Tichys Einblick
Anti-Israel-Demonstration in Berlin

Deutsche Linke und arabische Rechte: Es wächst zusammen …

Knapp Zehntausend haben in Berlin gegen Israel demonstriert. Unter den Teilnehmern dominierten arabische Nationalisten und Sozialisten aus Deutschland. Im Hass gegen Israel wächst zusammen, was zusammengehört.

IMAGO / Jürgen Held

Die S1 nähert sich der Innenstadt. An manchen Stationen steigt ein Pulk von Leuten in den Zug. Sie tragen Transparente mit sich, Palästinenser-Schals um den Hals und die schwarz-weiß-grüne Fahne mit dem roten Dreieck am Rande. Es lässt sich leicht raten, an welchen Haltestellen solche Pulks einsteigen: Leben dort viele deutsche Wohlstandslinke oder „Menschen mit Migrationshintergrund“, steigen auch viele Demo-Teilnehmer ein. Steglitz und Schöneberg sind da stabil.

Auf dem Alexanderplatz sammeln sich eine Stunde lang die Massen. Wie viele dort stehen, ist schwer einzuschätzen. Die Polizei sagt zuerst 6.000 Teilnehmer, später 10.000 – angemeldet waren 2.000. Ausgemacht war auch, dass hetzerische Beiträge zum Ausschluss führen. Am Anfang führen die Polizisten einige Teilnehmer ab, die es übertrieben haben.

Damit scheint ihre Quote erfüllt und danach hält sich die Polizei nur noch am Rande der Kundgebung auf. Würde jetzt jemand etwas Hetzerisches rufen, würden es die Polizisten gar nicht mitbekommen. Schließlich ist das auch kein Corona-Spaziergang, bei dem es gilt, Alte und Frauen entschlossen niederzustrecken und so Protest gegen die Politik der Regierung zu unterbinden. Das ist eine Demonstration von arabischen Rechten und deutschen Linken. Da ist der Polizei – allzumal in Berlin – die Meinungsfreiheit dann plötzlich wichtig. Verständnis und Deeskalation prägen in dem Fall ihre Strategie.

Schließlich hat die Polizei am Anfang einige Teilnehmer abgeführt, das muss reichen. Eine junge Dame drängt sich durch die Massen. Sie trägt ein Schild: „Hey Israel, gehört das Abschlachten Unschuldiger … zur Selbstverteidigung?“ Die Frage richtet sich an Israel, nicht an die Hamas. Deren Komplizen sind am 7. Oktober auf ein Festival eingedrungen, haben Unbewaffnete abgeschlachtet, Frauen vergewaltigt. Sie sind in Grenzdörfer eingedrungen, haben Flüchtende erschossen, Mütter vergewaltigt und währenddessen deren Babys im Backofen gebraten. Anderen Babys schlugen sie die Köpfe ab. Über diese Taten der Hamas verlieren die Teilnehmer auf dem Alexanderplatz kein Wort. Das lenkt nur vom Feind ab.

Und der Feind von arabischen Nationalen und Sozialisten aus Deutschland ist Israel. Da wächst zusammen, was zusammengehört. „Hoch die internationale Solidarität“, skandieren die einen. „Stoppt den Mord, stoppt den Krieg / stoppt den Gaza-Genozid“, skandieren die anderen. Der arabische Part der Demonstration. Der deutsche Teil stimmt ein. Die arabischen Nationalisten geben beim Thema Israel den Takt an. Die deutschen Sozialisten sind schon froh, überhaupt mal wieder etwas Aufmerksamkeit abzubekommen.

Die junge Dame mit dem Baby-Schild trägt Kopftuch, Sonnenbrille und Schal. Der Optimist würde hoffen, dass sie sich wenigstens schämt. Doch wahrscheinlich sind es eher die Konsequenzen, die sie fürchtet. Noch sind die Machtverhältnisse nicht auf ihrer Seite. Die deutschen Biedermänner lassen die Brandstifter zwar bei sich wohnen und hoffen, wenn sie als Gastgeber besonders nett sind, zünden die Brandstifter nur andere Häuser an. Doch noch besitzen die Biedermänner das Haus immerhin.

Während ein Pressefotograf die junge Dame fotografiert, drängt ihn ein Mann ab. Der trägt schwarze Mütze, Sonnenbrille und Mundschutz. Die Corona-Politik kam Radikalen weit entgegen. Das Foto kann der Mann nicht verhindern. Aber er hält seine Kamera dem Fotografen wiederum demonstrativ ins Gesicht, fotografiert ihn aus weniger als einem Meter Abstand. Seine Pose sagt: Am liebsten soll dich etwas anderes als meine Kamera im Gesicht treffen, warte nur, bis wir an der Macht sind – und es dauert nicht mehr lange, bis es soweit ist.

Die deutschen Sozialisten weisen alles auf, was sie an Vielfalt zu bieten haben. Die MLPD ist da. Die haben noch an keinem Demonstrationszug gefehlt, auf den sie aufzuspringen hofften. Das Punk-Girlie mit den rosa oder grün gefärbten Haaren zeigt Entschlossenheit ebenso wie Soja-Sören mit dem Palli-Schal und die von 68, 83 und 99 übrig gebliebenen Altlinken.

