Die Illner-Sendung dieser Woche lief unter dem Titel: „Krieg in Nahost – immer mehr Judenhass in Deutschland?“, was aus irgendeinem Grund in Frage stellt, ob es tatsächlich mehr Judenhass in Deutschland seit dem 7. Oktober gibt, obwohl man einfach auf die Straßen von Neukölln gehen, „Tod den Juden“-Rufen lauschen und sich selbst überzeugen kann. Was diese seltsam gestellte Frage wohl nur zum Ausdruck bringen sollte, war, dass es diesen Donnerstag bei Illner um Judenhass gehen sollte. Vielleicht war der Titel deshalb so schräg formuliert, weil man keine direkte These oder Richtung für diese Sendung wollte. Illner nannte es am Ende einen „Ritt durch die verschiedensten Formen von Antisemitismus“.
Ins Auge fallen eher Ricarda Lang und Jens Spahn, die beide für vieles bekannt sind, aber nicht für eine besondere Expertise zum Thema Antisemitismus. Was sie noch gemeinsam haben, ist die Regelmäßigkeit, mit der die beiden uns im Studio von Maybrit Illner beehren. Egal welches Thema, Ricarda und Jens sind am Start, die beiden sind richtige politische Wunderwaffen. Im Laufe der Sendung stellt sich jedoch zumindest heraus, weshalb die Grünen Ricarda Lang ins Rennen geschickt haben. Beide hatten Missionen, Lang war dabei um einiges besser vorbereitet. Das beweist sie bereits bei der ersten Frage, die direkt an sie ging – was immer der Fall ist, wenn sie zu Illner kommt.
Ricarda Lang hat wie gesagt eine Mission. Wie schon Robert Habeck sieht sie nun in dieser Krise aus zaghaften Zusprechungen und Mitleidsbekundungen die Möglichkeit, sich als kompetente Macherin und Realistin darzustellen. Wir haben ja gesehen, wie gut das beim Vizekanzler medial funktioniert hat, der inzwischen für eine eigentlich durchschnittliche Rede als der nächste Bundespräsident gehandelt wird. Jedenfalls ist von der grünen Wohlfühlblase bei diesem Auftritt nichts mehr zu erkennen. Zu eingebürgerten Deutschen mit Migrationshintergrund und Asylanten, die sich antisemitisch äußern und daher abgeschoben und ausgewiesen werden könnten, sagt sie nur sehr gefühlskalt: „Das ist die Rechtslage.“
Man muss schon zugeben, an diesem Donnerstagabend konnte man einer Meisterin bei ihrer Arbeit zusehen. Wer sich (zu recht) fragt, wie jemand wie Ricarda Lang so weit die Karriereleiter empor steigen konnte – so: Sie mach 180-Grad-Wenden, ohne dass man bemerkt, dass sie sich bewegt hat. Sie mögen ihr vielleicht nicht glauben, doch sie wird Sie zumindest glauben lassen, dass sie selbst glaubt, was sie sagt. Lang hat wie Habeck eine Marktlücke gefunden, sich reingesetzt und nun können sie zusehen, wie Millionen hereinströmen, ohne dass sie wirklich etwas tun müssen. In Zeiten, wo alle sagen „In Deutschland hat Antisemitismus keinen Platz“, muss man nur einer der ersten Politiker sein, die hinzufügen „Und ein großer Teil dieses Antisemitismus geht von Muslimen aus“ und Boom. Sagen Sie hallo zu ihrer nächsten Bundeskanzlerin. Wenn es nur um den Posten des Schulsprechers ginge, könne man sie schon ein bisschen bewundern.
Ähnlich lief es mit der Antisemitismus-Forscherin Sina Arnold, die zunächst erstmal von Illner über linken Antisemitismus ausgequetscht wurde. Illner klang dabei, als hätte sie eine Naturwissenschaftlerin zu Gast, der es gelungen ist, mit Bakterien aus uraltem Antarktis-Eis ein echtes Einhorn zu züchten. Dass es Antisemitismus auch von links geben könnte, scheint für sie ein brandneues Thema zu sein. Arnold sieht für linken Antisemitismus, vereinfacht gesagt, unter anderem den Anknüpfungspunkt im Antikapitalismus, da die jüdische Weltverschwörung dies im Grunde verkörpert. Als Illner fragt: „Wenn aber jetzt die Hamas als Freiheitskämpfer betrachtet wird, auch von queeren Aktivisten, von Menschen, die eben auf ihre persönliche Freiheit eigentlich großen Wert legen, wie können die glauben, dass mit der Hamas als Herrscher sie überhaupt noch leben würden?“, ist es, als würde man einem Kleinkind bei seinen ersten Schritten zusehen.
Endlich sehen sie mal, was wir sehen, wenn Arbeitsverweigerer mit lila Haaren und hunderten Piercings Stalin verehren, obwohl er sie als erste in den Gulag schicken würde. Doch direkt darauf purzelt das Kind wieder zu Boden und robbt auf dem Boden weiter. „Ich glaube nicht, dass Greta Thunberg Antisemitin ist.“, erklärt die Antisemitismus-Forscherin. Gerade zu einer Zeit, in der die Klimabewegung zum Hassobjekt geworden ist, sollte man vorsichtig sein, mahnt sie. Sie schließt sich damit Malu Dreyer an, die zuvor noch erklärt hatte, sie fände es zutiefst erschreckend, dass die AfD sich mit Israel solidarisiert. Ja, ganz richtig, denn nicht nur Antisemitismus ist ein Problem – auch „Anti-Antisemitimus“ kann problematisch sein. So nennen sie es, wenn Rechte den Antisemitismus nutzen, um Solidarität mit Juden und Israel zu bekunden, um sich selbst gut darstellen zu lassen. Dass die AfD nun etwa mit jüdischen Gemeinden zusammenarbeitet, ist eine Falle! Nehmen Sie sich also vor dem bösen Anti-Antisemitismus in acht, der könnte sich womöglich noch hinterhältigerweise gegen Diskriminierung aussprechen.