Tichys Einblick
Eingeklemmt zwischen Mittelmeer und Provence

Zwei Städte, und dann doch wieder eine: Was Marseille über uns sagt

Spätsommer in Marseille – an sich ein quirliger Traum zwischen Provence und Mittelmeer. Aber noch bevor es zum Flughafen geht, gehen Videos viral, die den reisenden Autor verstören. Die alte Hafenstadt vermittelt schon durch ihre Partnerschaften zwischen Hamburg und Marrakesch, Genua und Tunis. Die Marseiller wissen aber auch, dass sich nicht alles mischen lässt.

IMAGO

Man kommt in der Stadt an und sagt sich: Ah, das ist so bunt und vielfältig, wie es einer Hafenstadt am Mittelmeer zukommen mag. Doch was man in den folgenden Tagen entdeckt, geht weit über diese „Normalität“ von Handel und Wandel hinaus. In der alten Metropole Marseille, geprägt von den langgestreckten Boulevards aus dem 19. Jahrhundert und einigen nüchternen Neubauten nach den Bomben des Weltkriegs, muss man heute aufpassen, wann und wo man einen der Boulevards überschreitet. Unversehens gelangt man von der Einkaufsstraße Canebière (wörtlich der „Reeperbahn“ von Marseille) in das Armenviertel Belsunce, in dem das Alcazar-Theater (erbaut 1857 im maurischen Stil) durch einen Bibliotheksneubau mit historischem Portal ersetzt wurde. Doch genau dieser halb erhaltene, halb neugestaltete Eingangsbereich ging im Zuge der Nahel-Unruhen von diesem Sommer in Flammen auf. Die Markthalle mit nordafrikanischem Flair, die einst hier stand und als Attraktion herhalten konnte, gibt es, so belehrt mich der Merian-Führer, schon länger nicht mehr. Auch das kann man als Zeichen der Dekadenz ansehen.

Noch immer ist der Haupteingang zur Alcazar-Bibliothek mit Holzplatten gesichert, hinein kommt man durch eine Nebengasse, wie ein Papierausdruck verrät. Keine fünfzig Meter weiter ist man an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Marseille angekommen, die der Universitätsrektor eigentlich für unbestimmte Zeit schließen wollte – und dann doch nicht. Nun ist eine ständige Polizeipräsenz am Ort vorgesehen. Grund der Aufregung: Die Sicherheit der Studenten konnte nicht mehr gewährleistet werden. Allerdings, als ich auf den kleinen, kahlen, von der Sonne gegerbten Platz trete – es ist zufällig Sonntag –, stehen da zwei oder drei verdächtige Gestalten, die mich halb bedrohlich, halb abschätzend mustern. Sie haben kleine Schulterhandtaschen dabei, auch Geld wechselt die Hände. Es sind allem Anschein nach jene Dealer, Vertreter der organisierten Kriminalität, die hier für Probleme sorgen. Die Polizei rückt vielleicht nur an, wenn es wieder Vorlesungen gibt.

All das geschieht im Herzen der Stadt, da wo auch der Tourist durch die Straßen wandelt, einen Triumphbogen im Blick, der gemäß dem alten Baedeker aus Anlass der Eroberung der Inselfestung Trocadero bei Cadiz im Jahr 1823 erinnert, also an die Beendigung der spanischen Revolution, dem Trienio Liberal. Das monarchistische Frankreich gefiel sich so sehr in diesem Sieg, dass bis heute Plätze, Metro-Stationen und mehr nach dem militärischen Sieg benannt sind. Ich hatte diesen Triumphbogen schon früher passiert, als ich ohne Absicht erstmals in dieses Belsunce eintauchte.

