Der Bundesparteitag der Grünen, der vom 23.11. bis zum 26.11. in Karlsruhe tagt, zeigt eindrucksvoll, dass die Grünen in der Bundesrepublik als Partei das Alleinstellungsmerkmal besitzen, dass bei ihnen schon die Jungen vergreist sind. Zumindest schwelgen sie in den reaktionären Vorstellungen, die 1989 von Bürgern, ob in der DDR oder in Polen, in der Tschechoslowakei oder in Ungarn, in Rumänien und in Bulgarien, die für Freiheit und Demokratie eintraten, hinweggefegt worden waren.
Parteichef Omid Nouripour rief dann auch auf dem Parteitag aus: „Die Angriffe kommen, weil wir wirken, weil wir den Unterschied ausmachen, weil wir im Zentrum des Geschehens stehen.“ Damit hat Nouripour zum Teil recht, denn die Grünen haben in kürzester Zeit in der Tat Erstaunliches erreicht:
- Die deutsche Wirtschaft wächst als einzige in der EU nicht, der britische Economist nennt Deutschland den „kranken Mann Europas“, Deutschland befindet sich in der Rezession, nur Schulden und Subventionen wachsen.
- Was die Unternehmen betrifft, stehen die Zeichen auf Abwanderung und Insolvenzen.
- Die Lebenshaltungskosten steigen durch Strafsteuern wie die sogenannte CO2-Bepreisung.
- Der Lügen-Haushalt nebst den Sondervermögen genannten schwarzen Kassen wird vom Bundesverfassungsgericht für „verfassungswidrig“ und „nichtig“ erklärt. Die Ampel wird wohl in diesem Jahr nicht mehr in der Lage sein, einen Haushalt für 2024 aufzustellen.
- Der Finanzminister verhängt eine Ausgabensperre für die Ministerien, für Habecks Klima- und Transformationsfonds und für den Wirtschaftsstabilisierungsfonds zur Finanzierung der Märchenprojekte des ehemaligen Kinderbuchautors von den Grünen im Wirtschaftsministerium.
- Obwohl auf der einen Seite hohe Einnahmen für den Bundeshaushalt stehen, können sie nicht mithalten mit den Ausgabenpartys der grünen Minister Habeck und Baerbock, gern auch außer Landes gefeiert.
- Obwohl die Sicherheit Israels deutsche Staatsräson ist, finanziert die grüne Außenministerin den Gaza-Streifen – und damit mindestens mittelbar die Hamas.
- Der Bundesrat lässt gleich drei Gesetze der Ampel platzen – und es sind die eigenen Ampel-Leute in den Ländern, die am heftigsten dagegen votieren.
- Trotz Turboeinwanderung in die deutschen Sozialsysteme sabotieren die Grünen jeden seriösen Versuch, der Migrationskrise Herr zu werden. Der Asylkompromiss, auf dem sie auf ihren Parteitag so mannhaft, so frauhaft, so divershaft streiten, ist ein noch dazu schlechter Witz in der Landschaft angesichts der tatsächlichen Not. Inzwischen werden sogar Alten- und Pflegeheime geräumt für Leute, die kommen, um sich, wie Göring-Eckardt es sich gewünscht hat, in den deutschen Sozialsystemen zu Hause und wohl fühlen sollen.
Der Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen hat ausgerechnet, dass schon heute in den deutschen Sozialsystemen eine Nachhaltigkeitslücke von über 17 Billionen Euro klafft. In dieser Situation, in der an Leistungsträgern Deutschland verlässt, wer es sich erlauben kann, holt die Ampel unter besonderem Engagement der Bundesinnenministerin Nancy Faeser und vor allem der Grünen, wenn das so weitergeht, Millionen von Leuten herein, die nie etwas in das Sozialsystem einzahlen, sondern sich von ihm alimentieren lassen werden.
In dieser Situation, den drohenden Eisberg in Sicht, den Staatsbankrott, verlangen die Grünen die Auflösung, oder wie es bei den ehrlichen Grünen geframt wird, die Reform der Schuldenbremse, was auf das Gleiche hinausläuft. Schon springt ihr bei diesem Vorhaben die Union bei, die schon beim Aufstehen sofort umfiel. Jedenfalls ist die Zeit, in der sie Opposition zeigte, nicht einmal nach Sekunden zu messen. Friedrich Merz „will offenbar auf eine neuerliche Klage verzichten, sollte die Bundesregierung für das laufende Haushaltsjahr eine Notlage erklären“, meldet dts.Omid Nouripour hat recht, wenn er, ohne es auszusprechen, darauf verweist, dass die Grünen einen großen Beitrag dazu geleistet haben, wenn sich die guten Gewissheiten in der deutschen Gesellschaft aufgelöst haben, er hat tausendmal recht, wenn er den Anteil der Grünen daran herausstreicht, dass sich Deutschland in einer Regierungskrise befindet, die sich zu einer Staatskrise und schließlich zu einer Verfassungskrise ausweiten kann. Deutschland befindet sich in der tiefsten und noch dazu selbstverschuldeten Krise seit Gründung der Bundesrepublik.
