Tichys Einblick
Iran im Menschenrechtsrat

Niemand braucht diese UN

Die UN hat sich selbst überholt. Menschenrechtscharta hin, Wokeismus her: nicht nur für die islamischen Staaten ist die Satzung bloßes Lippenbekenntnis. Da ist der Vorsitz des Iran im Forum für Menschenrechte nur die Spitze des Eisbergs.

IMAGO / ZUMA Wire

Es ist ein Klassiker: menschenrechtsfeindliche Staaten als Mitglieder eines Rats, dem die Pflege der Menschenrechte obliegt. Demnach ist auch der Vorsitz des Irans in einem Forum des Menschenrechtsrats kaum noch einen Aufreger wert. Denn auch Länder wie Saudi-Arabien, Nordkorea und Myanmar sind Teil der UN und damit stets potenzielle Ratsmitglieder und Vorsitzende. Dass die Notiz etwas größer ausfällt, hängt dabei mit der aktuellen Situation zusammen. Im neuerlich schwelenden Nahostkonflikt nimmt der Iran eine Schlüsselrolle ein. Das vom 7. Oktober immer noch schwerverletzte Israel sieht in Teheran seinen eigentlichen Gegenspieler, der mit der Hisbollah und anderen Marionetten spielt.

Also nur ein weiterer Aufreger, eine weitere Empörungssalve? Nein. Denn nicht die aktuelle Situation, sondern das Prinzip ist entscheidend. Das Prinzip heißt: Dysfunktionalität der Vereinten Nationen. Über das UNRWA als eigenes Palästina-Flüchtlingswerk der UN stand genügend in den Schlagzeilen – ein weiterer Beleg für die krisengeschüttelte Weltorganisation, bei der sich in den letzten Jahren auch Korruptionsvorwürfe gemehrt haben.

Die Gründungsidee der UN war keine schlechte. Sie sollte den Frieden wahren und mit stärkeren Vollmachten als der Völkerbund auch Missionen zur Friedenswahrung durchführen. Ihre Ineffizienz hat man in der Vergangenheit häufig mit der gegenseitigen Blockade der Supermächte im Kalten Krieg zu entschuldigen versucht. Doch in Wirklichkeit ist die UN heute als politische Institution bedeutungsloser als im Kalten Krieg, wo sie wenigstens noch als Mediator diente. Spätestens, als die USA als eigentlicher Patron der UN in den Irak einmarschierten und sich die Vereinten Nationen endgültig als zahnloser Tiger entpuppten, hat sich ihre Mission für alle Welt sichtbar erledigt.

Seitdem schlagen zwei Herzen in ihrer Brust. Die eine will hoch zur Wokeness hinaus, überbietet sich bei der Umsetzung der Wokeness als politisches Feld: etwa, wenn es um die Förderung von Abtreibungen, der Massenzuwanderung, der Minderheitenpolitik und sexueller Vielfalt geht.

Die andere hingegen wird davon bestimmt, dass die UN sich beispiellos überholt hat. Das betrifft nicht einmal die oft kritisierten Gremien. Sondern das Fundament, auf dem die Vereinten Nationen stehen. Ihre Charta stammt aus einer Zeit, in der der Westen den Globus dominierte. Die UN-Charta basiert auf dem Liberalismus und der Aufklärung. Die wenigen Entwicklungsländer, die keine Kolonien waren, orientierten sich säkular und westlich. Beispiel Ägypten, Beispiel Syrien, Beispiel Iran.

Damit schließt sich der Kreis. Die Welt ist gewachsen und hat sich massiv gewandelt. Nicht nur die islamische Welt kann de facto mit der Zielsetzung der UN nichts anfangen. Vielmehr bilden sich in der UN seit Jahren (und Jahrzehnten) Allianzen, etwa zwischen Diktaturen, zwischen islamischen Ländern, zwischen Dependancen von Weltmächten. Hätten die USA kein Veto, dann hätte die erdrückende Mehrzahl von muslimischen Staaten Israel längst per Resolution von der Erde getilgt. Um international anschlussfähig zu bleiben, enthalten sich andere Staaten strategisch. Das kürzliche Beispiel Deutschlands ist da nur ein Schlaglicht, betrifft aber auch andere Situationen.

Damit geht das eine oder andere Paradoxon einher. Nämlich, dass man aus diplomatischen Gründen diplomatische Lösungen verhindert. Oder eben, dass aufgrund der „demokratischen“ Ordnung, nämlich der Gleichheit aller Länder, potenziell jedes Land in jeden Rat kann. Dann sitzt Afghanistan im Frauenausschuss, Nordkorea im Wirtschaftsrat und Deutschland bei den Energieexperten. Jeder kann alles sein, weil er die UN-Charta zumindest offiziell anerkennt. Obwohl bei der Mehrheit der Länder berechtigte Zweifel bestehen. Der woke Westen will seine Ideen exportieren, betreibt aber in Wirklichkeit umso intensiveren Inzest, während autokratische Mächte ihre ganz eigenen „Demokratievorstellungen“ pflegen.

Eigentlich ein amüsantes Programm, dass man auf Netflix als Nachfolgesatiresendung von „Yes (Prime) Minister“ bringen könnte. Leider ist die Wahrheit nicht nur bitter, sondern kostet auch noch viel Geld, das die Mitgliedsstaaten überweisen. Statt sich zu empören, wäre es besser, endlich den Stecker zu ziehen. Niemand braucht diese UN.

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