Tichys Einblick
Ein Jahr Strafe ohne Grund

Das düstere Vermächtnis der Christine Lambrecht

Dass Lambrecht die wohl schlechteste Verteidigungsministerin war, ist bekannt. Dass die SPD-Politikerin zuvor eine katastrophale Justizministerin war, berichteten die wenigsten Medien. Die Krone des Pfuschs setzte sie mit der Verschärfung von §184b StGb auf Verbreitung pornographischer Inhalte, das nun von Buschmann geändert werden soll. Von Samuel Faber

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD), die frühere Justizministerin, und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) im Deutschen Bundestag, Berlin, 01.06.2022

IMAGO / Christian Spicker

Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Sohn von 15 Jahren. Weil er wieder einmal diverse schlechte Zensuren nach Hause brachte und dazu noch der lieben Mutter einen blöden Spruch drückte, nehmen Sie ihm das geliebte IPhone weg. So weit, so pädagogisch wertvoll.

Nun ist es so, dass der Sohn eine feste Freundin hat, die ebenfalls 15 Jahre alt ist. Und weil Jugendliche im Jahre 2023 nun mal so sind, wie sie sind, schicken sie sich gegenseitig Bilder, in denen die Teenager wenig bis gar nicht bekleidet sind. So ist nun mal der Zeitgeist.

Das Blöde daran ist: Im Moment des Besitzes dieses Mobiltelefons, haben Sie sich strafbar gemacht.. Mindeststrafe: ein Jahr auf Bewährung. Auch wenn Sie davon nichts wussten. Bedanken Sie sich bei Christine Lambrecht, die dies, als sie noch Justizministerin der letzten Bundesregierung war, zu verantworten hat. Und das entgegen aller Experten.

Im Jahr 2021 stufte die Koalition aus CDU/CSU und SPD die Vorschrift aus §184b Strafgesetzbuch (StGB), in der die Strafe für die Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte geregelt ist, vom Vergehen zum Verbrechen hoch. Ein Verbrechen ist eine Straftat, die mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Haft bewehrt ist. Kaum war die Vorschrift in Kraft, zeigte sich, dass alle Bedenken der Experten eingetreten sind.

Auch Lehrer können verurteilt werden

Doch kaum war die verschärfte Vorschrift in Kraft, zeigte sich, dass die Praxis mehr Probleme schafft als löst. Dies betrifft nicht nur das oben genannte Beispiel mit dem Sohn, sondern auch andere Personengruppen. Die Neuregelung führte dazu, dass sogar gegen Lehrer, Betreuer oder andere Aufsichtspersonen ermittelt werden musste, die kinderpornographisches Material in Besitz genommen hatten. Auf den Inhalt selbst kommt es dabei gar nicht an.

Der Teufel steckt bekanntermaßen im Detail: Durch den Ehrgeiz, seinen Nachfolgern ein Gesetz zu hinterlassen, das als skandalträchtig bezeichnet werden kann, schafft Frau Lambrecht weitere Probleme. Die Heraufstufung nahm den Ermittlern und Gerichten ein flexibles Instrument, das häufig Anwendung findet. Bei bestimmten Konstellationen konnten Verfahren auch gegen gewisse Auflagen (zum Beispiel Geldzahlungen) eingestellt werden.

Diese „gewissen Konstellationen“ sind genau das, was oben beschrieben wurde. Jeder Richter würde im Fall des Vaters oder des Lehrers, der das iPhone des Jugendlichen konfisziert, das Verfahren normalerweise einstellen. Allerdings kann er dies nicht mehr, da es sich inzwischen um ein Verbrechen handelt. Ein Freispruch wäre widerrechtlich, also bleibt dem Gericht nichts anderes übrig, als den armen Lehrer und den armen Vater zu verurteilen, mit einer Mindeststrafe von einem Jahr. Im Prinzip wegen so gut wie nichts. Auch minderschwere Fälle sieht dieses Gesetz nicht vor.

