Die Realität ist von keinem Satiriker und keinem schlechten Witz mehr zu toppen: Katharina Schulze, Vorsitzende der Grünen in Bayern, deutet in eine herrliche Winterwaldlandschaft und erklärt mit bebender Stimme: „Auch wenn es nicht so aussieht, die Erde brennt überall.“ Klar, Normalwetter im Dezember ist jetzt Extremwetter, und Extremwetter Klimawandel. Die Gleichung sitzt, schleicht sich in jede Nachricht ein, wird tausendfach wiederholt, repetiert, kaum variiert, nie begründet und längst geglaubt. Wirklichkeit ist längst Glaubenssache.
In München brennt der Schnee und die Stadt steht
Am Wochenende hat sie vor Ort in München so gebrannt, dass die früher heimliche Hauptstadt zur Metropole der Bewegungslosigkeit erstarrte: Flughafen gesperrt, Bahnhof gesperrt bis auf stehende Züge, in denen gestrandete Passagiere übernachten mussten. Stehende Züge können wenigstens keine Verspätung einfahren. Vielleicht sind Schlafzüge für Menschen, deren Heimat man zerstört hat, das neue Geschäftsmodell. Straßen- und S-Bahnen bleiben stehen, Gehsteige werden nicht geräumt, kein Salz, kein Sand; öko ist, wenn sich der gemeine Bürger die Beine bricht.
Die Stadt München, deren SPD-Oberbürgermeister sich durch die Fähigkeit auszeichnet, zügig ein Bierfass anzuschlagen, glaubt an den Klimawandel. Es gäbe ja keinen Schnee mehr, hat das Potsdamer Klimainsitut schon vor 20 Jahren erklärt. Vermutlich wären die 35 Millionen jährlich, die das Potsdamer Klimainstitut jährlich für seine Prognosen erhält, in Schneeräumgeräte besser investiert. Die extra neu gebauten „Fahrrad-Schnellwege“ bleiben ungeräumt, ohne auch nur ein einziges Lastenfahrrad. Gemütlich brummeln ein paar ältere Mercedes-Taxis vorbei; für Elektro ist es zu kalt. Die EU-Kommission plant ihre Abschaffung. Die der alten Taxis und Dieselfahrzeuge. Die Zukunft steht auf immobil.
Winter ist da irgendwie immer wieder eine große Überraschung. Seit 20 Jahren wird prophezeit, dass der Winter künftig schneefrei bleibt, diesmal aber nur in Dubai, wo sich 70.000 aus öffentlichen Kassen gut bezahlte Klimabewegte treffen, um die Aufstockung ihrer Bezüge zu bewirken; warm unter Palmen, blauer Himmel, keine klimatisch bedingten Verkehrsinfarkte. Die ersten 100 Millionen hat Entwicklungshilfeministerin Schulze schon zugesagt; im vergangenen Jahr hat der wie auch immer definierte Süden über sechs Milliarden „Klimahilfen“ aus deutschen Staatskassen erhalten – und mit diesem spendablen Tempo soll die Umverteilung von Deutschland nach Süden weitergehen, verspricht Bundeskanzler Olaf Scholz an dem Tag, an dem in Parlament in Berlin über die Haushaltssperre debattiert wird, natürlich ohne Scholz.
Die Tagesthemen präsentieren eine „Klimaanpassungsmanagerin“, die Kommunen berät, wie sie mit den häufigeren Hitzetagen umgehen sollen. Rezepte für Kälte bietet sie aktuell nicht an. In den U-Bahn-Wartebereichen des Münchner Hauptbahnhofs dürfen Obdachlose nicht liegen, aber ausnahmsweise sitzen. „Bei dem Wetter jagen wir keinen hinaus“, sagt ein Wachmann. Die Klimaanpassungsmanagerin hat er nicht gefragt.
Es gibt eben längst zwei Sorten Wirklichkeit: die eingebildete und die tatsächliche Wirklichkeit. In der eingebildeten Wirklichkeit brennt die Erde, in der tatsächlichen erfriert sie gerade. Da hilft die Tagesschau, die erklärt, dass ohne Klimawandel der Schnee noch viel kälter wäre. Ist das jetzt eine gute Nachricht?
Die Braunkohle rettet die Energiewende
Die Stromproduktion in Deutschland in diesen Tagen geschieht praktisch ausschließlich mit fossilen Energieträgern, meist Braunkohle; kaum „Erneuerbare“, meldet der TE-Energiewende-Wetterbericht. Das eigentlich abgeschaltete Braunkohlekraftwerk Jänschwalde meldet volle Kraft. Dafür soll es jetzt im Frühjahr abgeschaltet werden (laut heutiger BamS soll allerdings Habeck erwägen, „den für 2030 anvisierten Kohleausstieg bei unsicherer Versorgungslage zu verschieben“). Nach den Kohlekraftwerken dann irgendwann sollen ihre Leistung Gaskraftwerke übernehmen, für die es kein Gas gibt, so wenig wie auch nur die erste Genehmigung oder ein Spatenstich. Dass Solarpaneele keinen Strom liefern, wenn sie schneebedingt herumliegen, ist neu nur für die Propheten der Energiewende.
