Tichys Einblick
Edle Wilde und Klimaschutz

Der Bericht zur Religionsfreiheit unterschlägt islamischen Terror gegen Andersgläubige

Am Mittwoch hatte TE der weltweiten Christenverfolgung gedacht. Von der meistverfolgten Religion findet sich im Bericht des Religionsbeauftragten wenig: stattdessen stehen lateinamerikanische Indios, Rohingya und Uiguren im Vordergrund. Der grassierende Islamismus wird mit ethnischen Konflikten kleingeredet.

Vorstellung des Berichts zur Religions- und Weltanschauungsfreiheit. Recht im Bild der Beauftragte Frank Schwabe (SPD).

IMAGO / epd

Rohingya und Uiguren – mit Hinweis auf diese verfolgten Minderheiten stellt die Homepage des Beauftragten der Bundesregierung für Religions- und Weltanschauungsfreiheit den 3. Bericht zu diesem Themenkomplex vor. Whataboutism angesichts individuellen Leids verbietet sich; dennoch stellt sich die Frage, warum Christen an dieser Stelle mit keinem Wort erwähnt werden. Immerhin sind sie die meistverfolgte religiöse Gruppe weltweit. Da diese Tatsache in der deutschen Öffentlichkeit kaum eine Rolle spielt, wäre es sinnvoll, diesen Sachverhalt in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen. Dies sollte auch gelingen, ohne deshalb andere Gruppen, die aus religiösen Gründen verfolgt werden, zu marginalisieren.

Doch angepriesen wird stattdessen, dass der Bericht neben 41 Länderporträts als Schwerpunkt „Religions- und Weltanschauungsfreiheit indigener Völker“ untersucht. Dazu werden ein eigenes Gutachten und ausführliche Beobachtungen vorgelegt. Das ist überraschend angesichts der zahlreichen Herausforderungen, denen Religionsfreiheit gegenübersteht: Einige afrikanische Länder erleben eine Eruption islamistischer Gewalt. Einschüchterung und Inhaftierung religiöser Akteure durch autoritäre Regime, wie etwa in Nicaragua, nimmt zu. Und wie bereits erwähnt, grassiert Christenverfolgung: In kommunistischen Staaten, in der islamischen Welt; selbst im globalen Westen sehen sich Christen zunehmend restriktiven Maßnahmen gegenüber. Diese mögen insgesamt weniger existenziell sein als Verfolgung an Leib und Leben. Da sich der Westen als Hort der Menschenrechte begreift, bestünde hier jedoch Anlass, diesem Selbstverständnis kritisch auf den Zahn zu fühlen. Beispielsweise werden die massiven Einschränkungen der Glaubensfreiheit während der Covid-Pandemie zwar erwähnt – sie werden jedoch nicht problematisiert, obwohl sie teilweise bereits Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen sind.

All das tritt hinter das Anliegen zurück, die Lage indigener Völker vorzustellen. Allerdings sind damit nicht christliche Assyrer und Chaldäer im Nahen und Mittleren Osten gemeint; Ethnien, die immerhin seit über tausend Jahren unter einem mal schleichenden, mal offenen Genozid leiden. Christliche Völker des Orients werden nicht als indigen betrachtet. Der Bericht widmet sich hingegen vorrangig der lateinamerikanischen Urbevölkerung, obwohl diese lediglich 11,5 Prozent der als indigen definierten Weltbevölkerung ausmachen soll; kaum präsent sind die angenommenen 70,5 Prozent in Asien und im Pazifikraum. Dies wird durch die Bildauswahl unterstrichen: Die entsprechenden Abschnitte werden ausschließlich mit Fotos aus Südamerika illustriert und stützen damit stereotype, medial präsente Vorstellungen von indigener Kultur.

Die Schwerpunktsetzung ermöglicht es den Autoren, einer schlecht kaschierten Voreingenommenheit gegenüber dem Christentum ein Forum zu bieten. So wird Missionstätigkeit christlicher Gemeinschaften unter Indigenen überdimensioniert dargestellt, und dies, wenig überraschend, vorrangig negativ. Im Hinblick auf Druck auf Indigene wird beispielsweise explizit darauf hingewiesen, dass viele Muslime in betroffenen Regionen Zwangskonversion ablehnten und als nicht vereinbar mit dem Islam empfänden. Bei Christen fehlt eine solche Feststellung, obwohl Zwangskonversion im Christentum unüblich ist.

Zwar wird auf den Unterschied zwischen evangelikaler und katholischer Missionstätigkeit hingewiesen; letzterer wird größere kulturelle Sensibilität bescheinigt. Dennoch wird ein unterschwelliger Kontrast kreiert, indem christliche Haltung zu Mission auf institutioneller Ebene dargelegt wird, während bei Muslimen die persönliche Haltung von Gläubigen zum Ausdruck kommt. Es unterbleibt die an dieser Stelle notwendige Einordnung, dass der Islam keine Inkulturation vorsieht, und gar keine institutionellen Ansprechpartner bietet, die ein sensibles Missionsverständnis propagieren könnten. Ohne diese Einordnung wird einseitig individuelle Fortschrittlichkeit von Muslimen deutlich, der Mangel an institutionellem und lehrmäßigem Problembewusstsein im Islam wird unterschlagen.

