Es gibt in öffentlichen Debatten heutzutage zwei Arten von „Gedächtnis“: das neuronale – sprich: das im Gehirn als Erinnerung gespeicherte Gedächtnis; und das digitale – sprich: das auf einer Festplatte, auf einem Stick oder in einer Cloud gespeicherte „Gedächtnis“.
Beim vormaligen Hamburger Bürgermeister (2011 – 2018), Ex-Bundesfinanzminister (2018 – 2021) und jetzigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) scheinen beide „Gedächtnisse“ zumindest in Sachen „Cum-Ex“-Skandal nicht so recht zu funktionieren. An Gespräche mit gewissen „Cum-Ex“-Bänkern, etwa Christian Olearius (bis 2019 Warburg-Aufsichtsratsvorsitzender), vermag sich Scholz nicht zu erinnern; das zumindest bekräftigte er zweimal in einer Sitzung des parlamentarischen Hamburger Untersuchungsausschuss, und zwar im April 2021 (damals noch als Bundesfinanzminister) und im August 2022 (mittlerweile als Bundeskanzler).
Ja, und dann waren im Oktober 2023 für 20 Tage zwei (!) wichtige Laptops verschwunden, auf denen eine sechsstellige Zahl von für den Hamburger Untersuchungsausschuss brisanten Emails gespeichert ist. Oder gespeichert war? Wer weiß, was in diesen 20 Tagen daran herummanipuliert wurde!?
Wir haben hier auf TE wiederholt davon berichtet, dass es unter anderem um einen amtlich exekutierten Steuerverzicht Hamburgs von 43 Millionen und geplant sogar von 140 Millionen (2019 gestoppt allerdings vom damaligen Bundesfinanzminister Schäuble) geht, und entsprechend hineingeleuchtet (siehe hier und hier). Und wir haben aufgelistet, wie der „grüne“ NRW-Justizminister Benjamin Limbach die Aufklärungsarbeit der zuständigen Kölner Staatsanwaltschaft behindert.
Zwei Laptops für 20 Tage verschwunden
Zurück zu den zwei Laptops: Auf den beiden Laptops waren (sind?) mehr als 731.000 Mails gespeichert: zum Beispiel aus den elektronischen Postfächern von Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD, Bürgermeister seit 2018; Finanzsenator 2011 – 2018), hochrangigen Hamburger Beamten und der langjährigen Büroleiterin von Olaf Scholz. Die Postfächer hatte die mit der Aufklärung der „Cum-Ex“-Geschäfte befasste Staatsanwaltschaft Köln beschlagnahmt. Anfang Oktober 2023 waren die Daten von NRW nach Hamburg geliefert worden, damit der Untersuchungsausschuss der dortigen Bürgerschaft sie auswerten kann. Doch dann das: Plötzlich waren die beiden Laptops nicht mehr in dem vorgesehenen Tresor zu finden.
Nun sind die beiden Laptops wieder da. Aber die rot-grüne Mehrheit will den Abgeordneten Einblick in die Beweismittel verwehren. Die Geräte mit den Emails aus Cum-Ex-Ermittlungsverfahren hatte der von der SPD benannte Chefermittler des Ausschusses ohne Rücksprache mit der Opposition an sich genommen. Eine Stellungnahme des Ausschussvorsitzenden, Mathias Petersen (SPD), zu dem Vorfall wirft allerdings Fragen auf. Petersen hat zwar eingeräumt, den von der SPD berufenen Leiter des Arbeitsstabs angewiesen zu haben, die beiden Geräte aus dem eigentlich für heikle Unterlagen vorgesehenen Aktenraum zu entfernen, um sie in einem Schrank in seinem Büro zu lagern. Vertreter der Opposition wurden von den beiden SPD-Männern aber erst darüber informiert, als stern und „WAZ“ den Vorgang Anfang November öffentlich machten.
Am Freitag, 24. November, will der seit 2020 tätige Hamburger Ausschuss in einer Sondersitzung über „Umgang mit Laptops und Asservaten“ debattieren. Die rot-grüne Mehrheit möchte verhindern, dass Ausschussmitglieder Einblick in die Mails bekommen. CDU-Obmann Richard Seelmaecker dazu: „Wenn uns das von der rot-grünen Mehrheit verwehrt wird, werde ich klagen.“
„Mehrheit“ – ein beschönigender Begriff, denn eigentlich ist es ein SPD-Sumpf. Denn der Ausschussvorsitzende Petersen und SPD-Obmann Milan Pein sind selbst indirekt in die Affäre verstrickt. Unternehmen aus dem Umfeld der Bank hatten im Jahr nach der für die Bank positiven Entscheidung insgesamt 45.500 Euro an die Hamburger SPD gespendet. In dem Parteigremium, das über die Annahme der Spenden entschied, saßen auch Mathias Petersen und Milan Pein.
