Im Bundestag gibt es einen Trend: Zu unangenehmen Themen ducken sich die zuständigen Minister weg. Etwa bei der dritten Lesung zur Mauterhöhung. In der redet kein Verkehrsminister Volker Wissing. Nicht einmal seine Staatssekretäre wie Oliver Luksic oder Michael Theurer (alle FDP). Sie schicken ihren Parteifreund Christian Sauter in die Bütt. Der hat als einer der wenigen gegen die Verlängerung der Corona-Maßnahmen gestimmt. Das ist jetzt seine Strafe.
Sauter stellt die Mauterhöhung in nur bedingt euphorischen Worten vor: Die Europäische Union zwinge die Ampel zur Mauterhöhung, sie könne also gar nicht anders. Wobei, ja, die Koalitionspartner SPD und Grüne hätten die FDP zu einer Umsetzung gezwungen, die diese so nicht gewollt habe. Das ist die FDP 2023: Die anderen sind schuld und ohne die FDP wäre es ja noch viel schlimmer gekommen. Ein Angebot, für das sich immer seltener fünf Prozent der Wähler entscheiden.
Zudem pustet Bareiß die kümmerliche Sprachregelung der FDP um. Die von der Schuld der anderen, in dem Fall die Schuld der EU. Diese habe den 27 Mitgliedsstaaten einen zeitlichen Spielraum gelassen. Die Staaten hätten bis zum März 2026 Zeit gehabt. Aber die Ampel habe sich den frühestmöglichen Zeitpunkt für die Erhöhung ausgesucht. Damit sichere sie sich zusätzliche Einnahmen von 17,8 Milliarden Euro im Vergleich zu einer späteren Einführung.
Auch wirft Bareiß die Propaganda der Ampel um, wonach es dieser um eine Verkehrswende gehe. 4,1 Milliarden Euro des zusätzlich den Speditionen abgepressten Geldes gingen an Finanzminister Christian Lindner (FDP). Um andere Haushaltslöcher zu stopfen. Bareiß habe Wissing gefragt, wofür genau das Geld verwendet werde – der habe es nicht gewusst.
Dirk Brandes (AfD) beschreibt, welche Folgen die Mauterhöhung hat – mit rund 8 Milliarden Euro, die der Staat sich jährlich zusätzlich holt. Zum einen gebe es Speditionen, die weitere Kostensteigerungen nicht mehr auf die Preise umlegen können. Denen drohe dann die Insolvenz, ihren Angestellten die Arbeitslosigkeit. Andere Speditionen würden die Kosten umlegen, dann steigen an anderer Stelle die Preise. Etwa in den Supermärkten. „Millionen Menschen in diesem Land fragen sich, wem dient diese Regierung eigentlich“, sagt Brandes und wirft der Ampel vor: „Sie schröpfen Leistungsträger für ideologische Geisterfahrten.“
Wie rechtfertigen die Ampel-Abgeordneten die Erhöhung? Zum Beispiel Udo Schiefner (SPD). Er attackiert Sauter: „Sie sind auch mit uns in einer Koalition.“ Das klingt für die FDP wie eine Drohung. Eine Bestrafung. Oder eine Zurechtweisung. Jedenfalls nicht wie das Resümee, dass die FDP sich auf eine Zusammenarbeit eingelassen hat, deren Ergebnisse sie ihren Wählern gut verkaufen kann.
Aber Schiefner hat auch einen Trost für die Bürger, die im Supermarkt nun mehr bezahlen müssen. Die Ampel werde die Doppelbelastung kompensieren. An anderer Stelle leugnet die Ampel, dass es Doppelbelastungen gibt, aber das ist ein anderes Thema: Die Ampel werde einen Teil des aus der Mauterhöhung ertrotzten Geldes demnächst in die Forschung umweltfreundlicher Antriebe stecken. Also wer nach dem 1. Dezember höhere Preise im Supermarkt zahlen muss, sei getröstet: In einer nicht bekannten Zeit wird geforscht, um in einer noch weiter entfernten Zeit mit umweltfreundlichen Antrieben Geld einzusparen. Ein Happyend à la SPD.
Den Grünen lässt sich zugutehalten, dass sie sich nicht so verrenken wie die SPD, um ihre Ziele zu benennen. Etwa Julia Verlinden: „Wir verteilen um von der Straße auf die Schiene.“ Die Menschen würden von der Mauterhöhung profitieren: Sie könnten sich über eine bessere Bahn freuen. Und sie warnt Wirtschaft, Bürger und Koalitionspartner FDP schon jetzt: „Wir werden weitere Finanzierungsoptionen suchen.“ Es wird also noch teurer. Speditionen in Not oder höhere Preise im Supermarkt kommen in Verlindens Rede nicht vor. Mit 10.000 Euro Gehalt und 5000 Euro steuerfreier „Kostenpauschale“ im Monat ist das auch kein großes Problem.
Der Bundestag hat die Mauterhöhung am 20. Oktober in dritter Lesung beschlossen. Das heißt: Jetzt erst wird sie rechtskräftig. Die Spediteure haben also 41 Tage Zeit, sie umzusetzen. So sieht verlässliche Wirtschaftspolitik unter Grünen und der SPD aus. Und unter der FDP. Aber schuld sind ja die anderen.