Tichys Einblick
Links, linker, Ampel

SPD-Chef Klingbeil: Massenmigration ist Dauerzustand

SPD-Chef Lars Klingbeil sieht Migration nicht als Herausforderung, sondern Zustand. Auch die Ampel scheint kein Problem mit den neuen Asylantragszahlen zu haben. Auf der Regierungsbank herrschen Untätigkeit und das Warten auf einen EU-Asylkompromiss vor. Der wird sicher kommen, aber vermutlich kaum etwas bringen.

Lars Klingbeil beim SPD-Parteitag in Berlin, 9. Dezember 2023

IMAGO / dts Nachrichtenagentur

Für Lars Klingbeil gibt es keine Herausforderung bei der Migration, keine punktuelle, die wieder wegginge, und keine große Krise, die man überwinden könnte. Im Bild-Podcast sagt der SPD-Chef wörtlich: „Wir haben keine Herausforderung bei diesem Thema. Migration ist ein Zustand, mit dem wir uns dauerhaft auseinandersetzen müssen.“ So viel zum „Aufregerthema“ von Moderator Paul Ronzheimer aus SPD-Sicht. Ronzheimer versucht es noch einmal mit interner SPD-Uneinigkeit zu den Abschiebungen „im großen Stil“, die die Partei weniger will als der Kanzler. Aber das bringt nicht viel. Klingbeil ist angeblich verärgert, dass die Entscheidung dazu von den Grünen verzögert wird. Aber das bedeutet eben nur, dass er das Thema zu Weihnachten schon abgehakt, „erledigt“ und vermutlich vergessen haben wollte.

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Klingbeils Worte sind in der Tat sehr informativ. Man weiß nun: Die SPD hat kein Problem mit der aktuellen Lage oder ihren langfristigen Folgen. Sie will das Chaos im Inneren, das diese beiden Faeser-Jahre angerichtet haben, aus ganzem Herzen. Sie will es höchstens, eventuell, vorübergehend etwas abmildern, damit das BAMF vielleicht auch wieder zu ein paar Sicherheitsprüfungen kommen kann. Obwohl deren Wegfall wiederum auch praktisch ist, denn es geht der SPD nicht um die Ablehnung von Asylanträgen, sondern um das Hineinschaufeln von möglichst vielen Personen in den deutschen Arbeitsmarkt – oder in die soziale Hängematte. Beides entspricht nicht gerade einer klassischen arbeitnehmerfreundlichen Politik.

Mit diesem Klingbeil-Podcast beginnt eine neue Phase der Verharmlosung des eigenen Versagens durch diese Regierung. Es geht um das Versagen der Regierung durch die Regierung und für die Regierung, oder auch das Versagen der SPD durch die SPD für die SPD, um ein bekanntes Lincoln-Bonmot mit vollkommen neuem Sinn zu füllen. Und das Problem der illegalen, ungewollten Zuwanderung soll also weggebetet werden, indem man es zur Lösung eines anderen Problems erklärt – ein Rhetorik-Trick, der auch schon seit 2015 am Medienpublikum erprobt wird (bei Merkel hieß das, nun sind sie halt da).

Kollektivschuld der zu wenigen Abschiebungen: „Wir“ sind schlecht darin

Oder von mehreren Problemen: „Wenn man sich die Zustände in vielen afrikanischen Ländern anguckt, die Situation auf der Welt“, so Klingbeil weiter, „dann ist Migration etwas, was uns nicht mal ein oder zwei Jahre herausfordert, sondern dauerhaft wird das Thema in unserer westlichen Gesellschaft sein.“ Und überhaupt: „Wir“ bräuchten ja Leute, die „hier herkommen“. Gleichzeitig seien aber auch „wir als Gesellschaft“ – so Klingbeil wörtlich – schlecht im Abschieben von abgelehnten Asylbewerbern, also, um Klingbeil zu ergänzen: von tricksenden und täuschenden, teils auch schlagenden und mordenden Asylbewerbern, die es offensichtlich nicht verdient haben, hier zu bleiben. Das alles sagt Klingbeil nicht, es ist nicht sein Thema. Man kann es aber getrost hinzufügen, weil in diesen Gründen der klassische Sinn von Abschiebungen lag.

