Tichys Einblick
Schweizer Parlamentswahlen

In der Schweiz verwelken die Grünen

Das Ergebnis der Schweizer Wahlen bringt die deutsche Presse in Rage. Dabei haben die Schweizer nur die Lehren aus dem deutschen Wohlstandsverlust und der deutschen Zuwanderungspolitik gezogen, die man hierzulande nicht ziehen will.

IMAGO / dts Nachrichtenagentur

Eine Woche, nachdem die Medien die „Freiheitsglocken” für Polen läuteten, ist er wieder zurück: der „Rechtsruck“. Die Erklärung nimmt sich so aus: Die Schweizerische Volkspartei habe „Ängste“ vor der Zuwanderung geschürt. Mit „brachialer Rhetorik gegen Ausländer“ konstatiert der Focus. „Die Hau-den-Ausländer-Karte hat gezogen“ schreibt die Zeit, die Süddeutsche warf dem Nachbarland vor: „Die Schweiz igelt sich ein.“ Der Tagespiegel verstieg sich sogar zum Titel: „Im radikalen, reichen Idyll zeigt die Schweiz ihr hässliches Gesicht.“

Ja, so läuft das Spiel, wenn nicht wie in Polen die präferierte Ideologie gewinnt, oder wenigstens ein Patt wie in Spanien rauskommt. Da kann auch ein Land wie die Schweiz, das historisch deutlich häufiger als Deutschland als Hort von Freiheit und Demokratie wahrgenommen wurde, plötzlich von der Direkten Demokratie in den Präfaschismus kippen. Kann eben nicht jeder das perfekte System wie in Deutschland haben. Bleibt die Frage: Warum fliehen eigentlich so viele Deutsche in die Schweiz, wenn es hier so vieles besser, und dort so vieles schlechter ist als im besten Deutschland aller Zeiten?

Dass man in den Kantonen mittlerweile nicht nur Kopftuchträgerinnen, sondern auch deutsche Zuwanderer angesichts ihres massenhaften Zustroms misstrauisch beäugt, klammert man da gerne aus. Die Deutschen sind ein Stück weit die Türken der Schweiz, und zumindest die deutsche Politik und das deutsche Pressewesen hat für manches Schweizer Ohr auch schon den beliebten Charme bekannter türkischer Politiker angenommen. Das muss man leider so böse betonen. Können Sie sich noch an die „Kavallerieattacke“ des Ex-Finanzministers Peer Steinbrück auf die Schweiz erinnern? Nein? Die Schweizer schon.

Trotz aller Animositäten: Die Schweiz hat als Land, das zwischen Italien und Deutschland liegt, gemerkt, was die Stunde geschlagen hat. Die Schweizerische Volkspartei (SVP) will Zurückweisungen an der Grenze und Grenzkontrollen. Die Grünen wollen eine abgemilderte Form dessen, was in Deutschland als Zeitgeist herrscht und die Politik bestimmt. Die SVP hat deswegen nicht nur das Thema Zuwanderung, sondern auch das Thema Energiesicherheit aufgenommen. Von der Schweiz kann man nach Deutschland blicken und analysieren, was Wohlstandsverlust bedeutet. „Statt der Angst vor dem Klimawandel dominierte in den letzten Monaten nun jedoch die Angst vor Krieg, Zuwanderung und Kaufkraftverlust“, kommentiert die NZZ.

Das Ergebnis ist deutlich: Die SVP erreicht mit 28,6 Prozent das zweitbeste Ergebnis ihrer Geschichte – sie legt um 3 Prozentpunkte bzw. 9 Sitze im 200 Sitze umfassenden Nationalrat zu. Sie ist mit 62 Sitzen die stärkste Kraft des Landes. Die Grünen sind die Verlierer des Wahlabends: Sie büßen 3,8 Prozentpunkte ein und kommen nur noch auf 9,4 Prozent. Die Grünliberale Partei gibt zwar nur 0,6 Prozentpunkte ab, verliert aber 6 ihrer 16 Sitze. Die viel wichtigere Diagnose lautet daher: Nicht nur die SVP legt zu, sondern die Grünen verwelken. Die Ampel-Politik wirkt also. Nur etwas anders als man denkt: Wenigstens in einer Hinsicht tragen die deutschen Belehrungen Früchte.

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