Als Sawsan Chebli auf Twitter gefordert hat, dass jede Talkshow einen Israeli und einen Palästinenser zu Gast haben sollte, hat sie sich das wohl anders vorgestellt. Illner hat das umgesetzt: Israel wird vertreten durch Melody Sucharewicz, eine deutsch-israelische Beraterin, die beispielsweise von 2019 bis 2020 den damaligen israelischen Verteidigungsminister Benny Gantz beraten hat. Die palästinensische Seite – und das dürfte Sawsan so gar nicht gefallen – wird vertreten durch niemand Geringeres als Ahmad Mansour, einem Psychologen und Autor arabisch-palästinensischer Herkunft. Er ist Aktivist gegen Islamismus und Extremismus und besonders bekannt für seine Arbeit gegen muslimischen Antisemitismus. Seine wiederholte Kritik am Islam sorgte dafür, dass Polizeischutz für ihn zum Alltag gehört.
Für Sawsan Chebli dürfte Mansour kein anständiger Palästinenser sein. Denn dass es muslimischen Antisemitismus geben soll, sieht sie lediglich als eine Strategie des rechten Lagers an, um geschützt gegen Muslime hetzen zu können. Warum ich so viel über Sawsan Chebli rede, obwohl sie doch gar kein Teil dieser Sendung ist? Sehen Sie, der Fehler liegt schon in der Frage. Natürlich ist sie Teil dieser Sendung. Dafür muss sie weder vor Ort sein noch muss ihr Name fallen. Es geht bei jedem Weltgeschehen ganz natürlicherweise immer um Sawsan Chebli. Sie werden keinen Tweet von ihr finden – weder zu Angriffen auf Synagogen noch zu den israelischen Opfern im Gaza-Streifen – die nicht das Wort „ich“ in mehrfacher Ausführung enthalten. Alles hat mit Sawsan Chebli zu tun und diesem Naturgesetz muss ich mich ganz einfach beugen. Ich möchte mir schließlich nicht auch noch Wissenschaftsleugnung unterstellen lassen müssen.
Dass es bei allen anderen Themen zufälligerweise immer heißt, dass man der Opposition wie etwa der AfD keine Bühne bieten sollte, ist es bei der Frage, ob ein jüdischer Staat ein Existenzrecht hat, natürlich unabdingbar, beide Seiten anzubieten. Immerhin ist ein inzwischen erheblicher Teil unserer Bevölkerung – viele davon in der Sonnenallee und Umgebung angesiedelt – der Meinung, dass man die Sache mit den Juden ja so oder so sehen kann. Die Kritiker haben die Rechnung ohne den Wirt gemacht – denn sie vergessen eine sehr relevante Schlüsselfigur in dieser Sendung: Das ZDF, das sie ausstrahlt – durch Illner moderiert und mit Informationsfilmchen aufbereitet.
Bei Illner hätte ich beinahe überhört, dass sie sich in ihrer Einleitung und mit dem Begriff „Flächenbrand“, der im Titel der Sendung übernommen wurde, auf die UN bezieht. Doch im ersten Einspieler wird klar: Es hat Methode. Was man über die UN in Bezug auf Israel wissen muss, ist, dass diese in der Vergangenheit nicht gerade eine neutrale Haltung zu Israel eingenommen haben. Vielleicht ist es die klare Überzahl an arabischen Staaten, die alle von Juden mehr so semi-begeistert sind. Jedenfalls hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen 2020 mit 17 von 23 mehr Resolutionen gegen Israel verabschiedet als gegen alle anderen Länder der Welt zusammen. Deutschland stimmte dabei übrigens fast immer gegen Israel. Und wenn wir an die unrühmliche anti-israelische Schweigeminute im UN-Menschenrechtsrat denken, an dem Deutschland natürlich auch teilgenommen hat, kann man davon ausgehen, dass sich an dieser Haltung nicht viel geändert hat.