Es sind fiktionale Lösungen für ganz handfeste Probleme, und das eigentlich Schlimme daran: Es lacht schon keiner mehr. Die Wirklichkeit hat die Satire so unwiederbringlich und gefühllos hinter sich zurückgelassen wie Casanova seine vielen Geliebten. Vermutlich kann man den Widerspruch nur in Dubai aushalten, wo der meiste Strom für Klimaanlagen draufgeht.
Realitätssinn ist kein Gevatter aus Deutschland mehr. Während große Reden über das grüne Wirtschaftswunder aus dem öffentlich-rechtlichen TV tröpfeln, stetig sich wiederholend und so nervig wie das Pling-Pling eines tropfenden Wasserhahns in der Nacht, erklärt sich der VW-Konzern nicht mehr für überlebensfähig. Dessen Elektroautos will kaum ein Konsument, der durchaus ahnt, dass Schönwetterautos für hiesiges Klima nicht so geeignet sind, von fehlender Sitzheizung bis zum Scheibenentfroster mal ganz abgesehen. Aber bekanntlich ist der Konsument aus Sicht der Politik unmündig und muss zu seinem Glück gezwungen werden. „Der Sinn von Klimaschutz sei Freiheit“, doziert Klimaminister Robert Habeck auf einer Tagung, die ihren Stifter Ludwig Erhard und sein Freiheitsversprechen zu Grabe getragen hat.
Freiheit ist die Freiheit zum Verzicht und zur Einsicht, dass schlechte Lösungen die besseren sind, wenn man nur fest daran glaubt. Schlechtere Lösungen wie eine Energiepolitik, die um CO2 einzusparen Wege einschlägt, die den CO2-Ausstoß dramatisch erhöht, die Preise treibt und die Unsicherheit zum Wesensmerkmal hat: Verschlechterung in allen Dimensionen – das hat sich damals Ludwig Erhard anders vorgestellt mit seiner Erwartung, dass die Freiheit zum Handeln und Entscheiden bessere Lösungen erzeugt als der Zwang von Planwirtschaftsbürokraten. Die Brücke zwischen Traum und Realität ist der Zwang, der jetzt zur Freiheit umdeklariert wird.
Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit der Unfreiheit
Aber das war ja gestern und kann als überwunden gelten. Freiheit ist umetikettierte Unfreiheit. Worte werden umgedeutet, die Wirklichkeit verschwindet hinter einem Schleier aufgeblasener Rhetorik. Die Industrie verlässt das Land, nach der Auto-Industrie lassen jetzt die Chemie-Unternehmen alle Hoffnung fahren, dass der Standort Deutschland noch zu retten ist. Während sich das Bundeskabinett in Dubai in den eigenen Worten sonnt. In Belo Horizonte, Brasilien, bezieht der Röhrenhersteller Vallourec seine neue Hauptverwaltung, im September hatte man nach insgesamt 130 Jahren Industriegeschichte von Mannesmann die „Arbeitsplätze beerdigt“, wie die Arbeiter in einer emotionalen Zeremonie feststellten. Andere machen da nicht so begeistert mit.
Die Zukunft wandert aus Deutschland aus in andere Horizonte. Nicht einmal die Namen bleiben, nur Ruinen. Während Annalena Baerbocks Klima-Staatssekretärin in ihrer amerikanischen Muttersprache in Dubai das Hohe Lied der „Erneuerbaren Energien“ singt, erklären 20 Staaten in Dubai die Selbstverpflichtung, bis 2050 die Kernenergie zu verdreifachen. Darunter sind Tschechien, Frankreich, die Slowakei, Rumänien, auch die Niederlande und Schweden – in der EU wird in klammheimlicher Freude Deutschland mit seiner Abschaltung von Kernkraftwerken längst zum belächelten Geisterfahrer.
Aber das Merkmal des Geisterfahrers ist, dass er die vielen Entgegenkommenden für Geisterfahrer hält.
Längst hat sich die Klimapolitik von jeder Realität entfernt, legen ihre Repräsentanten eindrucksvolle Darstellungen mit der Luftgitarre hin. Natürlich ahnen sie, dass da kein Ton zu hören ist. Aber mit symbolischen Aktionen lässt sich in einem Land wie Deutschland wunderbar das eigene Einkommen zulasten der Gesamtbevölkerung aufs Wunderbarste maximieren.
Man muss nur so tun, als glaubte man daran. Und wenn die Wirklichkeit eindringt, und im Winter das herabfällt, was man früher Schnee nannte, dann friert trotz aller globaler Erwärmung die Bewegung ein – bei denen, die daheim bleiben mussten, statt in Dubai unter Palmen zu konferieren. Die Wirklichkeit ist eine lästige Erfindung, die man gerne abschaffen würde.