Inzwischen wird auch im Kanzleramt mit Besorgnis gesehen, mit welchen zweifelhaft-brutalen Methoden Frankreich vorgeht, um die ungeliebte deutsche Führung des in Toulouse ansässigen Flugzeugbauers zu verdrängen. Um Missverständnissen vorzubeugen: Wir wollen hier nicht die Niederschlagung von Ermittlungen wegen Insiderverdachts gegen EADS-Manager fordern. Wenn es dazu Fragen gibt, müssen diese rechtlich sauber geklärt werden – aber fair.
Doch den Franzosen geht es nicht um Aufklärung, sondern um Vorverurteilung. Sicherlich stehen auch einige französische Manager mit am Pranger, aber das sind Pensionäre oder Vertreter der zweiten Reihe. Tatsächlich geht es Paris um die deutsche Führung von Airbus. Man will eine Verhandlungspanne des Elysée-Palasts aus dem vergangenen Jahr beseitigen: Damals hatten sich die Berater von Präsident Sarkozy so auf die Sicherstellung eines französischen Vorstandsvorsitzes bei EADS konzentriert, dass man erst spät merkte, dass mit Thomas Enders ein Deutscher an die Spitze von Airbus gelangte.
Also setzt man jetzt neu an: „Wir wissen, dass die Franzosen Enders weghaben wollen“, heißt es ziemlich weit oben im Kanzleramt. Noch schlimmer ist, dass französische Spitzenbeamte, die an einer wichtigen Schnittstelle zwischen Geheimdienst und französischer Wirtschaft sitzen, bei Gesprächen mit deutschen Regierungsvertretern üble Geschichten über Airbus, eine angeblich ab 2012 zahlungsunfähige EADS und das deutsche Management erzählen. Und munter plaudern diese Beamten auch Inhalte aus den Verhören deutscher Manager durch französische Ermittlungsrichter aus. So habe der frühere Airbus-Chef Gustav Humbert nach zwei Stunden „gesungen“. Informationen, wann, wo und welcher Manager verhaftet wird, sind in Paris schnell in den Medien.
Aber das ist nicht alles. In Frankreich soll das gezielte Vorführen deutscher Manager deren Ruf als Führungskräfte ramponieren. Dabei entsteht aber auch in Deutschland durch Unkenntnis des französischen Rechtssystems der Eindruck, Enders und Co. säßen in Untersuchungshaft und könnten sich nur durch Kaution freikaufen. Und Untersuchungshaft bei uns bedeutet nun mal Verdunklungsgefahr und hohe Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung. Ergo: schuldig.
Dabei ging es nur um Befragungen, die, wenn sie in Deutschland in diesem Stadium der Untersuchungen stattfänden, in keiner Weise mit einer Haft verbunden wären. In Frankreich aber will man die Manager psychisch brechen. Die verhörten Deutschen berichten in internen Memos über Haft-Umstände, die zu Simbabwe, aber nicht zu einem Rechtsstaat passen: Die Zelle war 2,30 mal 3,30 Meter groß. Über die Matratze war eine stinkende Plastikfolie gespannt. Zum Zudecken gab es kein Bettzeug, sondern eine übel nach Urin riechende, verfilzte Decke.
Als Toilette diente ein Abtritt mit Loch im Boden. Die Eingesperrten mussten Schnürbänder, Brille und Gürtel abgeben. Beim Verhör war kein Anwalt zugelassen und Fragen wurden – obwohl die Liste nach wenigen Stunden durchgearbeitet war – so lange mit einem extra schlechten Dolmetscher wiederholt, dass die Manager zwei Nächte im Gefängnis verbringen mussten.
So behandelt man nicht einmal Schwerverbrecher. Aber in diesen Fällen ging es um Manager, die freiwillig nach Frankreich gekommen waren, um bei der Aufklärung einer Straftat zu helfen. Rechtsstaat für Manager? In Frankreich Fehlanzeige.
(Erschienen auf Wiwo.de)