Tichys Einblick
Verbale Beruhigungspillen

Bei Maischberger: Özdemir spielt den konservativen Law and Order Sheriff

Grünen-Politiker Cem Özdemir geht in die Vollen in Sachen Migration und Islam. Doch wie glaubhaft ist er? Sahra Wagenknechts Partei will Unzufriedene ansprechen und ist doch kommunistischer Wolf im Schafspelz. Von Fabian Kramer

Die hohen Umfragewerte und Wahlergebnisse der AfD haben in Deutschland politische Bewegung ausgelöst. Die Bundesregierung und die Opposition widmen sich seit den letzten Landtagswahlen der Begrenzung der Migration. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir spricht bei Maischberger ungewöhnlich deutlich dazu. Er fordert mehr Begrenzung und eine klare Bereitschaft zur Integration. Sind die Grünen plötzlich vernünftig geworden? Wohl kaum. Seine Einlassungen sind verbale Beruhigungspillen für die beunruhigte Wählerschaft.

Das Hemd schwitzt nicht von allein

Wer von den Grünen bisher Kuschelkurs und Samthandschuhe gegenüber Migranten gewohnt ist, der dürfte irritiert vor dem Fernseher gesessen haben, als Cem Özdemir spricht. Der „anatolische Schwabe“, wie er sich selbst gerne nennt, soll in der Causa Massenmigration Stellung beziehen. Er liefert kernige Sprüche, die man eher von konservativen und rechten politischen Akteuren kennt. „Wir müssen so schnell wie möglich geordnete Verhältnisse in der Migration schaffen“, fordert Özdemir. Özdemir sagt, er wolle in Deutschland keine Spaltung der Gesellschaft wie in Amerika. Deshalb müsse man Migration begrenzen.

Ungewöhnliche Sätze aus dem Munde eines Grünen. Ist es doch jene Partei, die seit 2015 zu den Hardcore-Fans der offenen Grenzen und der irregulären Migration gehört. Nach grüner Logik kann ein Land gar nicht bunt und vielfältig genug sein. Sind die Grünen aufgrund der erdrückenden Realität vernünftig geworden? Wahrscheinlich nicht. Es scheint zwar gut möglich, dass die Realität auch in der Hafer-Latte-Fraktion etwas sichtbarer angekommen ist, aber wahrscheinlich ist Özdemirs Auftritt ein Täuschungsmanöver.

Dem zur AfD und CDU gewechselten Ampel-Wähler soll rhetorisch der Bauch gekrault werden. „Die Mehrheit der Gesellschaft muss in der Mitte stabil sein“, äußert Özdemir. Gemeint sein dürften gute Wahlergebnisse für Parteien jenseits der AfD. Diese Ergebnisse sind wegen der miserablen Migrationspolitik immer schwieriger zu erreichen. Weil die Bundesregierung kein wirkliches Interesse hat, gegen die irreguläre Migration vorzugehen, artikuliert man Tatendrang. Ein Migrant müsse wissen, in welches Land er einwandere, so der grüne Landwirtschaftsminister drohend in Richtung Migranten.

Arbeit und Integration in die Gesellschaft seien von Migranten zu erbringen. Ein Hemd schwitze nicht von alleine, meint Özdemir. Auch das Grundgesetz stehe über allem. Und weiter: „Hier gibt es kein Parallelrecht“. Gut so, hat seine damalige Co-Parteivorsitzende Katrin Göring-Eckardt auf einem Parteitag schon ganz andere Sätze gesagt. Sie freue sich, wenn sich das Land verändere. Es würde jünger und religiöser werden. Wohin diese Veränderung führt, konnte man am vergangenen Wochenende auf deutschen Straßen beobachten. Der islamistische Mob skandierte antisemitische Sprüche und forderte ein Kalifat. 

Mit Islamverbänden nicht Hanni und Nanni machen

Der barbarische Terrorangriff der Hamas auf Israel hat viele Reaktionen in Deutschland ausgelöst. Neben den obligatorischen Beteuerungen von politischer Seite, dass man zu Israel stehe, gab es von der islamistischen und linken Seite antisemitische Hetz-Demonstrationen. Zu diesen Demonstrationen zieht Özdemir eine Verbindung zur Massenmigration muslimischer Migranten seit 2015. Die Teilnehmer verurteilt er aufs Schärfste. Er schlussfolgert: „Wir haben ein Recht zu definieren, wer in unser Land kommt.“ Hui, so ein nationalistischer Satz aus grünem Munde. Allerdings ist es mit der Regulierung nicht weit her.

In der Regel definiert der Migrant, dass er gerne nach Deutschland einwandern möchte. An der Grenze machen Beamte keinen Gesinnungstest. Das Zauberwort „Asyl“ genügt schon. Auch Özdemir dämmert, dass es so nicht weitergeht. „Es funktioniert nicht von selbst“, sagt er, als er auf das Zusammenleben zu sprechen kommt. Der Antisemitismus sei in den muslimischen Ländern weit verbreitet: Auch das hat er plötzlich erkannt. Wir Deutschen müssten etwas tun. Seine Lösung ist es, dass man die Integrationsbemühungen verstärkt. Die Verhinderung der Einreise von antisemitischen Migranten als Prävention kommt ihm nicht in den Sinn. Dabei ist es offensichtlich. Seit 2015 hat sich die Zahl der Antisemiten in Deutschland extrem erhöht. Schuld ist die Einwanderung von Leuten, die laut Özdemir den Antisemitismus mit der Muttermilch aufgesogen haben.