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Klingbeils Formulierung von „wir als Gesellschaft“ ist dabei umso merkwürdiger, insofern hier nicht die gesamte „Gesellschaft“ in der Verantwortung ist, sondern konkret Bund und Länder, die nur einmal ihre Kompetenzen ordentlich abgrenzen und ins Handeln kommen müssten. Durch die Einbringung der „Gesellschaft“ setzt Klingbeil hier einen kollektiven Akzent, den man leicht als kollektive Schuldzuweisung an „uns alle“ verstehen kann. Verantwortung soll in diesem Denken ausgelöscht werden, ganz nach dem Motto: Wir haben ja alle mitgemacht. Das ist die Bedeutung dieses „Wir“.

Dass der Fach- und Arbeitskräftemangel dabei ganz wesentlich durch die illegale Zuwanderung angeheizt und verstärkt wird, weil die Asylindustrie selbst unzählige inländische Arbeitskräfte bindet (von Lehrern über Handwerker bis zu Polizisten), das verschweigt auch ein Lars Klingbeil lieber. Da der überbordende illegale Zuzug die Normalität der letzten Jahre wurde, ist eine Realität, die davon entkoppelt wäre, weder für ihn noch für irgendjemand anderen im Land greifbar. Und es geht weiter mit den Pfeilen, die alle nur nach Deutschland weisen oder auf es zurück zeigen, den Anreizen zum Kommen und Hierbleiben.

So viele Leistungsempfänger wie nie – und neue kommen hinzu

Die Empfänger von Asylbewerberleistungen sind schon im letzten Jahr (2022) stark gestiegen, nämlich um 21 Prozent. Das ist eine Art konkrete Kennziffer eines überlasteten Asyl- und Flüchtlingswesens. Wäre das System auch nur halbwegs in einem (immer selbstreferentiell gedachten) Gleichgewicht mit sich selbst, dann würden nicht mehr jährlich in es hineingehen als herauskommen. So könnten seine Kapazitäten (nicht die der Gesellschaft) theoretisch ewig reichen.

Doch das Mehr an Leistungsempfängern zeigt die Überlastung an, die in diesem Jahr sogar noch stärker gewachsen sein muss. Die Zahlen vom Statistischen Bundesamt (Destatis) kommen leider mit elf Monaten Verspätung an die Öffentlichkeit. Wie alles in Deutschland, dauert so auch die Auswertung einer voranschreitenden Krise – ja, es gibt eine, Herr Klingbeil – zu lange. Bis man die Zahlen zur Lage hat, ist man real schon in ihrem nächsten Stadium. Der nächste Schritt für die Asylbewerber ist übrigens sehr häufig der Bürgergeldempfänger. Auch die werden immer mehr, dank unserer SPD.

Gleichzeitig gibt es bereits zehntausende Fälle von „Chancen-Aufenthaltsrecht“, wie die Neue Osnabrücker Zeitung unter Berufung auf Zahlen des BMI und der Länder berichtet. Noch so ein grandioses Ampelkonstrukt, das Klingbeil im Bild-Podcast als weiteres Fachkräftebeschaffungsgesetz verklärt. Bis zum 31. Oktober wurden 47.531 Anträge auf eine Chancen-Aufenthaltserlaubnis genehmigt. Die meisten Antragsteller stammen laut der Nachrichtenagentur dts aus dem Irak (9.434), dahinter folgen Russland (3.906) und Nigeria (3.333). Fast 50.000 verliehene Aufenthaltsgenehmigungen – das ist ein ziemlicher Erfolg für die Ampel, jedenfalls in ihren eigenen Begriffen, leider aber nicht in denen der Bürger.

