Die Nachricht droht in der aktuellen Staatskrise (auf halbem Wege) unterzugehen: Nancy Faeser (SPD) will antisemitische Straftaten künftig nicht mehr pauschal als rechtsextrem einordnen, wenn deren wirklicher Hintergrund unklar ist. Die Bundesinnenministerin macht damit ein entscheidendes Zugeständnis. Wohlbedacht dürfte sein, dass sie es in dem Moment tut, in dem der Lärm der Anti-Israel- und pro-palästinensischen bis Pro-Hamas-Demonstrationen die Vorderbühne der medialen Lage einnimmt.
Bisher sei die Regel „angemessen“ gewesen, erklärte das Innenministerium laut FAZ, damit antisemitische und fremdenfeindliche Straftaten „richtig zugeordnet“ wurden. „Richtig“? Was ist daran richtig, wenn ein Islamist oder ein arabischer Nationalist ein Hakenkreuz irgendwohin schmiert und dies dann pauschal als „rechtsextreme“ Tat eingestuft wird? Andere mutmaßen, es wäre als „unbefriedigend“ empfunden worden, wenn man eine große Anzahl antisemitischer Straftaten nicht zuordnen hätte können. Das ist ein noch absurderes Argument für das bisherige verquere Verfahren der Behörden.
Es ging dabei offenbar um etwas anderes, nämlich das Beackern des eigenen parteipolitischen Gartens. Der Unterton bei dieser Einordnung zielte immer auf die politische Rechte in Deutschland ab, die durch eine solche Zuordnung quasi mit getroffen und schuldig gesprochen, für derartige Taten mitverantwortlich gemacht werden sollte.
Und so meinte es vielleicht auch die Innenministerin, die so gerne den Spruch wiederholt, die größte Gefahr gehe von rechts aus. Das ist aber längst nicht klar. Die Mehrzahl der vom Generalbundesanwalt angestoßenen Ermittlungsverfahren richten sich auf islamistischen Terrorismus. Rollator- und andere Reichsbürger-Coups, die Faeser mit Fleiß medial inszenierte, spielen demgegenüber eine untergeordnete Rolle.
Kurz gesagt: Man wollte die rechte Gefahr groß reden und rechnen, und dazu brauchte man die Zahlen, die man sich an dieser Stelle mit einem Trick verschaffte, der sich gewaschen hatte. Der Trick war deshalb so „gut“, weil er auf ein allgemeines Vorurteil zurückgreifen konnte, das sich in Deutschland durch den öffentlichen Rang und die Bedeutung der Vergangenheitsbewältigung ausgebildet hatte: Der Gefahr eines Rückfalls in dunkle Zeiten muss sich ein deutsches Gemeinwesen demnach in jedem Falle entgegenstellen. Erst die aktuelle Krise der anti-israelischen Demonstrationen und Ausschreitungen ändert diesen Ausblick – vielleicht gründlich. Denn sie weist uns darauf hin, wo – in welchen Ländern, Kulturen, Kreisen – es heute reuelosen, unwankenden Antisemitismus gibt. Die Begegnung von Allahu akbar und Davidstern auf deutschen Straßen ist inzwischen unmittelbar polizeischutzwürdig.
Und das mediale Establishment – von Ferda Ataman bis Joko und Klaas – schweigt angestrengt zu den Vorgängen in den meisten Städten, wo sich ein heftiger Antisemitismus ausbreitet.
Zu solchen Taten soll es, wenn auch erst frühestens ab 2024, korrekte Daten geben. So versaut sich die SPD zumindest nicht die nächste Bundestagswahl mit diesem Thema. Denn die Zahlen werden anfangs noch nicht mit Vorjahreswerten vergleichbar sein und also nichts über Tendenzen aussagen.
Im letzten Jahr gab es übrigens 105 antisemitische Straftaten, die mit „ausländischer oder religiöser Ideologie“ zusammenhingen, acht antisemitische Straftaten, die mit dem Linksextremismus zu verbinden seien. 2.185 solche Straftaten wurden – wie man weiß, pauschal – als rechtsextrem bedingt eingeordnet, auch wenn die wahren Hintergründe unbekannt waren.