Den Vormittag hatte ich im Altstadtviertel Panier verbracht – auch hier gibt es triste Plätze voller Graffiti – und war eigentlich auf der Suche nach einem Restaurant. Die Altstadt schien mir zu touristisch, also führte mich mein Weg weiter zu einem empfohlenen Fischimbiss, der aber durch Baustellenlärm wenig idyllisch schien. Am Triumphbogen vorbei betrat ich nichtsahnend das Maghreb-Viertel Belsunce und konnte die Atmosphäre dort gründlich einatmen – das begann schon mit den Kohlegrillen, die dort fleißig angeheizt wurden, um Fleisch- oder Leberspieße zu braten. Es war, als hätte sich die Sonne etwas verdunkelt an diesem Ort, als wäre ich fünfzig bis 150 Jahre zurückversetzt worden in eine Zeit, als es noch bittere Armut in Europa gab. Man könnte an die Worte unseres Finanzministers denken, der von der Ersetzung der deutschen Bürgergeld-Bezieher im Kindesalter durch zugewanderte Kinder sprach. In Marseille hat diese Armut „Tradition“, seit die Nordafrikaner zu den Gastarbeitern Frankreichs wurden. Trotz der Läden, der Barbiere mit teilweise „goldenen“ Sitzen. Der Haupteindruck dieses Viertels ist Rückständigkeit mitten in einer europäischen Großstadt. Es war aber noch nicht der schlimmste Bereich, den ein Tourist leicht erreichen kann. 

An den Tischen der ärmlichen Gassen saßen dabei fast durchweg Männer. Verhüllte Frauen huschten durch die Straßen, ihr Blickfeld links und rechts eingeengt durch den Schleier. Noch dürfen es luftige, auch bunte Schleier sein, einige Damen bevorzugen einen Turban. Zuletzt gibt es auch ein paar emanzipierte Maghrebinerinnen, die unverschleiert herumlaufen, was zweifellos durch die Gesetzgebung ermutigt wird: Nach dem Kopftuch hat der Bildungsminister zuletzt auch das lange Gewand (die Abaya) als religiöses Zeichen an den Schulen des Landes verboten.

Hat man Belsunce einmal durchwandert, ist man durchaus etwas erleichtert. Das Tageslicht scheint zurückzukehren, eine ältere Französin kündet davon, dass hier eine andere Welt wieder beginnt. Eine Kirche mit der Statue der Jeanne d’Arc davor scheint dieses Vorurteil zu bestätigen. Doch links gehen die Läden mit „Hintergrund“ weiter – vom Imbiss bis zum Obstgeschäft, was vermutlich die beiden ehrbarsten Beschäftigungen sind, denen viele Maghrebiner in der Stadt nachgehen.

Ein Straßenmarkt im Viertel Noailles kündet davon, den man wohl am ehesten noch zu einer gemischten Veranstaltung erklären kann. Jedenfalls boten auch einige Franzosen ihre Waren dort an. Die Markthändler waren ihren Kunden zugewandt. Konkurrenz belebt das Geschäft, das gilt auch für die fest niedergelassenen Obst- und Gemüsehändler. Daneben bleibt aber vieles scharf getrennt und geschieden. Die Fusionsküche mag einen Platz in den Bäuchen der Jüngeren haben, aber die eindeutig französischen oder maghrebinischen Restaurants dominieren einstweilen noch. Sie sind nicht zuletzt durch den sozialen Klassen- oder Schichtenunterschied strikt voneinander getrennt.

Marseille besitzt die größte Zahl von Nordafrikanern (Maghrebinern) auf europäischem Boden, sie machen etwa ein Viertel der Bevölkerung aus. Außerdem lebt eine große Anzahl schwarzafrikanischer Zuwanderer in der Stadt, viele von den Komoren im Indischen Ozean, aber auch aus dem Senegal und Madagaskar, die sich wiederum auf der sozialen Stufenleiter einreihen. Sie sind in einem weiteren Elendsviertel zu finden, das sozusagen den „rauhen Aufstieg“ zu einer kleinen Anhöhe bildet, auf der sich abends die feiernde Jugend vergnügt. Oben herrscht der Kreuzberg-Charme des Schmausens in Sozialstaats-Ruinen. Unten hängen die Elenden und Verstoßenen der Stadt in ihrem Viertel fest. Eindrückliche Erinnerungen an die Geschichte der Stadt sind hier verschiedene Büsten, die auf hohen Säulen angebracht die Straßenzüge überragen. Doch wer kann hier noch etwas mit einem Homer, einem Pierre Puget, dem berühmten Bildhauer und Sohn der Stadt, anfangen?