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Für 18 Monate haben die einst nur geduldeten Zuwanderer nun die „Chance“, sich endgültig im Lande zu etablieren, könnten endlich vernünftig Deutsch lernen und sich einen Job suchen. Denn nur wenn beides am Ende der anderthalb Jahre „Chancenaufenthalt“ gelungen ist, winkt angeblich das dauerhafte Aufenthaltsrecht. Möglich sind derzeit laut Bundesregierung noch über 80.000 weitere Chancen-Aufenthaltsgenehmigungen. Allerdings wurde ein Teil der Anträge bereits abgelehnt, in Niedersachsen waren es bisher 666 gegenüber 6.758 Genehmigungen (1.202 Entscheidungen sind hier noch offen). In Mecklenburg-Vorpommern wurden etwa ein Drittel der 1.254 Anträge abgelehnt, in Bayern eine unbekannte Zahl bei 6.167 erteilten Aufenthaltsgenehmigungen.
EU-Geheimsitzung und die verpassten Einsparungen beim Thema Asyl

In Brüssel tagen seit Montag in angemessener Heimlichkeit die Vertreter der Mitgliedsländer, um eine Einigung zum sogenannten Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) zu finden. Die politische Führung der EU, so unterschiedlich sie sein mag, sieht ein solches integriertes System als Lösung vieler Probleme an. Vor allem soll aber mit Rücksicht auf nationale und EU-Wahlen ein Deckel auf das Thema kommen, damit es zumindest für einige Zeit schweigt. Das ist eine trügerische Hoffnung, solange sich nicht substantiell etwas ändert. Und vielleicht verstehen das allmählich immer mehr Politiker in Europa.

Eines ist sicher: Die deutschen Ampel-Regierenden gehören nicht dazu. Sie sind, egal ob Grüne, SPD oder FDP, viel zu eingesponnen in ihren langsam esoterisch werdenden Diskurs über nationale Notlagen, Haushaltsnöte und so weiter. Zentral ist dieses Thema Haushalt dabei schon, aber eigentlich müsste man es viel grundsätzlicher angehen, als es die Ampelkoalitionäre zu tun bereit sind.

Zumindest gäbe es beim Thema Migration ganz erhebliche Einsparungsmöglichkeiten, die sich auch kurzfristig realisieren lassen, indem Erstaufnahmen und andere Unterkünfte entlastet werden. Zugleich (und vermutlich ungleich stärker) würden die Einspareffekte aber langfristig wirken. Denn die wahren Belastungen für das Gemeinwesen durch die rein wirtschaftlich-pekuniär motivierte Zuwanderung aus Nahost und Afrika kommen erst noch auf das Gemeinwesen zu.

Faeser will „Chaos“ an Außengrenzen beenden

Für Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ist das integrierte europäische Asylsystem GEAS „der Schlüssel, um Migration gemeinsam zu gestalten, zu steuern, irreguläre Migration wirksam zu begrenzen und dabei humanitäre Standards zu wahren“. So die Ministerin im Gespräch mit der traditionell nach links neigenden Frankfurter Rundschau. Das „Sterben auf dem Mittelmeer“ will Faeser damit angeblich beenden, daneben „das Chaos und die Rechtlosigkeit an den Außengrenzen“. Das scheint ein richtiges Wunderpaket zu sein. Daneben verteilt Faeser hier aber Spitzen gegen andere EU-Mitgliedsländer, die sich noch um echten Grenzschutz kümmern, etwa in der Ägäis oder auf dem Balkan. Ihr selbst wäre Petri und Hubertus Heil zu wünschen beim Rausfischen der deutschen „Rettungsschiffe“ aus dem Mittelmeer und ihrem gründlichen Verjagen aus italienischen und libyschen Rettungszonen.