Man muss Nouripour wirklich zustimmen, wenn er in Karlsruhe zum Happening der grünen Parallelwelt ausruft: „Keine politische Kraft hat das Land so verändert, wie Bündnis90/Die Grünen.“ Wie schrieb doch die „Migrationswissenschaftlerin“ Naika Foroutan über die Deutschen: „Sie haben das Gefühl, ihr ‚eigenes‘ Land nicht mehr wiederzuerkennen. Zu Recht, möchte man sagen – denn es sieht anders aus, es ist jünger geworden, es spricht anders, es isst anders, es betet anders, es liebt anders, es hat neue Konflikte, es kleidet sich anders, es ist lauter als in den Jahren, die für viele bis heute ihr Deutschlandbild prägen“? Vor allem: „Deutschland ist das Land seiner Einwohner und Einwohnerinnen. Es gehört niemandem per se, weil er oder sie Urahnen hatten, die schon immer hier gelebt haben.“
Wenn man den Parteitag in Karlsruhe verfolgt hat, konnte man die Auseinandersetzung zwischen radikal und radikaler, unbürgerlich und unbürgerlicher erleben, zwischen Regierungsgrünen und Basisgrünen, die Auseinandersetzung in einem Paralleluniversum, in das die Realität nicht mehr eindringt.
Für einen kurzen Moment sah es allerdings so aus, als ob die Grünen selbst Deutschland von den Grünen befreien. Denn die Parteibasis wollte, dass die Grünen Regierungsmitglieder den sogenannten Asylkompromiss, der in Wahrheit eine Mogelpackung ist, der Versuch, Aktivität vorzugaukeln, um nicht aktiv werden zu müssen, das sture Rasen im Kreisverkehr, ablehnen. Man hatte dieses strittige Thema weit nach hinten geschoben und ist es erst am dritten Tag angegangen – und dann erst nach 20 Uhr. Zuvor musste den Regierungsgrünen der stellvertretende Parteivorsitzende Heiko Knopf Zeit verschaffen, indem er das Thema der Bedeutung der Kommunalpolitik für die Grünen vortanzte, damit sie so viele wie möglich der 130 Gegenanträge zum Antrag der Parteiführung „Humanität und Ordnung“ zur Migration und zum Mittragen des Asylkompromisses im Vorfeld abräumen.
Am Ende blieben 3 Anträge, einer von der Grünen Jugend, stehen. In dem Antrag der Grünen Jugend heißt es: „Weder die grünen Minister*innen in Bund und Ländern noch grüne Fraktionen“ dürfen Asylrechtsverschärfungen zustimmen. Eine Sprecherin der Grünen Jugend, Katharina Stolla, schimpft: „Es geht nicht, wenn wir an der größten Asylrechtsverschärfung seit 30 Jahren beteiligt sind.“ Und der sogenannte „Seenotretter“ Johannes Rückerl wird immer „wütender, wenn auch die Grünen diesen Weg mitgehen“.
Nach einer Stunde, als die erhitzte Stimmung im Saal sich gegen den Antrag der Parteiführung wendet, betritt Robert Habeck die Bühne und macht den Jungs und Mädels und den Diversen im kuschlig-grünen Disneyland klar, dass die Grünen die Koalition verlassen müssten, wenn sich der Antrag der Parteiführung nicht durchsetzt. Über den Antrag der Grünen Jugend sagte er: „Es ist ein Misstrauensvotum in Verkleidung, das in Wahrheit sagt: Verlasst die Regierung.“ Und fügt drohend hinzu: „Es wäre naiv zu glauben, dass das möglich ist, und in einer Regierung zu verbleiben.”
Was es bedeutet, aus der Regierung zu fliegen, konnten die Grünen gerade in Hessen beobachten. Auch die Wahlergebnisse in Bayern waren nicht rosig. Ricarda Lang warnte, dass die Grünen dann „nicht mehr am Tisch sitzen“ würden, „wenn diese Dinge verhandelt werden“. Sie könnten dann gar nichts mehr bei dem Thema ausbremsen. Zum Schluss sprach Annalena Baerbock, die, wenn schon nicht in der Gesellschaft, dann doch im grünen Paralleluniversum ein hohes Ansehen genießt. Sie sagt, dass sie den Antrag der Grünen Jugend nicht mittragen könne. Am Ende ist den Grünen die Regierungsbeteiligung wichtiger als ihre reine Lehre.
Warum auch nicht, sie können sie auch als unreine Lehre realisieren. Zumindest haben sich die Basisgrünen gegen die Regierungsgrünen durchgesetzt, wenn es nun im Europawahlprogramm heißt: „Wir lehnen das EU-Mercosur-Abkommen in seiner jetzigen Form ab.“ Das Mercosur-Abkommen soll den Freihandel zwischen der EU und Lateinamerika regeln. Habeck beispielsweise kämpft für dieses Abkommen.
Es gehört schon sehr viel Tollkühnheit oder Wirklichkeitsverweigerung dazu, wenn Robert Habeck auf dem Parteitag die Backen aufbläst: „Wir stören in der Mitte, weil wir in der Mitte sind.“ Für Soziologen dürfte interessant sein, dass die „Mitte“ in Deutschland, die Habeck-Mitte 12 Prozent beträgt, denn so viele Bürger würden nach der neuen Wahlumfrage von INSA die Grünen wählen, 30 Prozent die Union, 22 Prozent die AfD, 16 Prozent die SPD, 6 Prozent die FDP und 4 Prozent die Linke. Die Freien Wähler kämen auf 3 Prozent der Stimmen.
12 Prozent der Wähler machen also die Mitte aus. Die Mitte als Nischenprojekt, die Diktatur der wenigen gegen die vielen? Ist das die neue Parteidoktrin der Grünen? Zumindest dürften alle Wähler der Grünen zum Parteitag angereist sein.
Für Historiker hielt der Parteitag noch eine hübsche Pointe parat: Ricarda Lang, November 2023: „Wir machen Politik aus Liebe zum Menschen.“ Erich Mielke, März 1990: „Ich liebe euch doch alle.“