Unter den Obelisken erstrecken sich die vernachlässigten Gassen der Elendsviertel. An ihren Füßen sitzen junge Männer in Cafés oder einfach an der Straße, wie es ihre Gewohnheit zu sein scheint. Es ist die Atmosphäre des Nichtstuns, die hier vorherrscht. Manchmal aber auch nicht. Dann füllen sich kleinere Straßen mit einem Flohmarkt, wie man ihn von Kindern erwarten würde: Auf dreckigen Pappen liegen alte Schuhe, verwelkte Plüschtiere und Armbanduhren herum. Doch wenn man sie photographiert, werden einige junge Männer sehr aufmerksam. Vielleicht ist der „Flohmarkt“ auch nur eine gelungene Tarnung für ganz andere Geschäfte.

Nachts sind dieselben Straßenzüge dann wie leergefegt – insofern sind es Angsträume, auch wenn gleich nebenan, eigentlich darüber, das Nachtleben pulsiert. Eindrückliches Bild aus der Gegend weiter unten, an der Grenze zwischen Elendsviertel und Einkaufsinnenstadt: Ein älteres Touristenpaar hatte den falschen Abstiegsort gewählt und musste sich von der Polizei zum Taxi eskortieren lassen. Die Beamten versahen diesen Dienst mit Freude – er dürfte zu ihren leichteren Aufgaben zählen.

Überhaupt die Polizei. Zwei oder dreimal im Laufe einer Woche eilten größere Kolonnen, mit fünf und mehr Wagen, teils Kleinbussen, über die Ausfallstraße am Alten Haften (Vieux-Port). Wo sie wohl hinwollten? Das mochte kein Marseiller so recht sagen. Das Ziel könne überall sein, sagte eine Frau, vielleicht sogar aus einem gewissen Lokal-Patriotismus heraus. Ein Polizist suchte seine intellektuelle Zuflucht in Demonstrationen an der Präfektur – aber wären das dann Notfalleinsätze mit Blaulicht? Die gewöhnlichen Marseiller machten einen sehr braven Eindruck auf mich. Sie sind keine Alltagsrevolutionäre, auch wenn das Land ihnen seine Nationalhymne verdankt, die 1792 zum allerersten Mal in Belsunce gesungen wurde – ein dreifach zugeketteter Gedenkort erinnert daran noch in einer vernachlässigten „Straße der Künste“. „Frei leben oder sterben“, steht dort ganz offiziell an einer Wand.

Die Gewalt, die in die Stadt mehr oder minder neu eingezogen ist, wird demgegenüber als fremd betrachtet. Ein junger Koch, der gerade sein neues Restaurant in der Oberstadt renoviert, sagt mir unversehens: „Das sind keine Franzosen.“ Aber ist das schon die Auflösung des Problems? Kurz bevor ich in der Stadt ankomme, trenden zwei Videos auf der Plattform X. Eins zeigt einen kaltblütigen Mord am Straßenrand, vermutlich irgendwo in der Banlieue, wie eine Szene aus Billy Wilders „Manche mögen’s heiß“ (angesiedelt während der Prohibition in Chicago).

Daneben trenden Bilder vernachlässigter und mit Matratzen vermüllter Stadtteile, die als intelligente Reaktion der Marseiller auf das nationale Bettwanzenproblem des Hexagons ironisiert werden.

Noch schockierender kann man einen weiteren Tweet finden, der einen gelösten Schuss in einem Straßencafé direkt am Alten Hafen zeigt. „22:15 Uhr, Schusswaffengebrauch mitten in Marseille, Cours Honoré-d’Estienne-d’Orves, am Alten Hafen, weit weg von den Siedlungen.“

Der Ort ist einer der belebtesten der Stadt, eine Restaurant- und Cafémeile für Einheimische und Touristen. Jeden Abend gibt es dort eine Patrouille von mindestens vier Mann, wie man mir sagt – aber wohl nicht für den gesamten Abend. Der Tweeter schließt: „Man kann wissen, dass kein Ort mehr sicher ist …“