Ja ja, der arme Gaza-Streifen. Alles scheint hier Mangelware zu sein – Wasser, Strom, Lebensmittel. Das nicht enden wollende Aufgebot an Waffen kann man ja leider weder essen noch trinken, und wenn die Hamas dann versuchen, ihre Krankenhäuser damit zu heizen, ist das auch wieder falsch. Sie können es eben niemandem recht machen. Wobei: Für das ZDF ist es noch immer nicht klar, wer denn nun das Krankenhaus im Gaza-Streifen beschossen hat. Da die Hamas sagen, es wären die Israelis gewesen, während Israel sagt, dass die Hamas sich versehentlich selbst beschossen haben (was nicht das erste Mal wäre), steht es für das ZDF Aussage gegen Aussage. Wir bekommen Biden zu sehen, der Israel ermahnt, mit ihrem Gegenschlag nicht über die Stränge zu schlagen, „aber lassen Sie sich nicht von Ihrer Wut verzehren“.
Ihr schließt sich Melody Sucharewicz an – und schießt hart gegen die deutschen Mainstream-Medien: „Wir müssen auch ganz genau auf die deutschen Medien gucken. Denn was hier passiert seit vielen Jahren und völlig irrsinnigerweise auch jetzt passiert ist, dass man hier in den Nachrichtensendungen auch Minuten, nachdem die Hamas ihre Propaganda losschießt, diesen Wortlaut auch gestern in der Tagesschau oder gerade in den Nachrichten hört: Hamas sagt x, Israel/IDF sagt y. Diese verrückte Äquidistanz zwischen einer ISIS-ähnlichen dschihadistischen Terrrororganisation und dem Staat Israel, die muss vorbei sein. Stellen Sie sich vor, wenn in den 70er Jahren die Nachrichtensprecher gesagt hätten: Das Bundeskriminalamt sagt x, die RAF behauptet das.“ Darauf kann Illner nur antworten mit: „Daran hat der Journalismus zu arbeiten.“ – Als hätte sie nicht gerade vor wenigen Minuten einen Video-Clip abgespielt, der genau dieses Argumentationsmuster verfolgt hat.
Während Melody Sucharewicz aufzählt, dass Frauen, Kinder, Babys, Holocaust-Überlebende unter den Hunderten israelischen Geiseln sind, die die Hamas in den Gaza-Streifen verschleppt hat, wird das Studio im Hintergrund mit palästinensischen Flüchtlingen bebildert. Derweil lässt Ahmad Mansour unbeirrt die linke Wohlfühlblase der westlichen Beschwichtigungspolitik platzen: „Zu den Geiseln muss ich eine Sache sagen, die vielleicht vielen Leuten in Deutschland nicht bekannt ist. Es gab einen entführten Soldaten Gilad Schalit.“ Gemeint ist ein israelischer Soldat, der bei einem Gefangenentausch zwischen Palästina und Israel freigelassen wurde, im Gegenzug ließ Israel 1027 palästinensische Gefangene frei. „Und der Organisator dieses furchtbaren Massakers ist einer der Entlassenen. Das ist Sinwar, der Vorsitzende der Hamas. Und die Hamas hat die ganze Aktion auch so geplant, dass eigentlich die meisten Terrroristen, die in israelischen Gefängnissen sitzen, dadurch befreit werden. Das darf nicht funktionieren, denn in dem Moment lohnt sich Terror. Und Israel hat sich ja erpressbar gemacht, indem sie diesen Schritt gegangen sind.“
Sie versorgen Palästina mit Lebensmitteln, Wasser, Strom. Sie unterstützen und stabilisieren die palästinensische Autonomiebehörde, um ein Machtvakuum zu verhindern. Die israelische Polizei ist auch in palästinensischen Gebieten tätig, um für die Sicherheit auf den Straßen zu sorgen, die die dortigen Einsatzkräfte alleine nicht aufrechterhalten können. Mehrmals hat Israel Palästina eine Zwei-Staaten-Lösung angeboten, war sogar bereit, Jerusalem – die historisch wichtigste Stadt des Landes – zu teilen und an Palästina abzugeben. Man hat sich aus dem Gaza-Streifen zurückgezogen und Gebiete zurückgegeben. Doch all dieses Entgegenkommen hat die Lage nicht entladen oder beruhigt – im Gegenteil: Dieser Freiraum hat den Terrorismus nur stärker gemacht. Warum also, sollte es jetzt – wo die Hamas so weit vorgedrungen ist wie nie zuvor – anders sein? Es sollte doch genug sein, dass man von Israel verlangt hat, seine eigenen Mörder aufzubauen.