Das Rechtsgefüge ist gestört

Jeder Experte wusste davon, auch Frau Lambrecht, die zumindest auf dem Papier Juristin ist. Besonders perfide an der Hochstufung ist, dass die moralische Wertigkeit völlig aus dem Ruder gelaufen ist. So wies beispielsweise der Tübinger Strafrechtler Professor Jörg Kinzig in der entsprechenden Bundestagsanhörung darauf hin, dass selbst bei sexueller Nötigung ein minder schwerer Fall vorgesehen sei.

Auch die von CDU/CSU geladene Expertin Dr. Julia Bussweiler, ihres Zeichens Staatsanwältin, kritisierte das Gesetz. „Der Besitz kinderpornografischer Schriften würde (…) als schwerwiegender eingestuft als beispielsweise massive Gewaltanwendungen gegen andere Personen oder Minderjährige und Wehrlose oder Delikte des Menschenhandels oder der Zwangsprostitution, die lediglich mit einem Mindestmaß von sechs Monaten Freiheitsstrafe belegt sind.“

Es kann also sein, dass ein Vater sechs Monate bekommt, wenn er seiner 15-jährigen Tochter den Arm bricht. Nimmt er jedoch dabei ihr Handy mit, auf dem explizite Fotos ihres festen Freundes zu sehen sind, sind wir bereits bei einem Jahr. Das Rechtsgefüge ist gestört, die moralische Kategorisierung von Unrecht und Recht ist aus den Fugen geraten. Zum Glück ist Christine Lambrecht weder Justizministerin noch Verteidigungsministerin mehr.

Doch das Gesetz blieb bestehen. Der jetzige Justizminister Marco Buschmann, der immerhin bereits seit zwei Jahren im Amt ist, gab nun am 9. November einen Referentenentwurf in die Ressortabstimmung, der vorsieht, die Tatbestände wieder als Vergehen zu bewerten. Jedoch nicht freiwillig. Bereits am 10. November 2022, also vor einem Jahr, baten die 16 Landesjustizminister Buschmann, die Verschärfung wieder rückgängig zu machen.

Fachverbände teilten die Bedenken

Der FDP-Politiker ließ sich reichlich Zeit. Warum, darüber kann nur spekuliert werden. Vielleicht hat es etwas mit dem laufenden Normenkontrollverfahren zu tun, das aktuell beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist. Ein Normenkontrollverfahren prüft, ob ein Gesetz mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Dieses Verfahren wurde von einem Amtsrichter aus Buchen eingeleitet.

Das betreffende Strafverfahren handelt von einer Frau, die sich unbeabsichtigt durch einen automatisierten Download kinderpornographisches Material auf ihr Mobiltelefon gespielt hat. Der Richter müsste die Frau nun für mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe verurteilen. Doch das Amtsgericht hält dies für verfassungswidrig, und diverse Fachverbände teilen diese Auffassung.

Des Kanzlers inkompetentes Personal

Der eigentliche Skandal ist neben dem späten Handeln von Buschmann, der erst nach massivem Druck reagierte, dass es das Gesetz in dieser Form überhaupt gibt. Christine Lambrecht, die wohl schlechteste Ministerin aller Zeiten, egal in welchem Ressort sie tätig war, änderte den Paragraphen, obwohl alle Fachleute sie davor warnten. Der Vorwurf, im Besitz von kinderpornographischem Material zu sein, kann einen Ruf komplett zerstören. Ein Lehrer, oftmals Beamter, müsste aus dem Dienst entfernt werden und stünde vor dem Scherbenhaufen seines Lebens.

Dabei ist es am Ende völlig egal, ob sich der Vorwurf als falsch herausstellt. Der Rufmord ist begangen und kann häufig kaum mehr repariert werden. Auch diesen Vorwurf müssen sich Buschmann, vor allem aber Christine Lambrecht machen.

Dass ein Minister in Deutschland offenkundig keine Ahnung von seinem Ressort haben muss, ist das eine. Wenn die Person jedoch nicht mal auf die eigenen Experten hört, hat sie schlicht den Beruf verfehlt. Christine Lambrecht war hier kein Einzelfall. Im Innenministerium sitzt die nächste Kandidatin, die durch gefährliches Unwissen auffällt. Am Ende des Tages trägt die Verantwortung Kanzler Scholz, der offenbar kein Problem damit hat, dass sein Personal durch Ahnungslosigkeit glänzt.

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