Eigentlich war ich ja wegen einer Opernrarität in der Stadt, passenderweise „La Africaine“ des Berliner Juden Giacomo Meyerbeer, worin es zufälligerweise auch um Konflikte zwischen verschiedenen Religionen geht. Fast kommt auch der Seefahrer-Held Vasco da Gama durch die Schwerter der exotischen Opferpriester um. So kam es zum Gespräch mit einem Sänger im Chor der Oper, der nach einigem Fachsimpeln auch etwas zur Lage der Stadt sagen will. Er spricht von seinem Engagement gegen die Umweltverschmutzung und beklagt das Entsorgungsverhalten der maghrebinischen Neubürger. Glasflaschen ins Meer werfen? Das geht aus seiner Sicht nicht. „Das passt einfach nicht zusammen“, sagt er und meint die unterschiedlichen ethnischen Gruppen der Stadt. Man fragt sich, ob es nur ein Paravent ist, um nicht die viel schwerer wiegenden Probleme im Bildungssektor, bei der Erwerbstätigkeit, bei Kriminalität und Gewalt auf offener Straße anzusprechen. Ohne Zweifel wird der Mensch durch jede Lebenssituation um ihn herum geprägt und kann sich ihr häufig nur schwer entziehen. Die Anwesenheit der Maghrebiner in der Stadt ist eine solche Realität, die man – ob man will oder nicht – akzeptieren muss. Die mangelnde ökologische Bewegtheit kann ein Anlass sein, um hier mit moralischem Recht zu kritisieren. Und solange die Marseiller – in Worten oder Taten – die inkohärente Mélange ihres Landes beklagen, solange werden sie sie wie durch einen Damm aufhalten, solange sind sie in der Lage, ihr etwas Eigenes entgegenzusetzen.

Andere gehen deutlich mehr in Richtung Appeasement, glauben, dass die „mixité“ – die Mischung der Ethnien in den Schulen, die der geschasste Bildungsminister Pap Ndiaye von oben herab verordnen wollte – die Lösung für die in sich gespaltene Stadt bringen könnte. Viele antworten auf die Frage nach Unruhen in den Banlieues abwiegelnd. Am Ende braucht man auch zum Überleben ein gewisses Wegsehen, eine Konzentration auf das Eigene. Für ein paar junge Frauen im Auto ist eine Zeichnung des weiblichen Körpers im öffentlichen Raum auf einem nicht werblichen Plakat ein größeres Problem als vieles andere. Sie kurbeln die Fensterscheibe ihres Kleinwagens herab und rufen es über die Kreuzung: „Dégueulasse“, abscheulich, widerlich sei das und sexistisch! Dass viele Frauen in Marseille nicht die Freiheit haben, einen ähnlich knappen Rock wie die Dame auf dem Plakat zu tragen, wiegt da weniger schwer. Über die Bande kommt so die bekannte „Allianz“ aus Woken und Islamisten zum Tragen. Der plakatierende Mann mit seinem Großstadt-Moped ließ sich nicht beeindrucken.

Es handelt sich eigentlich um zwei Städte. Es gibt das schicke, bürgerliche Marseille der küstennahen Viertel im Norden und Westen, wo die Häuser Eigennamen tragen (Stella Maris, Caprice, La Perle). Und es gibt das für Franzosen nahezu unbetretbare Land der Maghrebiner und anderen Zugewanderten, das knapp hinter der Canebière beginnt, zuerst in einzelnen Flecken und sich dann endlos über die Banlieues ausbreitet, die der Tourist nur mit dem Zug oder Bus durchfährt. Die in Frankreich geborenen Maghrebiner mögen de jure Franzosen sein. Doch das wird ihnen, in mündlicher Rede, abgesprochen, und zwar von Leuten, die man dem Kleinbürgertum zuordnen würde, entsprungen den populären Klassen von einst, für die eine Edith Piaf sang.