Auf dem Alexanderplatz geht es letztlich auch um eine Machtdemonstration. Eigentlich geht es vor allem um eine Machtdemonstration: Demo-Teilnehmer klettern auf den Neptunbrunnen. Besetzen ihn, schwenken die palästinensische Fahne oben auf der Neptunfigur. Sie haben die Macht, demonstrieren sie. Die Polizei schaut dabei zu, lässt sie machen, gibt ihnen damit recht: Sie holen sich die Macht und die Biedermänner wehren sich nicht. Immer in der Hoffnung, dass das eigene Haus verschont bleibt.

Die Altlinken witzeln am Rande der Kundgebung: Warum Palästina? Sollen die Rechten die Juden doch in Bayern ansiedeln, wenn sie denn irgendwo einen Staat haben müssten. Juden nach Bayern. Hihi, hoho, haha. „Oder nach Berlin, da ist es eh scheiße.“ Juden nach Berlin, weil es dort eh scheiße ist. Hoho, hihi, haha. Nach Madagaskar sagt keiner. Das wäre politisch nicht korrekt. Der Unterschied ist wichtig für deutsche Linke: Wer Witze über Juden nach Bayern macht, kann Geld aus den Fördermitteln zur Integration arabischer Einwanderer verlangen. Wer Witze über Juden nach Madagaskar bekämpft, kann Geld aus den Fördermitteln im Kampf gegen Rechts beantragen. Und ohne diese Fördertöpfe hätten in Deutschland nur noch Linke mit Erbschaften Geld.

Mitten im Geschehen am Alexanderplatz ist ein Vater mit seinem kleinen Jungen auf der Schulter. Er hat dem Kleinkind beigebracht, „Free Palestine“ zu skandieren. Wie süß. Arabische Nationalisten und Sozialisten aus Deutschland kriegen sich nicht darin ein, den kleinen Skandierer niedlich zu finden. RBB 24 Inforadio berichtet. Es habe Vermummte auf der Demo gegeben, „aber“ auch Familien.

Das Aber ist ein Einschränkendes: Gut, es gibt auch nicht ganz so Freundliche auf dem Alexanderplatz … Aber da sind auch Familien, also ist das doch eine letztlich gute Demonstration. Während der Pandemie hatte der öffentlich-rechtliche Rundfunk noch Demonstranten kritisiert, weil die Kinder dabei und somit instrumentalisiert hätten. Bei der Demonstration gegen Israel sind dem RBB skandierende Kinder ein Aber wert. Doppelmoral: Etwas kann böse sein, aber gut, wenn es im eigenen Sinne stattfindet. Und auf welcher Seite RBB 24 Inforadio steht, daraus macht dieses nur bedingt einen Hehl. Die Gräueltaten der Hamas verschweigt der RBB mittlerweile so konsequent wie auf dem Alexanderplatz die arabischen Nationalisten und die Sozialisten aus Deutschland. Es wächst zusammen, was zusammen gehört.

Wenn das Wort „Gaza-Genozid“ fällt, skandieren die deutschen Sozialisten besonders inbrünstig. 78 Jahre lang war ein Genozid die Tat ihrer Ahnen. Sie selbst waren so gut, so richtig, so Recht habend und so engagiert, dieses Rechthaben in die Welt zu tragen. Wenn da nur nicht die Schuld der Ahnen gewesen wäre, die einem die Selbstverliebtheit verleidet hätte.

Jetzt verhindern sie einen Genozid. Jetzt sind sie die Guten. Dass es der Hass gegen Juden ist, der sie auch mit ihren Ahnen vereint, erreicht als Gedanke, als Zweifel die deutschen Sozialisten nicht. Wer sich an sich selbst besaufen will, der nimmt nichts zu sich, was den Rausch bremst. Und so sitzen sie in der S1 auf dem Weg zurück nach Schöneberg und in ihnen summt es: „Stoppt den Gaza-Genozid, stoppt den Gaza-Genozid, stoppt den Gaza-Genozid“. Nur irgendwann müssen sie aussteigen, sonst haben sie die Endstation der S1 erreicht: Wannsee.

Bis zum Redaktionsschluss dieses Textes waren keine weiteren Ausschreitungen bekannt. Wir reichen diese gegebenenfalls als Updates nach.

Update 1: Um 18 Uhr sprach die Polizei von 35 Verhafteten.

Update 2: Die Demonstration endete planmäßig um 19:00 Uhr.

Update 3:  In der Nacht zum Sonntag wurde in Neukölln eine Kugelbombe gezündet. Die Polizei meldet zwei verletzte Polizeibeamte sowie ein verletztes Kleinkind. Die BILD meldet sechs Verletzte: zwei Beamte, zwei Erwachsene, zwei Kinder. Sie sollen mit leichten Verletzungen in ein Krankenhaus gebracht worden sein.

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