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Faeser versucht hier auch von dem Chaos abzulenken, das sie selbst in Deutschland angerichtet hat, indem sie sich über zwei Jahre lang (und sicher auch für den Rest ihrer Amtszeit) nicht willens zeigte, den Zustrom über die deutschen EU-„Binnengrenzen“ zu stoppen, obwohl der Schengenraum eigentlich eine Zone der Sicherheit sein sollte. Die unverantwortliche Zuwanderungspolitik der letzten Jahre hat diesen Raum dauerhaft zu einer Unsicherheitszone gemacht. Faeser arbeitet dafür, diesen Status zu erhalten und ihn auszubauen.

Rhetorisch hängt sie sich nun am „Chaos“ an den Außengrenzen auf, obwohl sie es eigentlich selbst mit zu verantworten hat durch die Vergünstigungen, die Deutschland „Asylbewerbern“ gewährt, sobald dieselben in Deutschland sind (Asylbewerberleistungen und Bürgergeld, Chancenaufenthalt, schnelle Einbürgerung, freies Wohnen auf unbestimmte Zeit usw. usf.).

Die deutsche Faeser-Baerbock-Delegation hatte interveniert, um die geplanten EU-Grenzverfahren möglichst zahnlos zu machen. Einen Mechanismus, der Asylbewerber mit sehr geringen Chancen aussiebt, sollte es zwar geben. Aber Kinder und Familien sollten nicht von diesem selbst sehr moderaten Prüfungsprozess betroffen sein. Wie die Rückführung der abgelehnten Bewerber aus den Grenzlagern glücken soll, steht ebenfalls noch in den Sternen. Also: Das gerade vorweihnachtlich beschlossen werdende GEAS wird vielleicht irgendwann kommen, aber ob es dann (in ein oder zwei Jahren) eine Auswirkung auf die Migrationsströme in die EU hat, das steht in den Sternen.

Dem grünen NGO-Marquardt ist auch diese EU noch zu restriktiv

Letztlich ist auch das ein Herumdoktern an Symptomen, solange sich die Vorprüfung nicht konsequent außerhalb der Europäischen Union abspielt. Andernfalls ist zu befürchten, dass die Antragsteller und Migranten in dieser EU Rechte zugestanden bekommen, die ihnen, recht betrachtet, nicht zustehen. In Großbritannien schlägt sich die konservative Mehrheit gerade mit Regelungen herum, durch die derartige „Rechte“ zurückgezogen werden sollen. Der Erfolg bleibt auch dort unsicher.

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Aber das ist eigentlich schon ein Vergleich von Äpfeln und Birnen. Denn durch die EU-Außengrenzverfahren soll etwas ganz anderes erreicht werden als durch den Ruanda-Plan der Briten: Ist das Ziel dort die stärkste denkbare Abschreckung und ein Herabdrücken der illegalen Migration auf Null, so will Faeser in Deutschland nur die Kommunen etwas entlasten – nicht zu sehr, das würde ja die Kreise der SPD-nahen Asylindustrie stören. Und die Bundesregierung wird genau diese Interessenlage in der EU vertreten, nicht etwa die Interessen der Bürger.

Der EU-Abgeordnete und Gründer der „Kabul Luftbrücke“, Erik Marquardt, goss wiederum in der Frankfurter Rundschau auch in diesen Faeser-Wein sein Grünen-Wasser: „Die Erwartung, dass durch eine Einigung auf GEAS weniger flüchtende Menschen nach Deutschland kommen, scheint mir vollkommen unrealistisch. Es werden eher mehr Menschen versuchen, direkt nach Deutschland zu kommen, wenn sie merken, was ihnen an den Außengrenzen droht.“ Der Fachmann für illegale Migration, der auch schon auf Lesbos mit eigener NGO wirkte, sieht also mehr klammheimliche Einschleusungen über mehrere EU-Binnengrenzen voraus, wenn sich die minimale Vorkontrolle an der Außengrenze durchsetzen sollte. Marquardt ist der linksradikale Rand der deutschen Regierungsfraktionen. Und diese Ampel, die sich noch bei einem EU-Winzig-Kompromiss betont schwertut, gibt sich damit als Club von Links, Linker und am Linkesten zu erkennen.

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