Und doch ist es am Ende eben doch ein großer Lebensraum: Die demolierten, vor sich hinrostenden, oft mit irgendetwas vollbeladenen Wagen der Immigranten durchqueren auch das elegante Opernviertel. Und irgendjemand kauft die Drogen, die die Dealer verkaufen. Dass darüber ein Zweig der Universität Polizeischutz braucht, zeigt aber auch, wie sehr die Gewalt zwischen den Dealerbanden überhandgenommen hat. Ob eine wirtschaftliche Dynamik zur Lösung des so beschriebenen demographischen Problems – Alteingesessene neben Neubürgern – verhelfen könnte, bleibt unsicher. Auch der stärkste Aufschwung dürfte an den maghrebinischen Vierteln vorbeigehen, insofern er nur zeitweilig die Erlöse erhöht, wenn die Gewinne nicht nutzbringend investiert werden.

Das Ganze ist ein Teufelskreis, der sich nun schon über Jahrzehnte dreht und dessen Ausgang man sich kaum vorstellen kann. Die Sicherheitskräfte gehören sicher zu denen, die es ausbaden. Ein Notfalleinsatz der Feuerwehr mit flackerndem Licht wird nicht respektiert in den engen Gassen. Der Retter muss vom Türeingang aus noch Rechtfertigungen abgeben, dass er hier zum Stehen kam. Diese Szenen – und schlimmere – kennt man natürlich auch aus Berlin und anderen deutschen Städten, wo Rettungs- und Polizeikräfte ja regelmäßig in Hinterhalte gelockt werden, samt „Allahu akbar“.

Überhaupt: Berlin hat viel gemeinsam mit diesem Marseille. Inzwischen ist es ähnlich multikulturell gegliedert – wobei die einzelnen Teile nicht in gleichem Maße „multi“ denken, wie dieses Wort es nahelegt. Viele bleiben ihrer inneren Einstellung nach eindeutig „mono“, was zumal bei streng gläubigen Muslimen naheliegt. Auf dem angesprochenen Hügel, dem alternativ bis sozialistisch anmutenden „Viertel der Gestalter“, huldigen die Junggebliebenen abends den musikalischen Künsten der subsahara-afrikanischen Zuwanderer. Sie umarmen die Welt, die ihre Regierung zu ihnen eingelassen hat, schwingen in deren Rhythmus. Der musikalische Reiz ergibt sich nicht unmittelbar, das Ganze hat aber sicher Happening-Charakter – ähnlich wie jüngst auf Lampedusa, wo ja auch die gerade erst Angekommenen zur Unterhaltung beitrugen. Sind diese „Flüchtlinge“ etwa fahrende Spieler und Sänger, die uns ja auch seit dem Mittelalter in Europa abhanden gekommen sind, genauso wie unser Armen und Elenden? Es gibt noch mehr Fragen. Die Stadt Marseille beantwortet keine einzige. Im Gegenteil, sie stellt ihrerseits bohrende Fragen, etwa die, wohin es führt, wenn mehr als nur eine Großstadt am südlichen Meer so aussieht.

Überflüssig zu sagen, dass man die Hamas-Sympathisanten in diesen Oktobertagen auch im Stadtbild überall finden und erkennen konnte – sei es an den von ihnen konsumierten Handy-Videos oder an der Palästinenserflagge, die in einem Gewerkschaftsmarsch mitgeführt wurde. Am Wochenende veränderte sich die Stimmung noch einmal deutlich. Der Grund war der Ankunft einer Armee von englischen, walisischen, auch argentinischen Rugby-Fans, die die Innenstadt in ausgelassener Stimmung, mit Barett, Tretroller und albernen Kostümen, flutete. Die Marseiller fanden das sicher nicht unsympathisch. Sie sind, das zeigen alle ihre Handlungen und Worte, zur Verteidigung ihrer Stadt und ihrer Lebensart sehr wohl bereit. So erklärt sich auch der meist scharfe Kontrast der beiden Stadt- und Gesellschafts-Kompartimente. So wie die einen Leberspieße braten, so backen die anderen die traditionellen Navette-Kekse mit ihrem seifig-zitronigen Aroma. Geht man aus Marseille weg, dann bleibt einem dieser Geschmack neben der salzigen Hafenluft im Gedächtnis.

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