Er ist einer der „beliebtesten“ Politiker bei Umfragen, er ist adrett und wortgewandt, er trägt stets Krawatte und lächelt freundlich in jede Kamera, die nicht bei drei auf den Bäumen ist: der Minister für Ernährung und Landwirtschaft Cem Özdemir von Bündnis90/Die Grünen. Hinter der Maske des Biedermanns allerdings versteckt sich ein obrigkeitsstaatlicher Brandstifter: Der Mann, der uns von Fleisch bis Käse alles vermiesen will, uns dafür zu Kichererbsen und Insektenmehl bekehren möchte, wünscht guten Appetit.
Weniger appetitlich ist der Werdegang des Saubermanns mit imprägniertem Hemd, an dem Vieles abzuperlen scheint. Beispielsweise, als er sich 2002 von dem Lobbyisten Moritz Hunzinger ein Darlehen in fünfstelliger Höhe gönnte und sich für seine Teilnahme an PR-Veranstaltungen bezahlen ließ. Özdemir war Mitte der Neunziger finanziell in die Bredouille geraten, man sagt, er habe über seine Verhältnisse gelebt. Als das Finanzamt schließlich seinen Anteil an dem üppigen Abgeordneten-Einkommen kassieren wollte, war das Konto des Fans von Designer-Anzügen leer, berichtete damals der Spiegel.
Doch so manch einem ist die Vergangenheit vernebelt: 2015 wurde gegen den Grünen wegen des Besitzes einer Hanfpflanze ermittelt. Die Immunität des Bundestagsabgeordneten war wegen des Verdachts auf Anbau von Betäubungsmitteln aufgehoben worden. Wenn das Hanf gesetzestreu nicht erntefrisch auf dem Balkon stehen darf, dann muss man halt das Cannabis-Verbot in Deutschland per Gesetz zurücknehmen und Cannabis erlauben. Gesagt, getan: Heute sind wir so weit. Demonstrativ ließ er sich bei einem Landesparteitag in Berlin statt Blumen eine Hanfpflanze überreichen.
Özdemir, beliebter Redner und Schöngeist, entgleitet nur manchmal die Contenance und kommt der wahre aggressive Charakter hervor. 2020 beschimpfte er einen Passanten vor laufender Kamera. Die Ursache: Ein Bürger, also der gewöhnliche „Pöbel“, wollte ihm seine Meinung darbieten. „Halten Sie bitte die Fresse! Danke, ich red’ grade“, brüllte Özdemir vor der Geschäftsstelle der baden-württembergischen Grünen in der Stuttgarter Fußgängerzone den Souverän wenig souverän an. „Wir sind hier in Deutschland. Ich rede gerade. Bitte Maul halten“, pöbelt Özdemir fröhlich weiter. Später entschuldigte er sich zwar dafür, da hatte er aber wieder die Kontrolle über seine Emotionen gewonnen.
Kritik an dem ökoautoritären Bourgeois ist immer zugleich Zumutung und Beleidigung in einem: Dies wurde deutlich, als der Triesdorfer Hochschullehrer Prof. Dr. Herbert Ströbel einen kritischen Diskussionsbeitrag zu den Klima- und Umweltauswirkungen des Ökolandbaus in der Zeitschrift „Berichte über Landwirtschaft (BüL)“ veröffentlichen wollte. Herausgeber ist ausgerechnet das Bundeslandwirtschaftsministerium mit Dienstherrn Cem Özdemir.
Der Wissenschaftler kam in seinem Artikel zu dem Schluss, dass der Ökolandbau aufgrund seines niedrigeren Ertragsniveaus einen höheren Flächenanspruch im Vergleich zum konventionellen Landbau hat. Die Entscheidung für den Ökolandbau führe somit über den höheren Flächenbedarf zu mehr Treibhausgasen und geringerer Biodiversität. Kurzum: Dehnt Deutschland seinen Ökolandbau aus, verlagert man die Emissionen in andere Länder. Da schlug die grüne Inquisition gnadenlos zu: Druckverbot! Soweit käme es nicht, einen faktenbasierten, kritischen Beitrag in einer Postille des Ministers zu veröffentlichen. Er soll hier auch persönlich eingegriffen haben, was aber umgehend dementiert wurde.
Beachtlich ist das rigorose und schamlose Vorgehen des Ministers, um seine Ideologie gegen den gesellschaftlichen Mainstream durchzusetzen. Das treibt zuweilen absurde Blüten. Wie mit einer Trophäe stand er unlängst mit einer Salzbrezel in Bad Urach seiner schwäbischen Heimat und verlangte: Die Brezel muss UNESCO Kulturerbe werden. Sprach es und fuhr in sein Ministerium, um dort eine Vorlage zu Werbeverboten für Lebensmittel zu entwerfen, die auch die Brezel enthält. Kein Problem für Özdemir, der diesen schizoiden Zwischenfall öffentlich mit Krokodilstränen als „Kinderschutz“ wegheuchelt. Doch die Wahrheit lässt sich nicht übertünchen.
Es gibt kaum einen Skandaltypus, in den der Name Özdemir nicht irgendwie verwickelt zu sein scheint. Nepotismus-Verdacht gehört zu solch einer Kategorie, bei der man sich als anständiger Deutscher am liebsten hinterher die Hände waschen möchte. Seine Ehefrau Pia Castro, beschäftigt bei der Deutschen Welle, dem Auslandsrundfunk der Bundesrepublik Deutschland, hatte Honorare für Moderationen erhalten. Das Problem: Die Journalistin und Ehefrau von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir wurde von der Regierung entlohnt. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des Abgeordneten Martin Renner hervor. Glücklicher Zufall: Die Deutsche Welle untersteht direkt der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth (Grüne) und finanziert sich ausschließlich aus Steuergeldern.
Nach den vorliegenden Informationen moderierte Castro zwei Veranstaltungen im Auftrag des Auswärtigen Amtes unter der Leitung von Ministerin Annalena Baerbock (Grüne), während ihr Ehemann Teil der Bundesregierung war. Zudem moderierte sie eine weitere Veranstaltung während der vorherigen Legislaturperiode unter Heiko Maas (SPD). Die genauen Honorarsummen für diese Moderationsaufträge sind nicht bekannt, da die Bundesregierung sie unter strenger Geheimhaltung behandelt.
Cem Özdemir lebt und handelt ganz offensichtlich nach dem in der Politik gern genutzten Motto: links stehen, rechts leben. Die Obrigkeit bin ich und ihr da unten habt zu gehorchen.
Ralf Schneider ist Psychologe, Regisseur, Journalist und Fernsehproduzent. Er ist Präsident der Vereinigung Europäischer Journalisten.