Diese Einwanderung muss reguliert oder im besten Falle gestoppt werden. Wer sich die deutsche Geschichte zu Herzen nimmt, muss klar benennen, dass diese Einwanderung ein Keim für wachsenden Antisemitismus ist. Diese Entwicklung wird durch weitere Zuwanderung verstärkt und gefährdet das jüdische Leben in Deutschland. Zurecht kritisiert Özdemir die Islamverbände. Aus seiner Sicht handeln diese nicht entschieden genug gegen Antisemitismus. „Man sollte nicht Hanni und Nanni machen mit den Islamverbänden“, meint er dazu. In der Realität redet die Politik in Gestalt von Ministerin Faeser lieber über antimuslimischen Rassismus und Diskriminerung, als die Verbände zu Antisemitismus zu befragen.

Von Özdemirs markigen Worten kann man die wenigsten für bare Münze nehmen. Sein „law and order“-Getue eines grünen Sheriffs ist nichts als Rhetorik. Seine eigene Partei wie auch die handelnden Koalitionäre sind nicht erpicht darauf, große Änderungen in der Migration zu bewerkstelligen. Der Bevölkerung soll Sand in die Augen gestreut werden. Die Ampel hofft, durch plakative Ankündigungen und faule Kompromisse Wähler zurückzugewinnen. Der Wunsch dürfte vergebens sein.

Wagenknechts Ego-Show

In Deutschland gibt es bisher nicht viele Parteien, die sich wegen einer Person gegründet haben. Sahra Wagenknecht möchte einen Versuch wagen und aus der Popularität ihrer Person eine Partei wachsen lassen. Mit ihrer alten Partei hat sie gebrochen. Programmatisch weiß man noch nicht viel. Bei Maischberger gibt Wagenknecht einen kleinen Überblick. Sie ist gegen ein AfD-Verbot. „Wir müssen uns politisch mit der AfD befassen“, meint sie. Diese Einschätzung liegt in der Natur der Sache, schließlich spekuliert Wagenknecht darauf, viele Wähler von der AfD wegzulocken.

Gesellschaftspolitisch gibt sie sich progressiv. Legales Cannabis und Werbung für Abtreibung sind für sie kein Problem. „Ich plädiere für ein Wahlrecht mit 18 Jahren“, erklärt sie. Ihre Zielgruppe dürfte älteren Semesters sein, da braucht sie die jugendliche Wählerschaft weniger. Ansonsten ist sie politisch bei Bekanntem geblieben. Sie wünsche sich eine andere EU und eine andere Nato. „Wir brauchen ein defensives Verteidigungsbündnis“, sagt sie.

Die Partei dürfte eine One-Woman-Show werden und bleiben. Wagenknecht ist in all den Jahren zwar medial gefälliger geworden, eine steinharte Kommunistin und Linke ist sie allerdings geblieben. Auch sie will Umverteilung und die Ausweitung des Sozialstaates. Zwar möchte sie die irreguläre Migration einschränken, doch Teile ihrer Mitstreiter sind eher dem „Offene-Grenzen-Lager“ zuzuordnen. Da wird der Spagat schwer werden. Die neue Partei soll jedenfalls ihren Namen im Parteinamen tragen. „Für eine Übergangszeit wird es so sein“, erläutert sie. Ihre Partei solle langsam wachsen. Sie wolle dafür sorgen, dass die Spinner und Extremisten draußen bleiben. Wenn man sich den bisherigen Unterstützerkreis ansieht, ist diese Sorge unbegründet. Die Spinner sind schon dabei. Allerdings auch die Zuspitzer, die keinem Krach aus dem Weg gehen. Da wäre zum einem Dieter Dehm zu nennen, der Heiko Maas einmal als „Nato-Strichjungen“ bezeichnete. Klingt gut, ist aber auch ein klares Programm der Abkehr von der bisherigen Sicherheitspolitik.

Zum anderen ist Ulrike Guérot im Dunstkreis der „Wagenknecht-Sekte“. Sie wurde als Professorin der Uni Bonn gefeuert, weil man sie in Putin-Nähe rücken konnte und gehört zu den klügeren Kritikern der Corona-Maßnahmen.  Solche Leute ziehen das Protestpotential an sich, aber sind inhaltlich in vielen Fällen doch speziell, um es höflich zu formulieren. Kann man aus unterschiedlichen Protestgruppen der alten Linken, von Corona-Kritikern einerseits und glühenden Staatsverehrern andererseits, Putin-Sympathisanten und Hamas-Freunden sowie den Resten der Friedensbewegung, von Migrationsgegnern und Anhängern weiterer Migration eine neue Partei formieren? Das wird das Wagnis sein. Wagenknechts alte Partei sieht den Weggang kritisch. Denn Wagenknecht und ihre Mitstreiter behalten ihr Bundestagsmandat. Wagenknecht will ihr Mandat behalten und sieht nichts Anrüchiges darin. Die Fraktion der LINKEN löst sich nach ihrem Weggang auf und verzichtet so auf Millionen vom Steuerzahler – die dann auch Wagenknecht fehlen werden. Politik ist auch immer der Kampf um Steuergelder in Deutschland.

Viele Menschen haben ihr geschrieben, dass sie ihre Stimme zurückwollten, wenn Wagenknecht ihr Mandat aufgebe. Geht natürlich nicht. Also behält sie das Mandat und ihr Einkommen, bis sie mit ihrer Partei ein neues Mandat erhält. „Ich hätte mir eine starke Linke gewünscht“, sagt sie in Richtung ihrer alten Weggefährten. Es bleibt abzuwarten, ob ihr Bündnis eine neue politische Kraft werden kann, oder es als Rohrkrepierer endet.

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