Hinzu kommt eine romantisierende Sicht auf naturreligiöse und animistische Spiritualität. Das Vorgehen christlicher Missionare gegen „heidnische und abergläubische“ Praktiken wird problematisiert: So werden Fälle genannt, in denen im Umfeld von evangelikaler Mission Praktizierende indigener Riten unter dem Vorwurf von Hexerei ermordet wurden. Unerwähnt bleibt, dass gerade indigene Kulte oftmals Hexenglauben beinhalten. Trotz Übertritt zu anderen Religionen bleiben Reste solcher Überzeugungen oft bestehen. Der Bericht versteht das Festhalten an synkretistischen Mischformen aber als schützenswerten Teil der Religionsfreiheit.

Dass ausgerechnet paganer Glaube nicht ausnahmsweise, sondern regelmäßig zu Hexenwahn führt, wird nicht benannt. In Teilen Afrikas etwa werden behinderte oder mit Gendefekten geborene Kinder getötet, weil man sie als Zauberer betrachtet. In Papua-Neuguinea kommt es zu brutalen Hexenverfolgungen – das Land kommt im Bericht nicht vor. Ebenso wenig, dass andere verbreitete pagane Praktiken wie Menschenopfer oder Witwenverbrennung durch Mission bekämpft wurden und werden. Im Gegenteil: Aspekte indigener Spiritualität, die Menschenrechten und Gleichberechtigung diametral widersprechen, werden im Sinne einer zeitgemäßen Version der Mär vom „Edlen Wilden“ höchstens indirekt angedeutet.

Diese Einseitigkeit zieht sich durch den Bericht. Er stellt fest, Mission habe „im Laufe der Geschichte (…) die Rechte indigener Völker massiv verletzt“. Keine Erwähnung findet dagegen der Beitrag der Jesuitenmission zur Bewahrung indigener Sprachen und Kultur, oder die Verbesserung der Lebensbedingungen durch Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung. Stattdessen wird die Bereitstellung von Bildung als Instrument zur kulturellen Entfremdung verstanden, medizinische Hilfe primär als Mittel zur Erzeugung von Abhängigkeit betrachtet. Während dies in manchen Fällen faktisch zutreffen mag, fehlt auch hier die Einordnung solcher Missstände: Zum Beispiel wird ausgelassen, dass behinderte und schwache Säuglinge in Kulturen ohne Außenkontakt sterben, während Missionare solche Kinder retten und ihnen die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben eröffnen.

Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Konzentration auf Lateinamerika nicht den am meisten benachteiligten Indigenen dient, sondern jenen, die in Europa die effektivste Lobby haben, und deren (Selbst-)Darstellung dem grünen Mythos erdverbundener, unschuldiger, friedfertiger und klimaneutraler Naturreligiosität am nächsten kommt.

Dies zeigt sich spätestens anhand der Darstellung der Anliegen der Bundesregierung. Der Bericht bekennt sich zu „Feministischer Außenpolitik“, kreidet die Ablehnung von Abtreibung in christlich geprägten Staaten an, widmet sich der Situation von LGBT-Personen, intersektionaler Diskriminierung und „Gendertransformativität“. Erstaunlich ist die Häufung von Begriffen wie Klimaschutz, Klimagerechtigkeit, De- bzw. Entkolonialisierung: Das Schwerpunktthema erweist sich als wohlbedachter Fehlgriff. Abgesehen von Konflikten um Land, das von Indigenen als heilig betrachtet wird, haben diese Inhalte mit Religionsfreiheit wenig bis nichts zu tun. Den Zusammenhang stellt der Bericht demgemäß lediglich her, indem er lapidar darauf verweist, dass Religionsfreiheit kein isoliertes Menschenrecht ist, sondern im Zusammenklang mit anderen Menschenrechten besteht. So kann er über weite Strecken abhandeln, was im Sinne der „feministischen Außen- und Entwicklungspolitik“ wichtig ist: Klimaschutz und „postkoloniale“ und „antirassistische“ Agenda.

Zum Punkt kommt der Bericht, wenn auch unwillig, in den 41 Länderberichten. Der „Elefant im Raum“ ist unübersehbar: Fast die Hälfte der genannten Länder mit teils drastischen Einschränkungen der Religionsfreiheit weisen eine muslimische Bevölkerungsmehrheit auf, einige Länder mit christlicher Mehrheit, etwa Kenia und Nigeria, werden von islamistischen Milizen und Terrororganisationen heimgesucht. Hier jedoch wird behauptet, dass es sich „nicht primär“ um religiöse Konflikte handle. Islamischer Terror und darauf folgende Diskriminierung von Muslimen, die unter Generalverdacht geraten, werden als „gesellschaftliche Konflikte mit religiöser Komponente“ betrachtet. Eine Darstellung, die den zahlreichen Opfern von Entführungen und Massakern, und den Eltern vergewaltigter und zwangsverheirateter Schülerinnen wie ein Schlag ins Gesicht vorkommen muss – zumal sich die Frage stellt, wo sich die „feministische Außenpolitik“ an dieser Stelle verortet. Da sich der Bericht in Wortwahl und Ton durch Sachlichkeit auszeichnet, werden derartige Verzerrungen nur bei genauer Lektüre deutlich, da sie zunächst neutral wirken.

Während die Länderberichte ein halbwegs konkretes Bild zeichnen, bleiben selbst die Projekte vage. Sie strotzen vor Buzzwords wie „Kooperation“, „Dialog“ oder „Nachhaltigkeit“, ohne dass deutlich wird, was genau erreicht worden ist. Das zentrale Grundrecht der Religionsfreiheit wird zur Projektionsfläche degradiert – zur Projektionsfläche für Eigenwerbung der Bundesregierung und für ihr ideologisches Portfolio. Es ist enttäuschend, dass hier ein zentrales Grundrecht politischer Eitelkeit untergeordnet wird.

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