In einer Zeit, in der der Wahnsinn sich fast wöchentlich zu neuen Höhen emporschwingt, wirken selbst die Auswüchse des Vorjahres fast schon wie die sprichwörtlich „gute, alte Zeit“. Denkt man an die Aktionen der Klimakleber des Jahres 2022 zurück, so erinnert man sich an die fast halbjährige Periode, in der diese der Öffentlichkeit regelmäßige Schockmomente lieferten, als sie einige der größten Meisterwerke der Kunstgeschichte mit Lebensmitteln besudelten und diese Aktionen sich glücklicherweise dann doch immer wieder als glimpflich für die Gemälde erwiesen.
Es gärte damals die Frage, wie es denn möglich sei, dass diesen Aktionen nicht nur kein Einhalt geboten wurde, sondern dass es sogar den Anschein hatte, dass man die Klimaschreihälse oftmals minutenlang gewähren ließ, sodass sie ihre „Performance“ zu Ende bringen konnten. Diese Frage führte zur Initiative, zwanzig der berühmtesten Museen Europas anzuschreiben und sie zu fragen, was diese zum Schutz ihrer Gemälde vor den Klimaklebern taten, bzw. wie diese auf den sich aufdrängenden Verdacht antworten würden, sie ließen die Klimaextremisten heimlich gewähren.
Die Reaktionen waren dabei weitestgehend ernüchternd: Die meisten Museen antworteten entweder überhaupt nicht oder lehnten einen Kommentar zu dem Thema ab. Nachfragen und Beteuerungen, dass man ja auf Seiten der Kunstwächter in den Museen stehe, wurden genervt abgewimmelt, gerne mit einem Hinweis auf das zu schützende Sicherheitskonzept (welches allerdings offensichtlich nicht funktionierte). Nur zwei Museen Europas beantworteten die Fragen: das Museo del Prado in Madrid sowie die Uffizien in Florenz, deren deutscher Direktor Eike Schmidt (der unlängst aufgrund seiner vermeintlichen Nähe zu rechten Parteien Italiens wieder in die Schlagzeilen rückte) sogar ein Interview zu dem Thema anbot.
Für Journalisten, die für konservative oder „alternative“ Publikationen schreiben, ist solch eine Mauer des Schweigens nichts Ungewöhnliches und es wäre naheliegend gewesen, es dabei zu belassen. Doch die Neugier obsiegte, denn die Vermutung, dass viele der Museen wahrscheinlich gesprächiger gewesen wären, wenn ein Klimakleber höchstpersönlich sich bei ihnen gemeldet hätte, drängte sich förmlich auf.
So entstand das Alter Ego Anabel Görlach-Bennani, ihres Zeichens fiktive Berliner Kunststudentin und Mitglied*in der Letzten Generation, die im Zuge einer Recherche für das Magazin „Vice“ (bevor dieses in Konkurs ging) patzig bei den gleichen zwanzig Museen vorstellig wurde und nachfragte, was diese denn so für den Klimaschutz täten, hopp hopp.
Die Übung gelang: Wenngleich nicht alle Museen sich auf diese Art der Diskursführung einließen, so lag die Reaktionsrate deutlich höher als bei der Ursprungsanfrage. Rund die Hälfte aller Museen übersandte seitenweise Dokumente und Materialien, in denen die Bemühungen um den Klimaschutz dargelegt wurden, wenngleich es sich dabei natürlich häufig um ausgeschmücktes Greenwashing handelte, also den Versuch, mit Schlagwörtern und Trittbrettfahrerei mit möglichst wenig Aufwand politisch-mediales Wohlwollen zu generieren.
Besonders taten sich dabei, im Gegensatz zur Ursprungsanfrage, plötzlich die Museen des deutschen Sprachraums hervor. Unübertroffen war dabei aber die Mitarbeiterin des Kunsthistorischen Museums Wien, die sich prompt mit Anabel anfreundete und dieser nicht nur die grünen Beweismaterialien schickte, sondern darüber hinaus sogar ungefragt ein Interview mit dem Direktor des Wiener Weltmuseums, Jonathan Fine, vermittelte. Dieser selbst, so hieß es, sei sehr interessiert an einer Kontaktaufnahme mit Mitgliedern der Letzten Generation.
Diese Chance konnte sich Anabel Görlach-Bennani nicht entgehen lassen. Es gab nur ein Problem: Sie war keine Berliner Kunststudentin mit halbmarokkanischen Wurzeln, sondern ein mittelaltriger Österreicher mit Bauchansatz und Haarausfall. Zwar lag für einen kurzen Moment die Versuchung nahe, es – in Zeiten von Georgina Kellermann – darauf ankommen zu lassen und schlicht und einfach zu behaupten, dieser Österreicher sei Anabel Görlach-Bennani und darauf zu hoffen, dass niemand die Dreistigkeit besäße, das Gegenteil zu behaupten. Dennoch fiel der Entschluss im Sinne der bestmöglichen Tarnung, eine „echte“ Anabel zu finden. An dieser Stelle nochmals ein herzliches Dankeschön an Samira Kley, die diese Rolle wunderbar und glaubhaft mit Leben erfüllte!
