„Souverän und in großer Ruhe“ werde die „Linke“ im Bundestag über die Frage entscheiden, verkündet der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch. Aber hinter den Kulissen ist von Ruhe keine Spur.
Wagenknecht und ihre Mitstreiter waren aus der Linkspartei ausgetreten und hatten angekündigt, im kommenden Januar das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ zu gründen. Die Geschäftsordnung der Linksfraktion sieht nun vor, dass Abgeordnete, die aus der Partei ausgetreten sind, einen Antrag stellen müssen, um in der Fraktion bleiben zu können. Das haben die Ehefrau von Oskar Lafontaine und ihre Gefolgsleute offenbar auch getan.
Am 7. oder 14. November werden die Postkommunisten wohl darüber abstimmen, ob Sahra Wagenknecht und neun weitere Abgeordnete in der Fraktion bleiben dürfen. Und im Moment steht vielen Wagenknecht-Gegnern deswegen buchstäblich der Schweiß auf der Stirn.
Zum einen scheint keineswegs sicher, dass überhaupt die notwendige Mehrheit zustande kommt, um Wagenknecht aus der Fraktion zu werfen. Der gehören 38 Abgeordnete an, und die zehn Abtrünnigen werden wohl kaum für ihre eigene Entsorgung stimmen. Vorsichtshalber hat die Fraktionsführung die Zehn denn auch prompt aufgefordert, sich nicht an der Abstimmung zu beteiligen.
Zum anderen würde die Fraktion mit dem Ausschluss der Wagenknecht-Rebellen sich selbst im Wortsinn abschaffen. In der laufenden Legislaturperiode werden 37 Abgeordnete benötigt, um eine Fraktion bilden zu können. Ohne Wagenknecht & Co. können die Linken also keine Fraktion mehr bilden, sondern nur noch eine sogenannte Gruppe.
Das ist weit mehr als eine sprachliche Spitzfindigkeit. Dabei geht es um Zeit und Geld – um viel Geld.
Jede Bundestagsfraktion bekommt monatlich einen Grundbetrag in Höhe von 452.121 Euro, dazu kommen – ebenfalls jeden Monat – 9.438 Euro für jedes Fraktionsmitglied. Oppositionsfraktionen – wie die „Linke“ – bekommen obendrauf einen Zuschlag: 15 Prozent auf den Grundbetrag, zehn Prozent für jedes Mitglied.
Eine „Gruppe“ bekommt nur grob die Hälfte.
Ähnliches gilt für die Redezeiten bei Bundestagsdebatten. Wie viele Abgeordnete einer Fraktion dort reden dürfen, hängt von deren Größe ab. Die Linksfraktion im Parlament hat Anrecht auf viel mehr Redezeit – und auf viel mehr öffentliche Aufmerksamkeit –, als eine Links-„Gruppe“ haben würde.
Dennoch drängen die mit Wagenknecht fundamental verfeindeten Kreise um Parteichefin Janine Wissler und Ex-Parteichef Bernd Riexinger darauf, die Wagenknechte aus der Fraktion zu werfen und die Fraktion damit zur Gruppe zu reduzieren – mit all den beschriebenen erheblichen Konsequenzen.
So etwas nennt man dann wohl Selbstmord aus Angst vor dem Tod.