurück, wo sie herkommen. In die Mitte.
Übrigens wissen wir seit Langem, dass dann sogar die Steuereinnahmen wieder steigen. Weil die in der Mitte sogar gerne arbeiten, wenn man ihnen wenigstens die Hälfte lässt. So bescheiden sind wir schon geworden. Wir in der Mitte, die immer zahlen.
(Erschienen auf Wiwo.de)