So folgte das große Finale: In einem knapp einstündigen Gespräch – bei dem der grantige Österreicher mit Hawaiihemd und Bandana doch noch als Mitklimakleber Thorben Kühnelt in Erscheinung trat – plauderte Direktor Fine frei von der Leber weg über seine Gedanken zum Klimaschutz, in denen er sich als radikaler Anhänger des Klimadiktats erwies. Dabei beherrschte der gebürtige New Yorker das gesamte Repertoire des Zeitgeists: Postkolonialismus, Rassismus, Feminismus, Klimatismus, nichts davon war ihm fremd. Er eröffnete den vermeintlichen Klimaklebern sogar die Möglichkeit, bei einem gemeinsamen Projekt als Berater mit an Bord zu sein und stellte dafür sogar Fördermittel in Aussicht. Zu etwaigen Einwänden eines vielleicht etwas konservativeren Publikums meinte Fine nur lapidar: „Na und?“
Die wohl bemerkenswerteste Demaskierung erfolgte aber, als Anabel ihn darauf ansprach, ob er einen Tipp geben könnte, wo man in seinem Museum bestmöglich kleben könnte. Zwar meinte Fine, dass er dafür keine direkte Erlaubnis geben könnte, aber wenn man so etwas in Betracht ziehen würde, so sollte man doch schauen, dass man indigene Menschen an den Artefakten aus ihrer Weltgegend kleben ließe: „Das hat dann eine ganz andere Resonanz, ehrlich gesagt.“
Was nach der Veröffentlichung dieser Recherche aber folgte, war womöglich der interessanteste Teil, denn wo ein solcher Skandal in der Vergangenheit noch zu einem Jobverlust des Museumsdirektors geführt hätte, so saß er diesen nicht nur aus, sondern wurden seine Ansichten schon bald von der Realität sich anbiedernder Museen eingeholt.
Nur wenige Tage nach Veröffentlichung der TE-Recherche griffen die Klimaextremisten der Letzten Generation in der Hamburger Kunsthalle Caspar David Friedrichs „Wanderer über dem Nebelmeer“ an. Die sorgfältige Inszenierung hatte dabei sogar eine Rolle für den Wachmann vorgesehen, der bei der Schmierenkomödie bemüht sein Bestes tat, zu suggerieren, er wäre in einen Kampf mit einer halb so schweren Klimaextremistin verwickelt, bis diese davon abließ und Asche auf dem Boden verstreute, woraufhin der Wachmann dem Spektakel artig zusah.
Der Verdacht der Kollaboration verhärtete sich zusätzlich, als der besonders medienaffine Direktor der Hamburger Kunsthalle beim NDR-Gespräch von der „Würdigung“ seines Museums durch die Klimakleber schwärmte. Er bezeichnete die Aktion als „großes Marketing für eine Sache, die uns alle angeht“, damit „müsse man leben, wenn wir relevant sein wollen“, zumal der „Wanderer über dem Nebelmeer“ für den Direktor ein „symbolisches Bild für die Klimakrise“ sei. Zu dumm nur, dass ihm niemand gesagt hatte, dass die Bewaldung Deutschlands mittlerweile deutlich über jener zu Zeiten Caspar David Friedrichs liegt, Tendenz steigend. Aber von solchen Fakten lassen sich Gefühle doch nicht ablenken.
Damit aber nicht genug. Auch in Wien setzten die Kollegen aus den Museen ein Zeichen der Solidarität für Jonathan Fine. Wiederum wenige Tage später hängte das Wiener Leopold Museum Teile seiner Sammlung um ein paar Grad schief auf, um auf – sie raten es! – die potenzielle Erderwärmung in den dargestellten Regionen hinzuweisen. Zumindest eine vergleichsweise kostengünstige Aktion, wenngleich man davon ausgehen darf, dass irgendein Berater sich wohl auch diese Idee gut bezahlen ließ.
Es dauerte keine zwei Monate und auch die letzten Hüllen fielen. Anlässlich des Internationalen Museumstags, dem 21. Mai, verkündeten mehrere Museen in Deutschland eine offizielle Zusammenarbeit mit der Letzten Generation, die im Rahmen der Veranstaltungen klimahysterische Propaganda-Performances aufführen durfte. Das letzte Feigenblatt war nun gelüftet, die offene Zusammenarbeit des Kultursektors mit der Letzten Generation, die im Herbst auch noch von Dirigent Vladimir Jurowski unterstrichen wurde, lag offen zu Tage. Und das Beste? Niemanden kümmerte es.
Wobei, so ganz stimmte das nicht. Für Jonathan Fine zahlte sich seine von TE aufgezeichnete Loyalität mit den Klimaextremisten sogar noch richtig aus. Nur drei Monate nach Veröffentlichung seines skandalösen Interviews mit TE verkündete das Kunsthistorische Museum Wien seine Beförderung zum Leiter des gesamten Museumsverbands. Trotz offensichtlicher Geringschätzung des zahlenden Publikums, trotz Beihilfe zur Planung krimineller Aktivitäten, trotz übler Nachrede gegen unliebsame Politiker, trotz alledem und noch vielem mehr, wurde Fine nicht entlassen oder auch nur gerügt, sondern stattdessen sogar noch befördert.
Einen eindeutigeren Beweis für die durch und durch politische Instrumentalisierung des Kunst- und Kulturbetriebs kann man sich nur schwer vorstellen. Doch einen Vorteil hatten die TE-Leser auch in diesem Fall: Sie wussten es auch diesmal schon zu einem Zeitpunkt, zu dem andere es nur vermuteten.