Dreimal im Jahr führt die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) unter ihren Betrieben eine Konjunkturumfrage durch. Zwei große Krisen hat es in den vergangenen Jahren gegeben. Eine ausgelöst durch die Pandemiepolitik, eine andere durch den Energie-Preisschock zum Beginn des vergangenen Jahres. Nun kündigt sich die nächste große Krise an: ausgelöst einfach nur durch die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen in Deutschland.
Mehr als die Hälfte aller befragten Unternehmer gibt die Wirtschaftspolitik als Geschäftsrisiko für sie an. Dieser Wert hat im Vergleich zur letzten Umfrage massiv zugelegt. Am Bau sehen nun 48 statt 39 Prozent der Befragten die Wirtschaftspolitik als Problem an, in der Industrie sind es nun 51 statt 42 Prozent. Einen so negativen Wert hat es in der DIHK-Umfrage noch nie aus der Industrie für die Wirtschaftspolitik gegeben. Der Arbeitskräftemangel und die hohen Energiepreise sehen die Unternehmer als noch größere Geschäftsrisiken an – aber hier sind die Werte von einem hohen Niveau aus zurückgegangen.
Und selbst das ist nur bedingt eine gute Nachricht. Dass die Unternehmer den Arbeitskräftemangel nicht mehr so stark als Problem ansehen, könnte auch damit zusammenhängen, dass die Firmen in Sachen Beschäftigung ohnehin zurückhaltend seien, wie DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben berichtet. „Der Frust ist riesig“, sagt er. Bisher habe die Wirtschaft noch gehofft, die Inlandsnachfrage könne die Gesamtbilanz rausreißen. Doch diese Hoffnung erfüllt sich nicht.
Statt von Binnenwachstum berichtet Wansleben also von einer Tendenz, die gefährlich für den Standort Deutschland ist: „Unsere sichere Säule, die Industrie, ist nicht mehr die tragende Säule unserer Konjunktur.“ Der Kern des deutschen Wohlstands bröckelt. Nicht mal ein Viertel der Betriebe plant laut DIHK, die Investitionen in Deutschland auszuweiten, im Gegenzug planen 36 Prozent eine Reduzierung ihres Geschäftsvolumens hierzulande. Habecks Plan, ein staatliches Investitionspaket zu schnüren, wird da wenig helfen: Den Aufschwung werde Deutschland „niemals allein mit öffentlichen Investitionen und Förderprogrammen schaffen“, sagt Wansleben, „denn 90 Prozent der Investitionen unserer Volkswirtschaft kommen von privater Hand.“ Doch privaten Investoren fehle derzeit eben das Vertrauen.
Aus zeitlichen Gründen finden sich die Morde der Hamas und ihre Folgen nur bedingt in der Konjunkturumfrage wieder. Das Wirtschaftskonzept, das Habeck vorgestellt hat, ist darin gar nicht enthalten. Auf eine Nachfrage, wie es sich wohl ausgewirkt hätte, gibt sich Wansleben diplomatisch. Er wolle das, was Habeck vorgestellt hat, „nicht zum Feindbild“ erklären. Doch eine gewisse Enttäuschung habe er schon erlebt.
Als großes Problem nennt Wansleben die Bürokratie. Mittlerweile gebe es so viele Berichtspflichten für die Unternehmen, dass es nicht nur die Frage sei, wer diese Berichte alle erstellen soll – sondern, wer das alles zur Kenntnis nehmen und auswerten soll. Die Politik bringe die Verwaltung durch hohe bürokratische Auflagen in die Situation, dass diese Anträge nicht mehr zügig abarbeiten kann. Entsprechend würden lange Bearbeitungszeiten zu einem Problem für die Wirtschaft.
An diesem Punkt setzt Wansleben mit konkreten Vorschlägen an: Die Ampel solle die Wirtschaft vor weiteren Berichtspflichten verschonen – und bereits bestehende Pflichten prüfen und abschaffen. Das Lieferkettengesetz müsse zum Beispiel ausgesetzt werden. Es behindere deutsche Unternehmen im Ausland an Geschäften. Das gelte vor allem auf Märkten, die Deutschland neu erschließen müsse, um verlorene Geschäfte mit Russland und gegebenenfalls mit China auszugleichen.
An solche Fortschritte scheinen nur wenige Unternehmer zu glauben. Gerade mal 13 Prozent der Befragten rechnen demnächst mit besseren Geschäften, 35 Prozent gehen von schlechteren Geschäften aus. So schlecht war der Saldo zuletzt nur während der Frühphase der Pandemiepolitik und nach dem Energiepreisschock vom Februar 2022. Deswegen rechnet die DIHK in diesem Jahr mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,5 Prozent. Und anders als die Bundesregierung erwartet die Handelskammer auch fürs nächste Jahr keinen Aufschwung, sondern nur eine „schwarze Null“.
Zu geopolitischen Risiken wie dem Ukraine-Krieg, dem Hamas-Terror oder einem möglichen Krieg zwischen China und Taiwan kommen strukturelle und damit dauerhafte Problem dazu. Etwa die hohen Energiekosten, die Alterung der Gesellschaft oder steigende Arbeitskosten. Wansleben wolle den Standort Deutschland noch nicht abschreiben. Aber wenn die Ampel was ändern wolle, dann müsse sie jetzt auf „Reset“ drücken und neustarten.