Am 11. Februar wird in Berlin gewählt – mal wieder. Rund ein Jahr nach der Abgeordnetenhauswahl wird auch die Bundestagswahl wiederholt, wenn auch nur teilweise. 455 von 2256 Wahlkreisen sind betroffen. Die Linkspartei, die bei einem Mandatsverlust um ihren Platz im Bundestag fürchten musste, ist in der jetzigen Situation sicher. Doch es gibt andere Bundestagsabgeordnete, die um ihr Mandat bangen müssen.
Vor allem im Bezirk Pankow müssen die Berliner neuerlich an die Urne. Dort sind allein 181 von 215 Wahlbezirken betroffen. Bezirksbürgermeisterin Cordelia Koch (Grüne) kündigte an, dass man sich – anders als 2021 – gut auf die Wahl vorbereitet sehe. Die Frage bleibt, ob das nur für die Organisation gilt. Denn Parteikollege Stefan Gelbhaar (Grüne) gewann hier vor zwei Jahren mit nur rund 7.000 Stimmen vor dem SPD-Rivalen Klaus Mindrup. Rund 200.000 Pankower sind im Februar aufgerufen, neuerlich zu wählen. Jetzt versteht man, warum der Bundestag parteiübergreifend versucht hat, die Entscheidung über die Wahlwiederholung zu verhindern oder zumindest zu verschleppen, nachdem TE auf die gravierenden Fehler hingewiesen und schon die Wiederholung der Wahl zum Abgeordnetenhaus erzwungen hat: Bundestagsmandate sind wohldotierte Pfründe, die will man nicht gefährden, parteiübergreifend.
Gelbhaar gilt als keine einfache Persönlichkeit und als Teil der radikalen Fahrradfront und als Autohasser. Die Agora Verkehrswende lud ihn 2021 zu einem Berliner Stadtgespräch ein und hat diese Position bekräftigt. Obwohl die Ampelkoalition in der Krise ist, ist das Votum gegen oder für Gelbhaar auch ein Votum in der stark umstrittenen Berliner Verkehrspolitik. Es ist durchaus möglich, dass sich Mindrup als das kleinere Übel durchsetzen könnte.
Ein anderer Bezirk, in dem die Wahl spürbare Konsequenzen haben wird, ist Charlottenburg-Wilmersdorf. Aus diesem Teil Berlins waren im Zuge der Chaos-Wahl immer wieder absurde Meldungen eingegangen, nicht zuletzt, weil der Berlin-Marathon den Bezirk am Wahlsonntag durchschnitt. Hier wird in 82 von 195 Wahlbezirken gewählt.
Nicht so stark betroffen wie die beiden obigen Beispiele ist der Wahlkreis Reinickendorf. Hier sind es rund 40 Wahlbezirke. Allerdings birgt die Wahlwiederholung in Reinickendorf den größten Zündstoff. Vor zwei Jahren wurde hier Monika Grütters (CDU), von 2013 bis 2021 Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, mit knapper Mehrheit in den Bundestag gewählt. Grütters gewann mit nur rund 1.800 Stimmen Vorsprung.
Die Möglichkeit, dass Grütters ihr Mandat verlieren könnte, witterte auch ihr Rivale Torsten Einstmann (SPD), der nun da siegen will, wo er 2021 scheiterte: „Reinickendorf hat nochmal die (Bundestags-)Wahl!“ Grütters tat das als „Pfeifen im Walde“ ab. Zwar ist der Abstand zwischen beiden Kandidaten bedeutend kleiner als in Pankow. Angesichts der Ampel-Schwäche erscheint Einstmanns Vorpreschen jedoch kühn.
Überdies gibt es noch eine weitere Gefahr. Sollte die Wahlbeteiligung bei der Wiederholungswahl zu niedrig ausfallen, dann könnten Parteikollegen aus anderen Bundesländern für die letztplatzierten Kandidaten auf der Liste einziehen. Laut Tagesspiegel wären von einer solchen Situation CDU-Generalsekretärin Ottilie Klein, Grünen-Landeschefin Nina Stahr, Ana-Maria Trăsnea (SPD), Pascal Meiser (Linke) sowie Lars Lindemann (FDP) und Götz Frömming (AfD) betroffen.
Was jedoch die Wahlwiederholung in allen diesen Fällen zeigt: Bei zahlreichen Ergebnissen, bei denen wenige Tausend oder gar Hundert Stimmen den Ausschlag geben, ist jede unterschlagene, nicht abgegebene oder manipulierte Stimme mandatsrelevant.