Interessant: „Stern“ und WAZ legen sich ins Zeug
Petersen rückt nach Information von stern und WAZ nun noch durch einen anderen Vorgang ins Zentrum der Affäre. Sein Name soll mehrfach in den Asservaten auf den beiden Laptops auftauchen, die auf seine Weisung hin sein Parteifreund Jänicke an sich genommen hatte. Bei mindestens einer der Mails, in der Petersen als Adressat auftaucht und die auch an Olaf Scholz und Peter Tschentscher weitergeleitet wurden, geht es um den Verkauf der früheren Landesbank. Wie die Warburg-Bank war auch die HSH Nordbank tief in Cum-Ex-Geschäften verwickelt. Die Skandalbank hat der Stadt Hamburg ein Milliardendefizit beschert.
Wie stern und WAZ vor drei Wochen berichtet hatten, durften die Laptops mit den brisanten Daten von den Abgeordneten Mitte Oktober eingesehen werden – nachdem die Opposition zuvor ein Jahr lang dafür gekämpft hatte. Am 13. Oktober schauten erstmals die Mitarbeiter diverser Abgeordneter in die Mails. SPD-Obmann Milan Pein beschwerte sich anschließend bei seinem Parteifreund und Ausschussvorsitzenden Petersen. Die Einsichtnahme sei rechtswidrig, möglicherweise sogar strafbar.
Petersen räumt nun in einer Stellungnahme ein, noch am Abend des 13. Oktober den Arbeitsstableiter Jänicke angewiesen zu haben, die Laptops an sich zu nehmen. Drei Tage später habe er die Obleute der Parteien über die Datenschutzbedenken informiert. Gemeinsam mit der Opposition sei beschlossen worden, Mitarbeitern und Abgeordneten keinen Zugang mehr zu den Laptops zu gewähren. Zunächst solle ein Gutachten von Jänicke und zwei weiteren Mitarbeitern des Arbeitsstabs erstellt werden, wie die Daten genutzt werden können.
So hatte CDU-Obmann Richard Seelmaecker das Fehlen der Geräte bemerkt und sich beim Arbeitsstableiter über den Verbleib erkundigt, allerdings nur die Information erhalten, sie befänden sich an einem sicheren Ort. Erst nach der Veröffentlichung im stern und der WAZ tauchten die Laptops wieder auf. Insgesamt waren sie 20 Tage verschwunden. SPD-Mann Jänicke selbst geht mittlerweile juristisch gegen die Berichterstattung vor. Er möchte dem stern gerichtlich verbieten lassen, weiter zu behaupten, er habe die Laptops verschwinden lassen. Der stern weist den Anspruch Jänickes zurück und wehrt sich juristisch gegen das beantragte Verbot. Eine Entscheidung des Gerichts steht noch aus.
Matthias Hauer (CDU) geht noch einen Schritt weiter: „Die Vorgänge um das Verschwinden der Laptops zeigen, dass der SPD alle Mittel recht sind, um die Aufklärung zu behindern. Das haben wir auch im Bundestag erlebt, als die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses in einem bisher einmaligen Vorgang unterbunden wurde.“ Die Union hatte im April 2023 die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Bundestag beantragt, die SPD hat dies zusammen mit der FDP und den Grünen verhindert. „Die Ampel tritt Minderheitenrecht mit den Füßen.“ Die Union will sich das nicht gefallen lassen – und beschritt auch in dieser Angelegenheit den Weg nach Karlsruhe. Die 89-seitige Klageschrift liegt beim Bundesverfassungsgericht.
Und was ist mit dem „Fund“ von 200.000 Euro bei SPD-Mann Kahrs?
Wenn Deutschland nicht gänzlich eine Bananenrepublik werden soll, gehört hier mit Flutlicht hineingeleuchtet und dann mit Sandstrahlern gereinigt. Ohne Rücksicht auf einen Bundeskanzler. Aufgeklärt gehört dann endlich auch, dass der vormalige SPD-MdB und SPD-Bezirksvorsitzende Johannes Kahrs einen ominösen Bargeldfund in Höhe von 200.000 Euro in einem Schließfach fand.
William Shakespeares Satz im „Hamlet“ von 1601/1602 „ … something is rotten in the state …” müsste eigentlich nicht mit „etwas ist faul …“ übersetzt werden, sondern 1:1 mit „… etwas ist verrottet in diesem unserem Land …“